Hu Jintao: State Presidency and New Power in China?, edited by Oliver Radke

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von Oliver Radtke

Die folgende Online-Kollektion entstand Anfang des Jahres 2003, in einem Zeitraum, wo Hu Jintao höchstwahrscheinlich, aber nicht notwendigerweise das Amt des Staatspräsidenten (bis zu seiner Wahl am 15. März) innezuhaben glauben konnte. Offene Kritik am Führungsstil Jiangs hätten den sicheren politischen Tod bedeuten können, dennoch initiierte Hu mit der Einberufung der ersten Politbüro „learning session“ das Äquivalent einer ideologischen Kampagne zum Schutz von Recht und Verfassung. Eine Aktion, die durchaus gegen das Vorgehen Jiangs, Politbüro und Ständigen Ausschuss mit Zöglingen und Prinzlingen anzufüllen, gedacht gewesen sein kann.

Ebenso versucht sich Hu im gesamten Spektrum der Partei weiter zu profilieren. Der konservative KP-Flügel, der Jiang vor allem für seine einseitige Bevorzugung der Küstenregionen kritisiert, mag aufgehorcht haben, als Hu Anfang Januar eine öffentlichkeitswirksame Reise nach Xibaipo unternahm. In Xibaipo befand sich Maos letztes Hauptquartier vor dem Einmarsch in Beijing im März 1949. Auf dem zweiten Plenum des 7. Parteitages hielt Mao eine Rede, in dessen Schlussparagraph er die Parteiführung dazu ermahnte, nach der Regierungsübernahme die Tradition von „plain living and hard struggle“ aufrechtzuerhalten.nteressanterweise zitierte Hu während seiner Rede aus Jiangs Theorie der Drei Repräsentanten nur das Diktum, mit dem sich die Konservativen der Partei am ehesten identifizieren können, dass die Partei die fundamentalen Interessen der breiten Masse repräsentieren müsse. Keine Erwähnung fand, dass die KP „the foremost productivity and the most advanced culture“ repräsentieren müsse, was Jiangs Begründung dafür war, Unternehmer in die Partei aufzunehmen zu wollen.

In der ersten Januarwoche reiste Hu nicht in die Vorzeigestädte Shanghai oder Shenzhen, er fuhr in die Innere Mongolei, wo er bei Minus 35 Grad die Nähe zu Bauern und Hirten suchte und Arbeitern und verarmten Stadtbewohnern Verbesserungen in der Sozialversicherung und der Regierungshilfe für Bürger in Not versprach.

Hu Jintao sollte Selbstvertrauen aus den Ergebnissen der NVK(Nationale Volkskongress)-Wahlen Mitte März ziehen. Obowohl es sich um keine Wahl im demokratischen Sinne handelt, eher um eine Bestätigung der feststehenden Kandidaten, hatten die knapp 3000 Delegierten dennoch die Möglichkeit, ihre Unzufriedenheit durch Gegenstimme oder Enthaltung zum Ausdruck zu bringen. Im Falle der Bestätigung Jiang Zemins als Vorsitzender der staatlichen ZMK enthielten sich überraschend viele Parlamentarier ihrer Zustimmung, 7,5 Prozent oder 220 von 2946 Abgeordneten enthielten sich oder gaben Gegenstimmen ab.

Als ein Mitglied der vierten Führungsgeneration, die nach dem Sieg der KP 1949 aufgwachsen ist, hat Hu Jintao weder eine Verbindung zu Politevents früherer Kriegszei­ten, wie z. B. dem Langen Marsch, noch ein seinen Vorgängern Mao und Deng ähnlich ausgeprägtes Charisma.

Im Ständigen Ausschuss steht Hu alleine da und die Anhängerschaft im Politbüro beschränkt sich auf zwei Personen. Immerhin sind rund zwanzig Vertreter der Jugendverbandsclique ( 团派 tuanpai) also der Seilschaft, auf die sich Hu als langjähriger Leiter des KJV stützt, als Vollmitglieder aufgestiegen. Die meisten Anhänger Hus sind (nach wie vor) unter den ZK-Kandidaten zu finden, die aber kein Stimmrecht genießen.

Die Dichotomie zwischen Hu Jintao auf der einen Seite und Jiang Zemin und seinem Zögling Zeng Qinghong auf der anderen erfasst sicher einen Teil der Realität. Eine derart skizzierte „machtpolitische Arithmetik“ mag vor allem dann zum Tragen kommen, wenn in Krisenzeiten persönliche Seilschaften tatsächlich für den politischen Entscheidungs­prozess ausschlaggebend sein könnten. Im politischen Alltag der VR China stehen jedoch viele dringliche sozioökonomische Probleme im Vordergrund, die pragmatische Lösungs­ansätze erfordern, wo machtpolitische Rivalitäten eher in den Hintergrund treten.

Heike Holbig liefert darüberhinaus den Hinweis, dass die zunehmende Komplexität des Reformprozesses durch angewachsene soziale Missstände und politische Unruhen den anfangs der 90er Jahre noch möglichen Einteilungsversuch in „Reformer“ versus „Konservative“ nicht mehr gelingen lässt. Aus einer derartigen Einteilung läßt sich heutzutage kaum noch etwas über die wirtschafst- oder parteipolitischen Präferenzen aussagen. Die Gegenüberstellung von Zeng Qinghong und Hu Jintao sagt nicht zwangs­läufig etwas darüber aus, ob sie sich mit- oder gegeneinander den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Problemen des Landes stellen.

Li Cheng vertritt die Auffassung, dass Qinghua und ZK-Parteischule häufig als Orte politischer Verhandlungen, fraktioneller Kompromisse gedient haben, ebenso zur Konsensbildung zwischen verschiedenen Lagern. Darüberhinaus liegt ein Vorteil Hus sicher in seiner Erfahrung als Führungskraft im Bereich Nachwuchsförderung und in seiner nationalistischen Anziehungskraft in bezug auf junge Leute. Dadurch, dass er sowohl als reformorientiert als auch als effektiv in der Äußerung patriotischer Statements angesehen wird, scheint Hu für den liberalen und den konservativen Flügel der KP akzeptabel.

Hu Jintao hat allerdings drei Schwachstellen, auf die er nun in den kommenden Jahren besonders achten muss. Zum einen hat Hu kaum Verbindungen zum Militär. Als Parteichef in Guizhou und Tibet hat er wenig erreicht. Und schließlich muss er in ökonomischen und außenpolitischen Fragen seine Kompetenz erst noch beweisen. Hierbei wird er auf jeden Fall auf Wen Jiabao angewiesen sein. Auch Hus Gesundheit ist ein Thema, das man zumindest bei einer ernsthaften Herangehensweise an seine Tibeter Abwesenheit aufgrund jahrelanger Höhenkrankheit, nicht vergessen sollte.

Eine aktuelle zusätzliche Herausforderung liegt in der Kontrolle über das SARS-Virus und in der damit verbundenen offenen Aufklärungspolitik gegenüber Chinas Bürgern. Dass es sich zur Zeit an der KP-Spitze in der Tat um eine einzigartige Machtteilung handelt, mag gerade in der jetzigen Krise auch der Umstand zeigen, dass es sich bei den beiden entlassenen Beamten in Peking um jeweils einen Zögling Jiangs, Zhang Wenkang (Chinas Gesundheitsminister), und einen Protegé Hus, Meng Xuenong (Pekings Bürgermeister), handelt. Dass sich Hu Jintao mittlerweile dem Problem persönlich angenommen hat und zum vereinten Kampf gegen das neuartige Virus aufrief, geht ebenso in die richtige Richtung wie die öffentlichkeitswirksame Tour Wen Jiabaos durch Pekings Supermärkte und Wohnheime der Peking Universität (Beijing Daxue). Die aktuelle Krise zeigt aber auch, dass der anvisierte Weg zu mehr Transparenz im Regierungsapparat noch lang und nötiger denn je ist, reagiert die chinesische Bevölkerung doch bereits mit drastischem Aktionismus auf die Verschleierungstaktik Pekings

Hus eigentliche Machtposition bleibt Anfang des Jahres 2003 trotz seines rasanten Aufstiegs, relativ unklar. Er hat jedoch die Chance aufgrund seiner Akzeptanz im gesamten Spektrum der Partei, seiner eigenen Netzwerke und durch die Förderung Jiangs, ohne als dessen Zögling angesehen zu werden, die Position des Generalsekretärs und Staatspräsidenten auszufüllen. Jiang Zemins Ausgangssituation 1989 stand in keinem Verhältnis zur Machtbasis, die er heute unter sich hat. Damals wird ihm von vielen Seiten, politische Blässe, eine schwache Hausmacht und mangelnde Führungsstärke beschieden. Vergleicht man die Ausgangssituation Jiangs 1989 mit Hus Situation, sieht Hu Jintaos Position sogar vielversprechender aus, immerhin ist er seit zehn Jahren im Ständigen Ausschuss des Politbüros und seit fünf Jahren Vizevorsitzender der ZMK(Zentrale Militärkommission). Die nächsten Jahre werden zeigen, ob die neue Führungsriege in der Lage sein wird, sozioökonomische vor fraktionelle Interessen zu stellen. Mittelfristig erscheint es durchaus möglich, gerade vor dem Hintergrund der Vierten Generation, konsultative Prozesse zu verstärken und die chinesische Parteiführung, Hu Jintao allen voran, zu stabilisieren.

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What will and can Hu Jintao do should he take over state leadership after having become secretary general of the CCP at the 16th party congress in November 2002?

To answer this question (in a term paper) a small on-line collection of about 180 documents was build. The resources included were published between Novemenber 2002 and March 2003 by Chinese (mainland as well as Taiwan and Hong Kong) and foreign media. They focus on a discussion about the leeway and leadership possibilites Hu Jintao might have, should he be confirmed (rather than voted for) as president of the PRC on 15th March 2003. The articles question the strength of Hu Jintao's leadership, considering that he has only a few supporters in his direct vicinity (cf. South China Morning Post: Apparent Full Text of Hu Jintao's Xibaibo Speech on Plain Living, Hard Struggle). Many expect Jiang Zemin to try to retain his power. (cf. Taipei Times online: How Jiang plans to retain power). Other articles try to analyze Hu Jintao's way of eliciting support even from the conservative factions inside the party.(cf. Apparent Full Text of Hu Jintao's Xibaibo Speech on Plain Living, Hard Struggle). Finally, it is discussed, if Hu will start a necessary reform process in China or not. (cf. Asian Wall Street Journal: Hu Won't Change China).

The collection contains a wide variety of articles in Chinese as well as English. For more details, read the introduction (german only!) by the collector Oliver Radtke himself.

Zuletzt bearbeitet von: RS
Letzte Änderung: 28.04.2014
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