August Grisebach (1881–1950)
August Grisebach, Enkel des berühmten gleichnamigen Botanikers und Rektors der Universität Göttingen sowie Sohn des bekannten Berliner Architekten Hans Grisebach, studierte Kunstgeschichte in Berlin bei Adolph Goldschmidt und vor allem bei Heinrich Wölfflin, bei dem er 1906 mit einer Arbeit über das deutsche Rathaus der Renaissance promoviert wurde, und dem er zeitlebens eng verbunden blieb.
Über Professuren in Karlsruhe und Breslau, wo er ab 1920 als Ordinarius lehrte, kam Grisebach 1930 auf den Heidelberger Lehrstuhl für neuere Kunstgeschichte. Hier am Ziel seiner Wünsche angelangt entfaltete er eine rege Tätigkeit auch außerhalb der Ruperto-Carola, etwa als Vorsitzender des Heidelberger Kunstvereins. Als Freund des Philosophen Karl Jaspers, des Altphilologen Otto Regenbogen und des Germanisten Friedrich Gundolf stand er im Zentrum des geistigen Lebens des „alten Heidelberg“, eine Epoche, die 1933 mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten abrupt beendet wurde. Nach Denunziationen kam es schon 1933 zu Hausdurchsuchungen bei Grisebach, der nicht zuletzt wegen seiner Weigerung, die von ihm betriebene deutsche Kunstgeschichte nationalistisch auszurichten, als politisch verdächtig galt.
Der junge, an die neuen Verhältnisse angepaßte Heidelberger Dozent Hubert Schrade versuchte nun zunehmend, Grisebach in Mißkredit zu bringen und aus dem Institut zu verdrängen – erfolgreich. 1937 wurde Grisebach vom Reichsstatthalter in Baden mit einem Vierzeiler in den Ruhestand versetzt – auf der Grundlage des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“. Grisebachs jüdische Ehefrau stellte den formalen Vorwand dar. Hubert Schrade übernahm 37-jährig den so frei geräumten Lehrstuhl.
Von diesem Schlag hatte sich Grisebach, für den die Lehre und die Sorge für seine Studenten im Mittelpunkt seines Lebens standen, nie mehr erholt. Zusammen mit seiner Familie überlebte er den Krieg und ärmlichen Verhältnissen in Potsdam. 1942 wurde der Sohn wegen „Versippung“ der Schule verwiesen. Nach dem Krieg wurde Grisebach 1946 vom Präsidenten des Landesbezirks Baden wieder nach Heidelberg berufen. Die Einstellung verzögerte sich jedoch wegen bürokratischer Hindernisse bis 1948. Auch wurde Grisebach am Institut keineswegs freudig empfangen. Zu viele Personen, die von seinem Weggang profitiert oder ihn doch zu mindest stillschweigend hingenommen hatten, waren noch in ihren Ämtern. 1950 starb der hierüber nicht wenig verbitterte Grisebach im Alten von 69 Jahren an einem Herzinfarkt.
Als Kunsthistoriker hat Grisebach das Werk Heinrich Wölfflins fortgeführt und methodisch verfeinert. Im Zentrum seines Interesses stand die Etablierung einer systematischen Kunsttopographie Deutschlands, die er durch zahlreiche Publikationen mitbegründet hatte (u.a.: Das deutsche Rathaus der Renaissance, Berlin 1907; Danzig, Leipzig 1908; Die alte deutsche Stadt und ihre Stammeseigenart, Berlin 1930; Die Kunst in Schlesien, Berlin 1927; Die Kunst der deutschen Stämme und Landschaften, Wien 1946). Daneben förderte und beeinflußte er in Zeitungsartikeln und Rundfunkbeiträgen maßgeblich die öffentliche Wahrnehmung von Kunst, ohne dabei jemals in populistische Vereinfachungen zu verfallen.
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