Newsletter Juni 2006 Nr. 1

INHALT

Vereinseröffnung: 22. Mai 2006

Zur Eröffnungsveranstaltung lud der Verein einen Alumnus, der es wie kaum ein anderer versteht, über ein Leben zwischen China und Deutschland zu berichten: Tilman Spengler.

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China und der Westen - Projekttage in Bensheim

Das Team Schulkooperation des Sinologie Heidelberg Alumni Netzwerk e.V. beteiligt sich vom 10. - 12. Juli an den Projekttagen am Alten Kurfürstlichen Gymnasium (AKG) in Bensheim. Mit einem Kurs zu chinesisch-westlichen Missverständnissen wird das Team an drei Vormittagen mit Schülern der Oberstufe über die wechselseitige Wahrnehmung zwischen Fernost und dem Westen diskutieren. Mittelfristig ist eine weitergehende Kooperation mit dem AKG in Form einer China-AG gedacht.

Wer Spaß am Unterrichten hat und sich für die Arbeit des Schulteams interessiert, ist jederzeit willkommen!

Weitere Informationen zur Arbeit des Teams unter >> Über uns - Team Schulkooperation.


"China - Markt, Wettbewerber oder Rivale?"

Ein SHAN-Gespräch mit dem Direktor des Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Prof. Eberhard Sandschneider.

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Vivian Jeannette Kaplan - Von Wien nach Shanghai

Eine bewegende autobiographische Familiengeschichte, ein weiterer guter Beitrag zur immer noch wenig bekannten Exilgeschichte Shanghais.

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Ostasieninstitut Ludwigshafen - Chinesisch I - Multimedia Lern-CD

Nach Jahren der konzeptuellen Dürre auf dem Markt endlich ein gelungenes Konzept für Chinesisch-Anfänger, erstellt an der Fachhochschule Ludwigshafen.

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Job

Asia Success Company

Head of Sales & Marketing, Region Shanghai

ASC ist eine auf China spezialisierte Personal- und Unternehmensberatung.
Die Unternehmens-Gruppe des einstellenden Unternehmens ist weltweit Marktführer in der industriellen Entstaubung/Umwelttechnologie. Die zu besetzende Stelle gehört zur Tochtergesellschaft in der Nähe von Shanghai. Diese produziert und vertreibt seit ca. 10 Jahren textile Filtermedien für die industrielle Entstaubung inklusive der anwendungstechnischen Beratung.

Die Position
Ziel ist der Ausbau und die Steuerung eines möglichst schlagkräftigen Vertriebs- u. Marketingteams. Die Stelle ist ab sofort zu besetzen. Budget Sales Domestic derzeit 130 Mio RMB p.a. Nach Einarbeitung und Bewährung besteht Aussicht auf Beförderung zum Deputy.

Hauptaufgaben
- Analyse von Märkten u. Wettbewerbern in China (u. ggf. definierten Ländern)
- Konzeption, Steuerung u. Überwachung der Preis-, Produkt-, Distributions- und Kommunikationspolitik
- Planung, Steuerung und Überwachung von Umsatz, Kosten und Ergebnis
- Vorantreiben des Tages- und Projektgeschäfts zum weiteren Ausbau der Marktführerschaft
- Führung und Entwicklung des zugehörigen Personals, derzeit ca. 25 Personen
- Berichtet an den General Manager China und an das Stammwerk in Deutschland

Anforderungen
- Deutsch- oder englischsprachiger (Muttersprachler) Expat mit abgeschlossenem Studium
- Mehrjährige Verkaufserfahrung in China (möglichst mit Anwendungsberatung)
- Erfahrung in der erfolgreichen Führung eines Verkaufs-Teams in China
- Nachgewiesene Affinität zu erklärungsbedürftigen technischen Produkten/ Textilien
- Fließendes verhandlungssicheres Chinesisch

Kontakt
ASC - Asia Success Company, Holzweg 40, D-67098 Bad Duerkheim, Germany
Tel. 0049-6322-600 58 88, -600 58 89, Fax 0049-6322-600 58 90
E-Mail: hr@asc-waldkirch.de, www.ASC-Waldkirch.de

Praktikum

Institut für Asienkunde, Hamburg

In begrenztem Umfang vergibt das Institut für Asienkunde (IFA) Praktikumsplätze an Sozialwissenschaftler(innen) sowie Regionalwissenschaftler(innen).

Während des Praktikums besteht die Möglichkeit zur Erstellung eines selbständigen wissenschaftlichen Beitrages.
Ein Praktikum ist sowohl im wissenschaftlichen Bereich als auch in der Bibliothek möglich. Das Praktikum ist unentgeltlich.

Infos unter www.duei.de


Tipp

Workshops, Praktika und Stellenangebote: BASF, Ludwigshafen

Das Chemieunternehmen in Ludwigshafen bietet regelmäßig eintägige Workshops für Studenten an. Die Themenpalette reicht von Wirtschaft und Ethik, Unternehmenswerbung und journalistisches Schreiben bis hin zum sogenannten Corporate Brand Management ( >> dazu ein SHAN-Erfahrungsbericht).

Die nächste Workshopreihe findet im WS 2006/07 statt. Die Workshops sind kostenlos. Rechzeitiges Bewerben unter www.basf.de/studicom/events ist sinnvoll.

Im Frühling und Herbst bietet die BASF für Geistes- und Sozialwissenschaftler das viertägige SUPrax Seminar zur Unternehmenspraxis an. Das nächste Seminar vom 1.-4. August vermittelt betriebswirtschaftliche Grundlagen. Bewerbt euch hierfür unter www.basf.de/studicom/events.

Für Praktika und Stellen der BASF könnt ihr euch im Bereich „Step-in“ initiativ oder in der Rubrik „Jobs bei BASF“ direkt unter www.basf.de/karriere bewerben.


„Qufu ist weit und Sie sind fett“

Zur Eröffnungsveranstaltung lud der Verein einen Alumnus, der es wie kaum ein anderer versteht, über ein Leben zwischen China und Deutschland zu berichten: Tilman Spengler, Journalist, Autor, Mitglied des Lübecker Literatentreffens „Gruppe 05“ und Mitherausgeber der Zeitschrift „Kursbuch“.

Der Mann, den die Wochenzeitung DIE ZEIT einen „Meister der leichten und falschen Töne“ nennt, nimmt im einstündigen Gespräch mit Oliver Radtke kein Blatt vor den Mund. Unterhaltsam, tiefgründig und mit einer gehörigen Menge Ironie berichtet Spengler aus seiner Beschäftigung mit China. Amüsiert vernehmen die rund 50 anwesenden Studenten und Professoren, dass er gar nicht sagen könne, warum er Sinologie studiert habe. „Wahrscheinlich wegen meiner chinesischen Amme in Oberhausen“, sagt er und flunkert bereits zu Beginn des Gesprächs.

Als verbrieft hingegen gilt, dass der Student Spengler in den späten 60er Jahren in Taibei dem diplomatischen Nachwuchs Unterricht in Deutsche Sitten und im Walzer tanzen erteilt hat. „Bei offiziellen Anlässen erkenne ich heute, wer bei mir Unterricht gehabt hat“, schmunzelt der ehemalige Tanzlehrer.

Es sind gerade die Erlebnisse im kulturellen Grenzgebiet zwischen Ost und West, die den 59jährigen zum Schreiben bringen. „Zugang zu einem fremden Land findet nicht der, der dort Abenteuer sucht, sondern Alltag“, eine Maxime, die Spengler immer wieder zum Ausdruck bringt, zum Beispiel in seiner Reportagesammlung „Das Glück liegt draußen vor der Stadt“. Die Zuschauer im Raum 136 des Sinologischen Seminars hat Spengler endgültig auf seiner Seite, als er vom Zusammenbruch seiner japanischen Limousine auf dem Weg zur Geburtsstadt des Konfuzius Ende der 80er Jahre berichtet. Ein vorbeiradelnder Rikschafahrer lehnt den kräftig gebauten Gast aus Deutschland mit einer radikalen Begründung ab: „Qufu ist weit und Sie sind fett“. Dass Spengler dennoch die Stadttore passiert, verdankt er schließlich seinen eigenen Waden: er radelt sich und den Rikschafahrer selbst vor den Hoteleingang. Es sind Erlebnisse wie diese, für die man als Schriftsteller dankbar sei, die einen gewissermaßen unweigerlich zum Schreiben bewegten.

Letzteres ist für ihn „zu 70 Prozent Eitelkeit und zu 30 Prozent Broterwerb“. Dass das Drittel doch einiges abzuwerfen vermag, sieht man daran, dass Spengler dem Ruhrgebiet längst den Rücken gekehrt hat und am Starnberger See wohnt, wo er hauptsächlich schreibt und arbeitet.

Spengler ist jedoch nicht nur Anekdotensammler, als politischer Mensch reiste er mit Kanzler Schröder nach China und Japan. Er ist auf Einladung von Günter Grass Gründungsmitglied der Lübecker „Gruppe 05“, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, „das Bedürfnis nach politischer Einmischung“ in der jüngeren Generation wachzuhalten. Als Redenschreiber für Schröder weiß er von langen Kämpfen mit der Humorlosigkeit der deutschen Ministerialbürokratie zu berichten.

Die einseitige China-Berichterstattung in den deutschen Medien erklärt sich Spengler, der selber regelmäßig für DIE ZEIT, Geo und die Süddeutsche Zeitung schreibt, vor allem über wirtschaftliche Gründe der Herausgeber. Chinathemen außerhalb der Wirtschaft seien etwas für das Feuilleton. „Und Sie wissen, wie hoch die Attraktivität des Feuilletons für Werbekunden ist“, sagt er.

Tilman Spengler wird weiter Geschichten schreiben über die großen und vor allem die kleinen Änderungen im Reich der Mitte. Wer seine Werke liest, muss nicht alles glauben, was er schreibt. Näher fühlt man sich China hinterher aber gewiss.

Oliver Lutz Radke

 

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"China - Markt, Wettbewerber oder Rivale?"

 SHAN: Herr Sandschneider, wie sind Sie als Politikwissenschaftler zu China gekommen?

Eberhard Sandschneider: Wenn es um China geht, bin ich ein Schreibtischtäter. Ich habe keine positive Kulturschock-Erfahrung gemacht, auch nicht das alles entscheidende Buch gelesen, das mich nach China gebracht hat. Ich habe zunächst in Saarbrücken Englisch und Latein auf Staatsexamen studiert und mir dann überlegt, ob mir Politikwissenschaft nicht mehr Spaß macht. In Saarbrücken gab es Jürgen Domes, der in dieser frühen Phase einer der wenigen Politikwissenschaftler war, der sich regelmäßig mit China beschäftigt hat. Da war die Überlegung aus zwei Gründen nahe liegend: Erstens, wenn ich mich akademisch qualifizieren will, dann doch am besten in dem Gebiet, in dem auch der Betreuer tätig ist. Die zweite Überlegung war eine ganz praktische. Ich hatte eine Familie, zwei kleine Kinder …

... bereits während des Studiums?

Ja, ich bin recht jung Vater geworden, und da überlegt man sich natürlich schon wie man seine Brötchen verdient. Ende der 70er Jahre war klar, das China mit seiner Reformpolitik strategisch so an Bedeutung gewinnen würde, dass man immer einen Job findet, wenn man sich halbwegs kompetent aufstellen kann.

Wie sieht das mit der heutigen Sinologen-Generation aus, sehen Sie da ähnliche Chancen?

Ja und Nein. Es gab dazwischen eine Generation von Sinologen, die hatten sogar deutlich größere Chancen. Als die meisten deutschen Unternehmen nach China gegangen sind, hatten sie das Bedürfnis jemanden zu haben, der ihnen sagen konnte, was da abgeht. Ihre heutige Konkurrenzsituation hat sich dramatisch verschärft. Viele Unternehmen stellen heute nicht mehr den jungen gut ausgebildeten Sinologen ein, sie kaufen den fertig ausgebildeten Chinesen, der fließend Englisch, oft auch Deutsch spricht. Einen Einheimischen also, der …

… über die sogenannten guanxi verfügt.

Genau, der über die Verbindungen vor Ort verfügt. Ich würde trotzdem sagen, Sie haben keine schlechten Chancen. Die werden nur dann schlecht, wenn Sie sich ganz traditionell ausrichten, denn dort wird geschnitten und eingespart. Leider wird alles, was traditionell sinologische Bereiche wie Kunst, Musik, Literatur anbelangt, Schwierigkeiten bekommen. Sie studieren ein Fach, für das es kein klares Berufsbild gibt. Praktika sind da ganz entscheidend, durch ein Praktikum beweisen Sie einem zukünftigen Arbeitgeber, wofür Sie sich wirklich interessieren und was sie zusätzlich gelernt haben.

Sie würden dieses Studium also dennoch zukünftigen Studenten empfehlen?

Es muss Ihnen bei aller Strategie Spaß machen. Was Ihnen Spaß macht, machen Sie irgendwann auch gut, und was Sie gut machen, qualifiziert Sie für einen Job.

Leider muss ich hierbei auch etwas anmerken, was mich beunruhigt. Ich sitze in Berlin an der Schnittstelle zur Politikberatung und zur Politik. Da sehe ich: je wichtiger die Welt für uns wird und je wichtiger deutsche Außenpolitik wird, desto weniger regionale Expertise haben wir. Dort schneiden alle Universitäten aber zuerst weg.

Der Regionalexperte eines politikwissenschaftlichen Instituts wird immer zuerst gestrichen. Über Regionen wie Russland, China, Indien, Afrika, aus denen alle zukünftigen Herausforderungen, wie Migration, Ressourcenknappheit bis hin zu Terrorismus kommen, wissen wir so gut wie nichts. Es ist eigentlich ein Ausrufezeichen sich als Regionalwissenschaftler zu qualifizieren. Früher oder später werden wir sie händeringend suchen.

Das Thema ihres Vortrages am DAI lautete: Markt - Wettbewerber – Rivale? Gilt für Sie noch der Ausspruch von Siemens-Chef Heinrich von Pierer „Das Risiko in China nicht dabei zu sein, ist größer als das Risiko dabei zu sein“?

Das ist ein Punkt, über den ich mich gerne mit ihm streite. Herr von Pierer hat aus Sicht eines globalen Unternehmens natürlich Recht. Für ein Unternehmen wie Siemens bedeutet nicht auf dem chinesischen Markt zu sein einen fatalen Managementfehler. Für ein Kleinunternehmen kann das aber mächtig in die Hose gehen. Wenn sie nicht aufpassen, haben sie sich innerhalb von nur drei Monaten einen formidablen globalen Wettbewerber in den Pelz gesetzt. Sie müssen sehr aufpassen, wie sie in China ihren Joint-Venture-Partner aussuchen.

Wie lässt sich dann das Mantra deutscher Wirtschafts-Zeitungen erklären, dass der Mittelstand unbedingt nach China müsse?

Ich teile die Skepsis, die in Ihrer Frage steckt. Da wird ein China-Hype begründet, der durch nichts gerechtfertigt ist. Achtzig Prozent der Unternehmen, die aus Deutschland nach China gehen, verdienen in China kein Geld. Sie trauen sich aber nicht, es zu sagen.

Wenn Sie in China ein Patent sichern wollen, kostet Sie das sage und schreibe 100 000 Euro, bis alle Kosten eingerechnet sind. Wie viele Mittelständler können sich 100 000 Euro für nur ein Produkt auf diesem Markt leisten? Wenn Sie es nicht sichern, ist das Produkt weg. Selbst, wenn Sie es sichern, ist es zum Teil auch weg. China ist ein sehr problematischer Markt.

Wie kann es sein, dass in der gegenwärtigen China-Diskussion Sinologen keine Rolle spielen?

Das liegt an den Sinologen.

Warum?

Ob Sie in Heidelberg, München oder Dortmund vor einem Konfuziustext sitzen, ist Ihr persönliches Vergnügen. Die Nachfrage nach der traditionellen klassischen Sinologie hat klar abgenommen.

Der China-Boom verlangt jedoch sowohl praktische Fähigkeiten, als auch die Fähigkeit Wissenschaft aus dem Elfenbeinturm zu bringen. Ein Beispiel: Meine Mitarbeiter unterliegen einem simplen Satz: „wenn Sie in 40 Sekunden nichts zu sagen haben, dann haben Sie in 40 Minuten auch nichts zu sagen.“ Ein Journalist hat nämlich meist nur 40 Sekunden für sein Interview.

Wenn ich in den Bundestag muss, bekomme ich von einem meiner Mitarbeiter ein zehnminütiges Briefing mit allen Informationen, die ich für das Gespräch wissen muss. Dies ist ein Übersetzungsschritt aus komplexen Daten zur Verwertbarkeit in der Praxis. Sie können bei einem abendlichen Empfang nicht weit ausholen, Ihre Empfehlung muss lauten „erstens, zweitens, drittens, Schluss“. Bei Interesse wird Ihr Gesprächspartner mit Sicherheit nachfragen.

Kaum ein innerstaatlicher Konflikt in China, kaum ein Bericht über Menschenrechtsverletzungen in der Volksrepublik findet sich in deutschen Medien. Wie kommt es zu dieser einseitigen Berichterstattung?

Das liegt an den Medien. Nehmen wir einmal das Jahr 1989. Ohne den Besuch von Gorbatschow und der Tatsache, dass sich so viele westliche Fernsehteams gleichzeitig in China aufhielten, wären den westlichen Medien die Ereignisse gar nicht aufgefallen. 1989 kommt uns dieses Massaker zur Hauptsendezeit auf den Tisch, und wir sind alle fürchterlich entsetzt. Dann fällt in Berlin die Mauer und China ist wieder vergessen. Menschenrechtsverletzungen in China haben uns bis 1989 überhaupt nicht gestört. Die Kulturrevolution war eine einzige Menschenrechtsverletzung.

Menschenrechte sind für uns nur ein Thema, wenn die Bundeskanzlerin hinfährt oder der chinesische Staatspräsident herkommt, also einmal bis zweimal im Jahr.

Vor kurzem las man in der Süddeutschen über Chen Shuibians Odyssee um die Welt. Er wollte in New York zwischenlanden, erhielt aber von Washington anders als in der Vergangenheit keine Landeerlaubnis. Könnte man darin ein Ende des US-Protektionismus gegenüber Taiwan sehen?

Nein, ganz und gar nicht. Der Besuch von Hu Jintao vor vierzehn Tagen hat gezeigt wie schwierig die Beziehungen zwischen den beiden Ländern zurzeit sind. Da fiel es den beiden Präsidenten wirklich schwer krampfhaft zu lächeln. Die Abhängigkeit der USA von China bezüglich der Iran-Debatte ist zu groß, da kann man es sich nicht leisten China mit Chen Shuibian zu ärgern. Ich bin mir sicher, dass dies Chen Shuibian auch so signalisiert wurde.

Davon abgesehen hat Chen Shuibian in der letzten Zeit mit seinen Initiativen viel getan um seine amerikanischen Freunde zu ärgern, so dass dies als kleine Erziehungsmaßnahme gesehen werden kann. Mehr nicht.

Westliche Investoren zieht es seit Jahren nach China. Indien als Chinas Nachbar wird dabei oft vernachlässigt. Könnte man da von einem Versäumnis sprechen? Wie wichtig ist Indien als Chinas Konkurrent?

Sie sprechen von den so genannten BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China), früher auch bekannt als Schwellenländer. Also Länder, die durch Ressourcen, Reformmodelle oder anderes Potenzial die Chance haben, in den nächsten Jahrzehnten die Schwelle zum Industrieland zu überschreiten. Der Fokus auf China ist natürlich viel zu einseitig. Brasilien darf man nicht vergessen, und der russische Präsident hat ja über den Jahreswechsel gezeigt, dass man mit Russland als energiepolitische Weltmacht immer noch zu rechnen hat.

Diese einseitige Konzentration ist ein Muster an Fehlwahrnehmung. Indien wird allmählich stärker wahrgenommen, aber auch hier interessiert die Öffentlichkeit nur das zweistellige Wachstum. Wenn Indien wächst, kommt es in den Fokus.

Sie beraten auch die Bundesregierung. Was geben Sie Frau Merkel mit nach China?

Ich glaube es gibt kaum ein Feld, dass ähnlich gequält ist mit Fehlwahrnehmungen, wie das der Politikberatung. Sie können keine Direktiven mitgeben, im dem Sinne: „Hören Sie mal, Frau Bundeskanzlerin, das müssen Sie unbedingt so machen wie ich das Ihnen sage.“

Frau Merkel wird in China das fortsetzen, was sie die letzten Monate in anderen Bereichen der Außenpolitik begonnen hat. Das Ansehen deutscher Außenpolitik ist unter dieser Führung, da darf man Herrn Steinmeier sicher auch nicht vergessen, deutlich gestiegen.

Die Rolle, die Deutschland derzeit im Irankonflikt spielt, ist sicher eine andere als die, die Gerhard Schröder je hätte spielen können.

Welche Rolle geben Sie China in den Iran-Verhandlungen?

China wird aufgrund der energiewirtschaftlichen Interessen in der Region zusammen mit Russland alles Mögliche tun, um Sanktionen gegen den Iran zu verhindern. Diese zugegebenermaßen sehr groteske Debatte erinnert mich leider sehr an die Diskussion vor dem Irak- Krieg, wo gerade aus europäischer Sicht händeringend um eine international kooperative Lösung gerungen wurde. Diese Lösung wird es im Iran nur geben, wenn die USA bereit sind, direkt mit dem Iran zu verhandeln. Das wird jedoch schwierig, denn seit 1979 hat die USA mit dem Iran nicht verhandelt. Aufgrund dessen gibt es zu viele Verwerfungen, die weggeräumt werden müssen.

Falls dies aber nicht geschieht, wird der Iran seine Verschleppungsstrategie beibehalten und Russland und China ihre Hinhaltetaktik, bis der Iran letztlich nuklear wird.

Ähnlich dem Fall Nordkoreas?

Nordkorea ist nicht ganz so sensitiv, denn Nordkorea hängt buchstäblich am Tropf der internationalen Gemeinschaft und verfügt im Gegensatz zum Iran über keine Rohstoffe.

Die Frage ist allerdings berechtigt, warum beide Staaten so auf nukleare Technologien pochen. Es sind die beiden letzten verbleibenden Staaten auf der sogenannten Achse des Bösen, und, wenn beide Führungen außenpolitisch so simpel wie der US-Präsident denken, dann ist leicht erkennbar, dass keine Nuklearmacht von den USA angegriffen wird. Allein deshalb muss man nuklear werden.

Die Internationale Staatengemeinschaft ist oft wie ein großer Kindergarten.

Kann man von der Volksrepublik China eigentlich noch von einem kommunistischen Staat sprechen?

Am besten passt für mich der Terminus „postleninistisch“, an diesem Begriff kann man natürlich wunderbar dran rumschrauben. Die chinesische Regierung will den Nachweis führen, dass das kommunistische Modell in China funktioniert. Dabei wählten sie einen ganz anderen Weg als alle anderen kommunistischen Länder.

Jedoch ist das kommunistische China schon deshalb nicht kommunistisch, weil es erfolgreich ist. Nicht nur der Iran ist der Meinung, dass das westliche Modell gescheitert ist. Selbst in Peking wird über einen Beijing Consensus nachgedacht, der besagt, dass ein interventionistischer Staat mit kontrollierter Gesellschaft besser funktioniert als Demokratie und Marktwirtschaft. China hat ein Gegenmodell.

Also gehen Sie nicht davon aus, dass Marktöffnung und Liberalisierung zwangsläufig zu Demokratie führen?

Prinzip Hoffnung sage ich da nur. Dass es eine zwangsläufige Tendenz gibt hin zu Liberalisierung und Demokratie, ist eine ziemlich kecke Vermutung. Da liegen viele Stolpersteine auf dem Weg. Dafür ist China eigentlich zu groß, wir reden hier von einem Staat in der Größe eines Kontinents. Auf Taiwan mit Maßen wie Baden Württemberg, da funktioniert das, weil es überschaubar ist.

Damit dienen die vier Tigerstaaten nicht als Vorbild?

Sie dienen natürlich konzeptionell als Vorbild, aber dazu bedarf es überschaubaren Dimensionen. Demokratie setzt voraus, dass Sie ein hohes Maß an Bildung haben. Die entsteht gerade in China, trotz 30 Prozent Analphabetismus.

Zweite Voraussetzung ist eine vorhandene Mittelschicht. Die entsteht in China deutlich langsamer, denn die Einkommensschere spreizt sich zu schnell. Die Armen bleiben arm, die Reichen nehmen sehr schnell zu. 47 Prozent der chinesischen Bevölkerung haben weniger als zwei Dollar am Tag, das liegt unter der globalen Armutsgrenze. Ein Prozent der chinesischen Bevölkerung verfügt über 60% des Geldes.

Herr Sandschneider, herzlichen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Stefan Schilling.

 

 

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03 :: Vivian Jeanette Kaplan - Von Wien nach Shanghai

Nini Karpel genießt ihre unbeschwerte Jugend als Tochter einer wohlhabenden jüdischen Familie im Wien der 20er Jahre. Nach der Annexion Österreichs 1938 durch NS-Deutschland wird ihre Familie jedoch zunehmend Zeuge und Opfer eines wachsenden Judenhasses. Nach dem Tod des Vaters flüchten die vier mittlerweile erwachsenen Kinder und ihre Mutter in letzter Minute an einen der wenigen Orte, der noch jüdische Flüchtlinge ohne Visum aufnehmen will: Shanghai.

Leben in der Fremde

Ein harter Überlebenskampf für die Familie beginnt. Mit Devisenschmuggel, einer Bar und als fliegende Händler sichern sich Nini, ihre Geschwister und ihr Verlobter Poldi den bescheidenen Lebensunterhalt.
Mit der japanischen Besetzung 1941 fällt ihr mühsam aufgebautes Leben in sich zusammen. Alle 18 000 jüdischen Emigraten werden in das Arbeiterviertel Hongkou gepfercht, das sie nur unter strengen Auflagen verlassen dürfen. Erneut beginnen Nini und Poldi, mittlerweile verheiratet, mit dem Aufbau einer Existenz – sie eröffnen einen Pelzhandel, den sie bis zum Einmarsch der chinesischen Kommunisten führen. Deren Vordringen zwingt die inzwischen dreiköpfige Familie zur erneuten Auswanderung, dieses Mal nach Kanada.

Familienbuch mit ungewöhnlicher Perspektive

Die Autorin Vivian Jeanette Kaplan, 1946 in Shanghai geboren, ist zu diesem Zeitpunkt zwei Jahre alt. Ihr Roman „Von Wien nach Shanghai“, der 2003 mit dem Canadian Jewish Book Award ausgezeichnet wurde, ist ein Familienbuch mit ungewöhnlicher Perspektive. „Ich würde es wahrscheinlich als kreatives Sachbuch bezeichnen“, sagt die Autorin selbst. Geschrieben hat sie es im Präsens aus der Perspektive ihrer Mutter Nini und ermöglicht damit einen sehr persönlichen Einblick in die weniger bekannte Exilgeschichte der heutigen Glitzermetropole am Huangpu-Fluss.

Wahnwitz des Ghettolebens

Die Stärke des Buches liegt sicher darin, dass es der Autorin gelingt, die lebhaft erzählten Anekdoten ihrer Eltern in eine nachvollziehbare, spannende, oft traurige Handlung zu übertragen. Das Buch führt dem Leser den Wahnwitz des Ghettoalltags in Hongkou vor Augen: die willkürliche Vergabe eines Passierscheines für die Welt außerhalb des Ghettos, die katastrophalen sanitären Bedingungen, die Gewalt.

Gleichzeitig spürt man den großen Respekt der Autorin vor den ihr anvertrauten Geschichten. Rein fiktionale Gestalten und eine damit verbundene größere Gestaltungsfreiheit hätten dem Leser womöglich mehr Gelegenheiten geboten, sich den Hauptpersonen nahe zu fühlen. Insofern ist Kaplans Selbsteinschätzung ihres Werkes als Sachbuch richtig.

Ein Text ist so gut wie sein Lektor

Der sprachliche Hobel des Lektors hätte an manchen Stellen etwas gründlicher schleifen sollen. Eine Opiumhöhle, die Nini als Empfangsdame eines Abendclubs täglich vor Augen hat, wird da so beschrieben: „Männer in teuren Businessanzügen, die auf der Suche nach eskapistischer Lust in diese trübe Unterwelt herabgestiegen sind, liegen als amorphe Klumpen herum.“ Gelächter ist immer „schallend“, Mienen sind „grimmig“ und stets „sickern“ die Informationen.

Trotz dieser Holprigkeiten hat Vivian Kaplan, die mit ihrer Familie in Toronto lebt, ein bewegendes Buch geschrieben – über ihre eigene Familie und das Schicksal vieler jüdischer „Shanghailander“, deren Überlebenswille fern der Heimat zwischen allen Fronten des Welt- und Bürgerkrieges heute noch beeindruckt.

Oliver Radtke

 

Vivian Jeanette Kaplan
Die Geschichte einer jüdischen Familie
Mai 2006
297 Seiten - dtv premium
ISBN: 3-423-24550-6
EUR 15,00

 

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02 :: Ostasieninstitut Ludwigshafen - Chinesisch I Multimedia Lern-CD

Das deutsche Lehrmittelangebot für nichtprofessionelle Chinesischlerner ist bislang eher dürftig gewesen.
Das hat nicht nur mit der Hochnäsigkeit des Westens gegen eine vermeintlich exotisch-ferne Welt zu tun, sondern auch mit der Arroganz der Hersteller solcher Lernprogramme.

Einmal habe ich einen detaillierten Bericht an den Produzenten eines solchen Anfänger-Programms geschrieben – immerhin acht gutgefüllte Seiten, um von Übungserfahrungen zu berichten, die ich mit einem interessanten, aber doch verbesserungswürdigen Chinesisch-Lernprogramm gemacht hatte, das sogar von der renommierten Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt vertrieben worden war. Aber nichts kam zurück, nicht einmal eine magere Eingangsbestätigung, geschweige ein freundliches Dankeschön.

Das wäre ja nicht weiter schlimm, baute sich auf dem solcherart generierten Misserfolg nicht weiterer Ärger auf: man kommt nicht vorwärts, erreicht nicht die nächste Runde, sondern muss brav das Ganze wiederholen, verliert den Spaß und hat wieder mal einen saftigen Betrag von 50 € oder mehr in den Sand gesetzt.

Anfänger sind keine Idioten

Welch frohe Botschaft erreicht den Lerner, der nicht so schnell aufgeben will? Es gibt ein intelligentes Chinesisch-Lernprogramm. Hurra! Es macht Spaß! Na bitte! Man kommt vorwärts! Man lernt etwas! Vor allem haben kluge Köpfe eingesehen, dass Anfänger zwar nicht zuviel komplexe Grammatik auf einmal aufnehmen können, ohne Gefahr zu laufen, dass die Lust sich verdünnisiert, aber die Macher wissen und zeigen: Anfänger sind keine Idioten.

Deshalb gibt es von Anfang an chinesische Zeichen. Und das ist gut so! Wer hatte eigentlich den Machern in Volkshochschule und Schulbuchverlag und Softwareschmiede beigebracht: verschone Anfänger mit chinesischen Schriftzeichen! Lass sie nur ja nichts anderes lernen als Pinyin-Umschrift! Und wenn Zeichen, dann bitte als kalligrafische Übung. Diesem Denkfehler ist hier überzeugend ein Ende bereitet worden.

Faszination der Zeichen

Ich habe etliche ehemalige Teilnehmer von VHS-Kursen nach den Gründen für ihren Kursabbruch gefragt, darunter waren viele, die nur wegen der Faszination der Zeichen gekommen und nun enttäuscht nach zwei, drei, vier Abenden zu Hause geblieben waren.

Die Macher vom Ostasieninstitut Ludwigshafen unter der Leitung der Sinologin Marie-Luise Haag haben (fast) alle Fehler vermieden: Sie nehmen den Schüler ernst. Denn er selbst entscheidet über Lerntempo, Wiederholungsschleifen, Vokabeltraining, lautem Sprechen – also den gesunden Mix aus Theorie und Praxis, aus Drill, Einsicht und Spiel. Und er lernt Schriftzeichen von Anfang an!

Das Programm ist leicht verständlich und erklärt sich von selbst, kommt gleich zur Sache, man kann nach wenigen Stunden Sätze schreiben, Sätze bilden, ein wenig sprechen und hat auf jeden Fall bestimmte Tonsilben einige Dutzend Male gehört, sie sind im Ohr.

Spielerisches Lernen

Es macht Spaß, es zieht mit, man will weiter (oft schneller, als zuträglich, aber warum nicht mal vorblättern?). Die Sätze, die man lernt, sind wirklich alltagstauglich, man kann mit ihnen spielen. Spiele gibt es in dem Programm sowieso reichlich: Silben-Memory, das hausbackene Kreuzworträtsel wird zum fröhlichen Kreuz-Zeichen-Rätsel und ein Screen-Schiebepuzzle, untermalt von abstellbarer chinesischer Musik, hilft gegen aufkommende Müdigkeit und Monotonie.

Typografische Lasttiere

Ich sagte „fast“ alle Fehler vermieden: Dass wirklich gute Typografie in Deutschland (und Bildschirm-Typografie zudem) selten ist, zeigt leider auch dieses Programm: es ist zu bunt, die Linien der rahmenden Kästchen sind zu stark, die Schriftzeichenlinien zu fein, die lateinischen Schriften sind ausgewählt aus dem biederen Ensemble der typografischen Lasttiere wie Times und Arial und zeigen jedenfalls nicht das sonst so geschickte Händchen.
Insgesamt: kaufen!

Werner Radtke
linkE-Mail senden

 

Ostasieninstitut Ludwigshafen
Chinesisch I Multimedia Lern-CD
EUR 49,90

Bestellungen bei:
European Media Laboratory GmbH, Heidelberg,
per Mail unter: bestellung@eml-development.de, Betreff "China-CD"

 

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Zuletzt bearbeitet von: AF
Letzte Änderung: 04.12.2014
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