Prof. Dr. Michael Hesse
Prof. Dr. Michael Hesse
13.10.1951 – 17.04.2024
Michael Hesse wurde 1992 von seiner Bochumer Professur an die Universität Heidelberg berufen, an das damalige Kunsthistorische Institut. Er lehrte dort bis zu seiner Pensionierung 2019 am nunmehrigen Institut für Europäische Kunstgeschichte die Kunstgeschichte und Architekturgeschichte der Neuzeit. Seine Forschungsinteressen galten vornehmlich der französischen Architektur des Barock – dies belegen u. a. die wichtige Dissertation zur Auseinandersetzung der französischen Sakralarchitektur des 16ten bis 18ten Jahrhunderts mit der Gotik sowie die (leider nie vollständig publizierte) Habilitationsschrift zu den Königsplätzen in Paris. Die Faszination der architektonischen „Ordnung“ und Rationalität des französischen Barock in Städtebau, Fassadengestaltung, Grundrissorganisation und Gartenkunst hat ihn nie losgelassen. Michael Hesse hat Generationen von Studierenden an Beispielen dieser Epoche das „Lesen“ von Architektur in all ihren Feinheiten vermittelt, mit hoher Sensibilität für feine Variationen, aber auch für Ordnungsbrüche. Niemand konnte sorgfältiger aufzeigen, wie sehr die Baukunst des 19., 20. und 21. Jahrhunderts, unter welchen Schlagworten auch immer, dieser rationalen Ordnung verpflichtet war, und dies auch in Italien, Deutschland, England und dem Ostseeraum bis St. Petersburg. Skulptur und Malerei des 18. Jahrhunderts hat er dabei immer im Blick gehabt, auch das Theater, und natürlich die Musik – mit seiner Leidenschaft für die französische Orgelkunst, und mit vielen interdisziplinären Veranstaltungen mit den Kolleginnen der Musikwissenschaft. Einer seiner letzten Aufsätze galt der Orgel in Saint-Sulpice, die als Tempel der Musik gestaltet ist.
Eine große Leidenschaft von Michael Hesse war die universitäre Lehre. Die Jüngeren in Heidelberg kennen sein Handbuch der neuzeitlichen Architektur und insbesondere das Architekturpropädeutikum, das er zu Beginn des Covid-Lockdowns, schon im Ruhestand, mit dankenswertem Einsatz für Distanzlehre und Selbststudium ausgearbeitet hat. Kaum zählbar sind die Magisterarbeiten und später Masterarbeiten, die er angeregt und betreut hat. Schon in den sechs Bochumer Jahren entstanden 18 Dissertationen, und in Heidelberg mehr als 20 weitere – zu unterschiedlichsten Themen, die oft ganz neue Grenzbereiche architekturhistorischer Forschung erschlossen, über Gartenarchitektur, über ephemere Baukunst oder auch über den Film. Diese Themen haben seinen Schülerinnen und Schülern unterschiedlichste Berufswege eröffnet und sie nachhaltig geprägt – und in allen diesen Themen ist Michael Hesse präsent.
Er hat weit über die universitäre Kunstgeschichte hinaus gewirkt: An der Universität durch jahrelange Arbeit in Kommissionen, insbesondere auch für die Graduiertenförderung, als Vertrauensdozent der Studienstiftung, für die Denkmalpflege und ganz besonders auch für die Gartendenkmalpflege der baden-württembergischen Schlösser und Gärten. Viele Themen und Menschen hat er gefördert und begleitet. Als guter Zuhörer, überaus sorgfältig argumentierender, vor allem aber auch ausgleichender, einfühlsamer und humorvoller Gesprächspartner hat er in allen seinen Wirkungsbereichen wichtige Spuren hinterlassen und manche Konflikte entschärft. Wir alle, die von ihm lernen und mit ihm zusammenarbeiten durften, sind uns bewusst, wieviel wir Michael Hesse verdanken. Wir vermissen ihn.