Prof. Ewald M. Vetter

Nachruf (verfasst von Golo Maurer)
Nachruf (verfasst von Walter Berschin)
Schriften von Ewald Vetter

 

Prof. Ewald Maria Vetter

(3.5.1922 - 23.11.2006)

 

Vetter

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ewald Vetter (3.5.1922 – 23.11.2006)

Am 23. November 2006 ist unser Kollege Dr. Ewald Vetter, ehemaliger Professor am Institut für Europäische Kunstgeschichte, im Alter von 84 Jahren verstorben. Wir verlieren mit ihm einen Gelehrten, dessen wissenschaftliche Laufbahn eng mit der Universität Heidelberg verknüpft war. Schon sein Studium begann der in Mannheim am 3. Mai 1922 Geborene an der Ruperto Carola im Wintersemester 1940, das freilich zunächst nur einen guten Monat dauern sollte. Wie so viele seines Jahrgangs wurde er schon im Oktober gleichen Jahres in die Wehrmacht eingezogen. Den Krieg erlebte Vetter als Soldat in der Bretagne. Einige lebenslange Freundschaften mit Franzosen sind ihm aus dieser Zeit geblieben. Von 1944 bis 1946 war er in französischer, englischer und schließlich amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Hier entstanden neben Zeichnungen auch einige Theaterstücke, die er gemeinsam mit Mitgefangenen aufführte.

Nach seiner Entlassung fing er mit bemerkenswerter Unbeirrtheit genau dort wieder an, wo er sieben Jahre zuvor hatte aufhören müssen und nahm er das kaum begonnene Studium wieder auf. Ab Sommer 1947 studierte er in Heidelberg Kunstgeschichte, Germanistik und Archäologie – eine klassische Kombination – und besuchte Veranstaltungen unter anderen bei Gadamer, Grisebach, Hartlaub, Herbig, Jaspers, Paatz und Seckel. Die Jahre 1949 und 1950 verbringt Vetter als Stipendiat in Florenz. Zurück in Heidelberg wurde er 1954 mit der Dissertation über „Mariologische Tafelbilder des 15. Jahrhunderts“ (die ungedruckt blieb) bei Walter Paatz promoviert. Die Erforschung der christlichen Ikonographie sollte seine Lebensaufgabe bleiben.

In den folgenden Jahren arbeitet Vetter als wissenschaftlicher Assistent bei Wolfgang Braunfels in Aachen. 1959 ist er wieder in Heidelberg, ebenfalls als wissenschaftlicher Assistent. 1964 erhält er hier die venia legendi für das Fach Europäische Kunstgeschichte. Die 1972 erschienene Habilitationsschrift Die Kupferstiche zur Psalmodia Eucaristica des Melchior Prieto von 1622 ist eine heute noch gültige, umfassende Darstellung der Ikonographie der Eucharistie. Es folgen 1968 die Ernennung zum Universitätsdozenten, 1970 zum außerplanmäßigen Professor und 1974 schließlich zum C3-Professor am damaligen Kunsthistorischen Institut.

Vetters Kenntnisse der abendländischen, speziell christlichen Bildkunst waren außerordentlich umfassend und reichten vom Mittelalter bis in die Barockzeit. Auf dem Gebiet der Marienikonographie war er ein herausragender Kenner. Seine eigene Religiosität führte ihn dabei immer wieder zu neuen Fragestellungen und vertiefte sein Verständnis für die Materie über das rein Akademische hinaus. Von den methodischen Kontroversen der siebziger und achtziger Jahre hielt sich Vetter eher fern.

Wenn er auch nach seiner Pensionierung 1982 die Kontakte zum Institut deutlich einschränkte, wirkte er bis zuletzt als Wissenschaftler. So erschien noch kurz vor seinem Tod im Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums der Aufsatz: „Divisio Apostolorum: Aussendung und Abschied der Apostel“, in der Mainzer Zeitschrift der Aufsatz „Der Heller-Altar in der Frankfurter Dominikanerkirche und die Grisaillen Grünewalds“ und in den Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz die Studie „Et Verbum caro factum est. Das grosse Diptychon Carrand im Bargello“. Ewald Vetter war ein hingebungsvoller Lehrer. Sein Werk lebt nicht zuletzt durch seine zahlreichen Schüler fort. Er verfaßte – für den Kunsthistoriker eine Seltenheit – eine Autobiographie, die er bis zum Schluß noch redigierte. Sie erschien Ende 2006 in Berlin.

Er wurde auf dem Friedhof von Freudenheim beigesetzt.

(Golo Maurer)

 

 

 

Ewald M.Vetter in memoriam

Die «Durchlässigkeit der Grenze zwischen Leben und Tod» war ihm vertraut, seitdem er als 19jähriger in die Bretagne abkommandiert wurde. Während dreier Jahre empfing er dort unvergeßliche landschaftliche, künstlerische und religiöse Eindrücke und schloß Freundschaften mit Franzosen, die den Krieg überdauerten. Nach Gefangenschaft in den USA und Zwangsarbeit in England begann er im Wintersemester 1947/48 das Studium der Germanistik, Geschichte, Kunstgeschichte und Archäologie in Heidelberg, promovierte 1954 bei Walter Paatz mit einer Studie über Mariologische Tafelbilder des 15.Jahrhunderts und war dann drei Jahre lang Assistent bei Wolfgang Braunfels in Aachen. Als Stipendiat in Madrid fand er das Habilitationsthema Die Kupferstiche zur Psalmodia Eucarística des Melchor Prieto von 1622; denn aus diesem Werk des spanischen siglo de oro ließ sich eine ungebrochene Präsenz der mittelalterlichen Bilderwelt demonstrieren. Zu drei Themen hat Vetter in dem 1972 erschienenen Buch Entscheidendes gesagt: «Das Schiff Kirche», «Die Erscheinung des Schmerzensmannes während der Messe», «Christus in der Kelter und der Fons vitae».

Ab 1964 lehrte er als Dozent an der Universität Heidelberg. Als Außerplanmäßiger Professor (ab 1970) und Wiss.Rat (ab 1974) betreute er zahlreiche Doktoranden und schrieb grundlegende Studien u.a. zum Heidelberger «Codex Manesse», Riemenschneider und Grünewald. Obwohl er sich bereits 1982 in den Ruhestand versetzen ließ, setzte er die Betreuung seiner Schüler fort, mit denen er gern zusammen publizierte und von denen nicht wenige Dissertationen von erheblichem wissenschaftlichem Gewicht geliefert haben.

Vetter vermochte wie kaum ein anderer ein komplexes Kunstwerk zu 'lesen': nicht nur im bildlichen Detail, sondern auch im textlichen, besonders wenn es lateinisch dastand. Ein Muster solch integraler Erfassung ist die Studie zu Bernt Notkes Triumphkreuz im Dom zu Lübeck (1977). Kein künstlerisches Thema war ihm zu gering: Neben bekannten Meisterwerken hat z.B. auch - wie die Bibliographie am Ende seiner Gesammelten Aufsätze Speculum salutis (1994) nachweist - «Die Eingangsfront des Mannheimer Hauptfriedhofes» seine Aufmerksamkeit gefunden. Seiner Pfarrkirche St.Peter und Paul in Mannheim-Feudenheim hat er eine Studie gewidmet; die Restaurierung der Kirche von Lindenfels im Odenwald begleitete er mit seinem Rat. Kein handwerkliches Detail galt ihm als unbeachtlich; an vielen Orten stand er den Restauratoren als Fachmann zur Verfügung, sogar in der Werkstatt, wenn es darum ging, den Handgestus einer Figur zu rekonstruieren.

Er war ein durch und durch künstlerischer Mensch, zeichnete und ist in jungen Jahren als Schauspieler aufgetreten, besonders gern als Epimetheus in Goethes Pandora (1949). Alles Formlose war ihm fast unerträglich; im Notfall half eine Prise Ironie, die schriftlich nur in Form von Kassibern zirkulieren durfte. In den letzten Jahren schien er sich zurückgezogen zu haben. Aber das betraf nicht das Schreiben; er redigierte seine Autobiographie, die in diesen Tagen im Verlag Matthes & Seitz in Berlin erscheint. Am 23.November ist er im Alter von 84 Jahren in seiner Heimatstadt Mannheim verstorben. Auf seinem letzten Weg hat ihn nur ein enger Kreis seiner Angehörigen und Freunde begleitet, wie er es gewünscht hatte. Sein Grab liegt am Ende der kleinen Allee auf dem Friedhof von Feudenheim. Requiescat in pace.

(Walter Berschin)
Quelle: Seminar für Lateinische Philologie des Mittelalters

 

 

 

Schriften von Ewald Vetter

  • Mariologische Tafelbilder des 15. Jahrhunderts und das Defensorium des Franz von Retz. Ein Beitrag zur Geschichte der Bildtypen im Mittelalter , (Manuskript Diss. UB Heidelberg), Heidelberg 1954.
  • Der verlorene Sohn , Düsseldorf 1955.
  • Maria im Rosenhag , Düsseldorf 1956.
  • “Mulier amicta sole und Mater salvatoris”, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, Folge 3, 9/10 (1958/59), S. 32 -72.
  • „Der Einzug Philipps III. in Lissabon 1619“, in: Spanische Forschungen der Görresgesellschaft,1.19 (1962), S. 188-263.
  • „Edme Bouchardon in Rom und seine Büsten Papst'Clemens XII“, in: Heidelberger Jahrbücher, 6 (1962).
  • „Virgo in sole“, in: Festschrift für Johannes Vincke, Madrid 1963.
  • „Das Frankfurter Paradiesgärtlein“, in: Heidelberger Jahrbücher, 9 (1965), S. 102 -146.
  • „Necessarium adae peccatum. Hans-George Gadamer zum 65. Geburtstag”, in: Ruperto Carola, 18.39 (1966), S. 143-182
  • Die Kreuzigungstafel des Isenheimer Altars , Heidelberg 1968.
  • „Erit sepulchrum ejus gloriosum. Materialien zur Geschichte der Heilig-Grabdekorationen in der Barockzeit“, in: Ruperto-Carola. 21.47 (1969).
  • Die Kupferstiche zur Psalmodia eucarística des Melchor Prieto von 1622 ,   Münster 1972.
    (Rezensionen: Fitz Darby in: The art bulletin, 57 (1975), S. 444-447; Walter Berschin in: Studi medievali, 18 (1977.1), S. 315-320.)
  • „Das Triumphkreuz Bischof Krummedicks im Lübecker Dom“, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, 40 (1977), S. 115-134.
  • (gem. Karlheinz Stoll, Eike Oellermann)Triumphkreuz im Dom zu Lübeck. Ein Meisterwerk Bernt Notkes, Wiesbaden 1977.
  • (gem. mit Friedrich Neumann)Zucht und schöne Sitte. Eine Tugendlehre der Stauferzeit mit 36 Bildern aus der Heidelberger Handschrift Cod. Pal. Germ. 389 "Der Welsche Gast" des Thomasîn von Zerclaere, Wiesbaden 1977.
  • „Sens figuratif und sens figuré bei Gauguin“ in: Festschrift Wolfgang Braunfels, hg. v. Friedrich Piel, o.O. 1977, S. 419-431.
  • „Minnesänger“, in: Codex Manesse (Palatinus Germanicus 848). Eine Auswahl aus der Großen Heidelberger Liederhandschrift , hg. von Peter Wapnewski, Parma 1982.
  • „Maria mit dem Kind an der Hand“, in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, 46/47 (1993/94 No. 2), S. 775-796.
  • Speculum salutis – Arbeiten zur christlichen Kunst , Münsterschwarzach, 1994.
    (Rezension: Stefan W. Römmelt in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter, 60 (1998), S. 510-511.)
  • Die katholische Pfarrkirche St. Peter und Paul in Lindenfels 1745-1995 , Lorsch 1995.
  • Der Holzwurm wie er leibt und lebt , Neckargemünd-Dilsberg 1997.
  • (gem. mit Dorit Schäfer und Renate Kühnen)Der Ortenberger Altar, Wiesbaden 2000.
    (Rezensionen: Uwe Gast in: Kunstchronik, 55 (2002), S. 399-405; Brigitte Corley in: Speculum, 78 (2003), S. 277-279; Christian Hecht in: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft, 54/55 (2000/2001), S. 341-346.)
  • „Die Stuppacher Maria des Matthias Grünewald“, in: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft, 54/55 (2000/2001), S. 141-175.
  • „Et Verbum caro factum est. Das grosse Diptychon Carrand im Bargello“, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz, 47 (2003/2004), S. 57-76.
  • „Der Heller-Altar in der Frankfurter Dominikanerkirche und die Grisaillen Grünewalds“, in: Mainzer Zeitschrift, 100 (2005)S. 113-127.
  • „Divisio Apostolorum. Aussendung und Abschied der Apostel“, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums, (2006), S. 65-90.
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Letzte Änderung: 01.07.2009
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