Newsletter August 2006 Nr. 3

INHALT

10-jährige Jubiläumsfeier des Heidelberg Alumni International - der SHAN-Kurzbericht

Die drei Studenten am Eingang des Hörsaal 2 fallen auf: das Semester ist noch nicht zu Ende, doch statt Rucksack und Büchern haben sie Visitenkarten und Glückskekse in der Hand.

Die Uni-Initiative „Heidelberg Alumni International“ hatte zum 10-jährigen Sommertreffen geladen und am Montag, den 24. Juli, ließ sich das Institut für Sinologie sowie SHAN die Gelegenheit nicht nehmen, das Alumni-Programm um zwei ausgesuchte Veranstaltungen zu bereichern.

Im Sinologischen Seminar konnten sich die Ehemaligen über den Vortrag „Mao, wo immer man geht, Mao, wo immer man steht. Die Kunst der Wiederholungen im modernen China“ von Professor Barbara Mittler freuen, nachmittags sprach SHAN-Mitbegründer Dr. Martin Gieselmann über „Der chinesische Film – Zwischen Kunst und Kommerz“ in der Alten Aula (>> Extra-Bericht über den Vortrag).

Silke Rodenberg, Leiterin von Heidelberg Alumni International, ist von SHAN begeistert. Der Verein sei erst wenige Wochen alt und bereits in der Lage, Veranstaltungen wie diese zu organisieren. Auch das professionelle Auftreten mit Stellwand und Visitenkarten zeige, dass SHAN als Teil der Alumni-Struktur der Universität einen entscheidenden Beitrag leisten wird. Wir setzen weiter auf Glückskekse.


"Humanism in China" im Frankfurt Museum für Moderne Kunst

Die Ausstellung »Humanism in China – Ein fotografisches Portrait« zeigt anhand von rund 600 Dokumentaraufnahmen chinesischer Fotografen aus den vergangenen fünf Jahrzehnten Menschen vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Modernisierung.

SHAN hat sich die Ausstellung angesehen.

>> mehr zur Ausstellungskritik


"BASF in China " in Ludwigshafen

26 Studierende der Sinologie und anderer Fachbereiche der Uni Heidelberg trafen Dr. Otto Kumberger, zuständig für die Asien-Strategie der BASF. Der Chemiekonzern, der seit Mitte der 90er Jahre verstärkt auf dem chinesischen Markt tätig ist, öffnet auch Sinologen seine Türen.

>> mehr zum BASF-Vortrag


„Wenn Sie Tibet wirklich helfen wollen, sollten Sie Teil seiner Kultur werden"

Xinran Xue wurde 1958 in Beijing geboren. Ihre Eltern waren Militäroffiziere und wurden als „reaktionäre Elemente“ verfolgt. Von 1989 an moderierte Xinran, wie sie sich fortan nannte, acht Jahre lang die immens populäre Pekinger Radiosendung „Worte im Abendwind“. Nachdem ihre Sendung zunächst unter intensiver Beobachtung stand, durfte sie, besonders in den Jahren nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 nicht selbstverständlich, Live-Gespräche mit ihren Hörerinnen führen. SHAN traf die Schriftstellerin zum Gespräch.

>> zum vollständigen Interview


Karl Johaentges/Uli Frantz - Chinas Heilige Berge

Wer sich mit Kamera und Sachverstand aufmacht, in nicht weniger als 6 Touren alle wichtigen Berge Chinas zu besteigen, hat eben auch nichts weniger als eine richtig gute Dokumentation im Sinn.

>> zur vollständigen Rezension


Praktika

Heidelberger Druckmaschinen AG
Abteilung: Marketing/Vertrieb

Berufsfeld(er) des Praktikums:
Marketing/PR allgemein

Gesuchte Studienfächer:
Betriebswirtschaftslehre
sonstige Fachrichtung
Wirtschaftsingenieur

Aufgaben:
Marktforschung in den Bereichen Prepress Workflow und Farbmessgeräte bzw. Color Management, Workflow im chinesischen Markt. Sammlung und Strukturierung aller relevanten Fragestellungen, Aufbereitung der methodischen Vorgehensweise, Vorbereitung der Unterlagen zur Kundenbefragung, vorbereitende Desktopresearch, Befragung von Druckunternehmen in China (unterstützt durch die chinesische Tochtergesellschaft), Unterstützung bei der Auswertung der Ergebnisse, Aufbereitung der Ergebnisse in Präsentationsform.

Anforderungen:
Mit diesen Aufgaben wenden wir uns insbesondere an Studenten der Fachrichtungen
Chinesisch in Kombination mit einem der unten genannten Bereiche
Drucktechnik
Wirtschaftswissenschaften
BWL / Marketing mit Schwerpunkt Marktforschung

Sehr gute Kenntnisse der chinesischen Sprache in Wort und Schrift, sicherer Umgang mit MS Office
Wünschenswert: gute Kenntnisse der Methoden der Marktforschung, guten Überblick über Produktionsabläufe in Druckereien, gutes Verständnis für Prozessautomatisierung in der Druckproduktion.

Erforderliche Sprachkenntnisse
für das Praktikum (Muttersprache/fließend):
Chinesisch
Deutsch

Frühester Beginn:
sofort

Dauer:
3 Monate

Vergütung:
Keine Angabe/Verhandlungssache

Die Bewerbung

Kontakt:
Heidelberger Druckmaschinen AG
Kontaktperson: Frau Ilona Oliva
Abteilung: Personalmarketing
Kurfürsten-Anlage 52-60
69115 Heidelberg
Anzeigennummer für die Online-Bewerbung der Heidelberg-Jobsuche: 6786

Tipp

Wissenschaftliche Paper kostenlos zum Download

SHAN präsentiert in loser Folge wissenschaftliche Paper namhafter Institutionen zum Download. Sollte ein Link nicht mehr funktionieren, bitten wir um eine Nachricht an uns.

Stiftung Wissenschaft Politik – Forschungsgruppe Asien

>> zur Homepage

Institut für Asienkunde Working Paper Series

>> zur Homepage

Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik - Region Asien-Pazifik
>> zur Homepage


„Humanism in China“

SHAN besucht die Fotoausstellung im Frankfurter Museum für Moderne Kunst

In einer gemeinsamen Aktion mit der Fachschaft Sinologie organisierte SHAN am 29. Juli 2006 einen Besuch der Ausstellung „Humanism in China“ im Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main.

In Anlehnung an die beinahe legendäre Fotoausstellung des Fotographen Edward Streichen „The Familiy of Man“ aus dem Jahr 1955 entstand 2003 in Guangzhou die Ausstellung „中國人本 – Humanism in China“ - 590 Dokumentaraufnahmen chinesischer Fotografen, die alle das Ziel eint, den Alltag der Menschen und ihre Lebenssituationen in verschiedenen historischen Phasen festzuhalten.

Das Frankfurter Museum für Moderne Kunst zeigt die Ausstellung unverändert, um dem Besucher einen originären, nicht von fremder, sprich: westlicher Wahrnehmung bestimmten Blick auf China bieten zu können.

Beim Betrachten der Bilder spürt man die westliche Konditionierung, chinesische Kunst stets als Ausdruck politischer Kritik oder als Opfer der Zensur zu betrachten.

Wem es aber gelingt, sich von dieser Haltung zu lösen, entdeckt in den Bildern chinesischer Fotografen ein selbstkritischeres Verhältnis zum eigenen Land, als man es sich womöglich einzugestehen bereit war.

Während die gleichzeitig ausgestellten Bilder der FAZ-Redakteurin Barbara Klemm, „14 Tage China im Jahre 1985“ sehr an die orientalistisch-romantischen Fotografien der eigenen ersten Chinareisen erinnern, findet man in den Bildern chinesischer Fotografen eine oftmals harte, manchmal auch unverständliche, dennoch stets faszinierende Wirklichkeit des chinesischen Alltags wieder.

Die Ausstellung ist noch bis zum 28. August 2006 im Frankfurter Museum für Moderne Kunst zu sehen. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall.


Marina Rudyak

 

Informationen zur Ausstellung:
Eintritt € 6,– (reduziert: € 3,–), freier Eintritt am jeweils letzten Samstag des Monats.
Führungen sind kostenlos.
Öffnungzeiten
Di 10 – 17 Uhr
Mi 10 – 20 Uhr
Do – So 10 – 17 Uhr
Mo geschlossen


>> zur Homepage des Museums für Moderne Kunst

 

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„BASF in China“

SHAN besucht den Chemiekonzern in Ludwigshafen.

26 Studierende der Sinologie und anderer Fachbereiche der Uni Heidelberg trafen am 17. Juli Dr. Otto Kumberger, zuständig für die Asien-Strategie der BASF. Der Chemiekonzern, der seit Mitte der 90er Jahre verstärkt auf dem chinesischen Markt tätig, öffnet auch Sinologen seine Türen.

China gehört die Zukunft

Otto Kumberger zog es 1992 zunächst nach Japan. Damals schien niemand davon überzeugt China gehöre die Zukunft.

Die Skeptiker wurden jedoch schnell eines Besseren belehrt. China scheint für Unternehmen vor allem deshalb immer wichtiger zu werden, weil die deutliche Verschiebung des internationalen Mächtegleichgewichts zugunsten Chinas in der Zukunft weiter zunehmen als abnehmen wird.

Für das gesteigerte Engagement der BASF in China seit Mitte der 90er Jahre ist entscheidend, dass der Anteil des produzierenden Gewerbes in Entwicklungsländern besonders niedrig ist. Das bietet der BASF, die als Chemiekonzern vor allem das verarbeitende Gewerbe, die Bauwirtschaft und den Landwirtschaftssektor bedient, einen besonders großen Markt.

Sinologen trotz Teamkonflikte selten eine Option

So gründete die BASF in den 90ern zahlreiche Tochterunternehmen und Joint Ventures in China mit insgesamt über 4000 Beschäftigten. Darunter 80 Prozent lokale Mitarbeiter. Selbst unter den Führungskräften machen deutsche Mitarbeiter nur noch einen geringen Teil aus. Das erstaunt angesichts der nicht gerade neuen Probleme im interkulturellen Kontext, Sinologen erscheinen Kumberger als Vermittler in deutsch-chinesischen Konfliktfällen allerdings wenig attraktiv.

Die BASF spart sich eher sie Zusatzkosten der Expats wie Schulgebühren für die Kinder oder kostenspielige Heimflüge und setzt stattdessen fast ausschließlich auf lokale Mitarbeiter, die darüberhinaus auch über die nötigen „Guanxi“ (Beziehungen) verfügen.

Auf die Frage, wie groß das Risiko sei in China durch Jobhopping gut ausgebildete Mitarbeiter zu verlieren, schätzte Otto Kumberger die Fluktuationsrate bei der BASF in China auf 10-20%. Dies sei durchaus ein Problem. Er habe aber die Erfahrung gemacht, dass sich chinesische Mitarbeiter mit Aufstiegschancen innerhalb des Konzerns loyal gegenüber dem Unternehmen verhalten. Das Gehalt komme dann erst an zweiter Stelle.

Verhandlungen in China dauern lange – die Umsetzung geht schnell

1994 nahm die BASF Verhandlungen mit der chinesischen Petrochemie Gesellschaft Sinopec auf, mit dem Ziel einen gemeinsamen Produktionsstandort in Nanjing zu gründen. Umso schneller ging der Bau des im Vergleich zu Ludwigshafen drei Mal größeren Produktionsstandorts vonstatten. Zukünftige Konkurrenz sieht Otto Kumberger vor allem von lokalen Wettbewerbern kommen.

Es ist Herrn Kumberger zu verdanken, SHAN einen raschen und ehrlichen Einblick in die Strategische Planung gewährt zu haben. Der Wert der sinologischen Ausbildung ließ sich im Gegenzug leider nicht vermitteln.

Otto Kumbergers Fazit zur BASF im Reich der Mitte: In China ist alles möglich, aber nur über Umwege und nur mit Geduld.

(kb, olr)

 

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„Wenn Sie Tibet wirklich helfen wollen, sollten Sie Teil seiner Kultur werden.“

Xinran Xue wurde 1958 in Beijing geboren. Ihre Eltern waren Militäroffiziere und wurden als „reaktionäre Elemente“ verfolgt. Von 1989 an moderierte Xinran, wie sie sich fortan nannte, acht Jahre lang die immens populäre Pekinger Radiosendung „Worte im Abendwind“. Nachdem ihre Sendung zunächst unter intensiver Beobachtung stand, durfte sie, besonders in den Jahren nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 nicht selbstverständlich, Live-Gespräche mit ihren Hörerinnen führen.

1997 verließ Xinran ihre chinesische Heimat und lebt seitdem mit ihrem englischen Mann und ihrem Sohn in London. Ihr Erstling „Verborgene Stimmen“, dass das harte Leben und die traurigen Schicksale vieler chinesischer Frauen publik macht, wurde in 33 Sprachen übersetzt.

Ihr zweites Buch „Himmelsbegräbnis“ basiert auf der Lebensgeschichte von Shu Wen, einer Chinesin, die 30 Jahre in Tibet verbrachte, auf der Suche nach ihrem Mann, der anfangs der 50er im chinesisch-tibetischen Krieg spurlos verschwand.

Xinran Xue ist Journalistin, sie lebt und arbeitet in London.

Sie haben Shu Wen getroffen und sich ihre Geschichte erzählen lassen. Wodurch hat sie Sie so tief beeindruckt?

In erster Linie durch ihre Lebenseinstellung. Ich war eine sehr launische Person. Shu Wen hat mir klar gemacht, dass es Möglichkeiten gibt, das Lebens anders zu betrachten.

Hass, Bedauern, Ärger, all diese Emotionen haben mit der Vergangenheit zu tun. Wenn man Zeit und Energie darauf verwendet, darüber nachzudenken, was man nicht zu leisten imstande war, verschwendet man sein Leben. Shu Wen zeigte mir, dass es wichtiger ist einen Grund für den morgigen Tag zu finden. Damals verstand ich das nicht und so erzählte sie mir eine kleine Begebenheit aus der tibetischen Familie, bei der sie Jahrzehnte lang gelebt hatte.

Der kleine Sohn der Familie war über einen Stein gefallen und weinte. Daraufhin ging die Mutter zu diesem Stein, tätschelte ihn und sagte: „Hallo Stein, ich sehe, Du willst Dich mit meinem Kind unterhalten? Danke.“ Das Kind hörte zu weinen auf, ging zu dem Stein und sagte: „Ich verstehe.“ Wenn Sie auf diese Weise durchs Leben gehen, sind Sie immer glücklich.

Sie haben Shu Wen als Journalistin getroffen. Hat sie auch Ihre Arbeit beeinflusst?

Die Begegnung mit Shu Wen lehrte mich, dass man um anderen Menschen helfen zu können, zunächst von ihnen lernen muss. Als Journalistin dachte ich, dass ich eine Menge wüsste, ich war oft auf dem Land, ich interviewte viele Menschen, versuchte Frauen zu überzeugen, sich für ihre Menschenrechte einzusetzen. Als ich aber Shu Wens Geschichte hörte, merkte ich, dass ich verstehen muss, was die anderen Menschen wirklich brauchen, bevor ich ihnen helfen kann.

Darum bin ich 1995 aufs Land gefahren und habe chinesischen Bauersfrauen in der Nähe von Maos Heimatdorf Shaoshan die Frage gestellt: „Wenn du drei Dinge zur Auswahl hättest, Demokratie und Freiheit, Geld und Land oder Ehemann und Kinder, wofür würdest du dich entscheiden?“ Eine Frau antwortete: „Geld und Land gehörte niemals den Frauen, mach mir nichts vor, mein Ehemann ist mein Gott und meine Kinder sind mein Leben“. Dann fragte sie mich, wie teuer ein Kilogramm Freiheit und ein Kilogramm Demokratie seien.

Warum das?

Auf Chinesisch heißt Freiheit „ziyou“, das „you“ klingt sehr ähnlich wie das chinesische Wort für Öl, „minzhu“ für Demokratie klingt wiederum sehr ähnlich wie „zhu“ für Schwein. Sie konnte mit den beiden abstrakten Begriffen nichts anfangen. Wenn Sie also Menschen mit diesem Wissenstand und dieser Bildung begegnen, wie kann man diesen Menschen überhaupt klar machen, dass sie für Menschenrechte und Demokratie eintreten sollen?

Warum haben Sie 10 Jahre gebraucht, um dieses Buch zu schreiben?

Es lag sicherlich an den Sprachproblemen zwischen Shu Wen und mir. Sie erzählte mir ihre Lebensgeschichte auf Chinesisch und auf Tibetisch. Die tibetischen Antworten und Satzstücke habe ich nicht verstanden. Ich dachte ja zunächst, dass sie verrückt sei. Ich habe acht Jahre gebraucht, um ihre Geschichte zu recherchieren. Das seltsame war: Je mehr ich herausfand, desto weniger glaubte ich zu wissen. Heute weiß ich, dass sie mir mehr vermacht hat, als die Geschichte ihres Lebens. Es ist ein Zeugnis der Geschichte Chinas.

„Himmelsbegräbnis“ ist in erster Linie ein Roman, der die romantische Suche nach der einen Liebe zum Thema hat. Kann ein Buch über Tibet überhaupt ein unpolitisches Buch sein?

Ich denke schon. Mein Buch kann auch politisch gedeutet werden, und zwar in den Augen der Leute, die Tibet lediglich als politisches Thema verstehen. Wenn Menschen im Westen mit Fragen über Tibet an mich herantreten, behandeln sie mich oft wie eine Politikerin.

Wenn Sie nach Tibet gehen, wird Ihnen aber auffallen, dass die einfachen Bürger und viele Lamas sich überhaupt nicht für Politik interessieren, denn ihre Ausrichtung ist eine ganz andere. Es geht ihnen um die Zukunft, nicht um die Vergangenheit.
Da gibt es ein Grundproblem mit der westlichen Hilfe für Tibet, die Betrachtung des Vergangenen steht in einem klaren Gegensatz zu den Prinzipen der tibetischen Kultur.

Wenn Sie Tibet wirklich helfen wollen, sollten Sie Teil ihrer Kultur werden, so wie Shu Wen, die mich sehr beeinflusst hat, indem sie mir ihre eigene Geschichte erzählt hat. Und als ich ihre Geschichte weiterverfolgte, bin ich fast automatisch zu einem Anhänger der tibetischen Kultur geworden.

Ich bin sehr betrübt darüber, dass vor allem die chinesischen Medien einen großen Teil dazu beigetragen haben, mit falschen und wenigen Informationen ein völlig falsches Bild von Tibet zu schaffen.

Glauben Sie, dass Ihr Buch in China veröffentlicht werden kann?

Nun, auf jeden Fall, man muss aber die Situation in China verstehen. Ich weiß, dass führende chinesische Verlagshäuser Interesse an meinen Büchern haben. Mein erstes Buch wurde zwei Monaten nach Erscheinen, nach drei Auflagen mit insgesamt 25.000 Kopien, eingestellt.

Im Moment will nicht die Regierung, dass mein Buch verboten wird, sondern die mittleren Kader. Man müsste sich also an die höheren und aufgeklärteren Beamten wenden, und jemand müsste das Risiko eingehen und die Bücher wieder auflegen. Momentan warte ich darauf, dass die Verlagshäuser Mut fassen.

1997 sind Sie aus China emigriert und leben nun in London. Was hat sich in China seit Ihrem Weggang verändert?

Ich bin jedes Jahr in China, und ich tue jedes Mal zwei Dinge: Zum einen zwinge ich meinen Sohn, Zug zu fahren, und zwar mindestens 10 Stunden. Er soll sich die Menschen ansehen und ihnen zuhören. Am Flughafen trifft man keine repräsentativen Chinesen.

Zum anderen nehme ich ein Auto und fahre aufs Land. Dort bleibt fast alles beim Alten, und wer sich verändern will, geht in die Stadt.

In den Städten ist mir viel vor allem durch eins aufgefallen: die Körpersprache ist anders geworden. Vor 10 Jahren noch waren die meisten Gesichter verkniffen, die Körper immer in Anspannung. Jetzt ist alles viel offener, das Leben ist einfacher geworden, leichter. Junge Leute unterscheiden sich nicht von der Jugend anderer Länder, sie umarmen sich, küssen sich wie hier, ziehen sich modern an, vielleicht sogar noch extremer als hier.

Diese Reisen muss ich auch machen, um auf dem Laufenden zu bleiben, ich muss mich mit jungen Leuten unterhalten, auch wenn viele mich für blöd halten. Das finde ich aber gut, weil es zeigt, dass sie Selbstvertrauen haben. Aber auch gefährlich. Wenn sie glauben, schon alles zu wissen, dann kann nichts Neues mehr in sie eindringen.

China ist heute als Industrie- und Wirtschaftsmacht auf dem Vormarsch. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

China war in den letzten 100 Jahren eine Wüste: Nach dem Ende des Kaiserreichs haben wir unsere Überzeugungen, unsere Werte verloren. Die ganzen Kriege, die Kulturrevolution haben das Land ausgelaugt. Jeder versucht sich nun so viel in die eigenen Taschen zu stopfen, wie es nur geht. Man hat weder Zeit noch Energie über die Bedürfnisse von anderen Menschen nachzudenken.

Man kann diesen Zustand gut mit den Essen vergleichen. Wenn Sie Hunger leiden, essen Sie alles, was sie bekommen können. Später kopieren Sie, was andere Menschen essen. Danach fangen Sie erst an, die verschiedenen Gerichte miteinander zu vergleichen. Und erst dann entwickeln Sie Ihren eigenen Geschmack. China ist gerade in der zweiten Phase: Wir kopieren den Westen, haben bislang aber keine eigenen Ideen. Vielleicht wird China in 20 Jahren in der Lage sein, eigene Entscheidungen zu treffen.

Planen Sie ein neues Buch?

Der Arbeitstitel des dritten Buches heißt Miss Chopsticks (Kuaizi Guniang) über die junge Generation und über meinen Appell, die junge Generation nicht zu stark zu drängen. Momentan können die Jungen in China sich selbst nicht einordnen, und wissen nicht, was sie aus dem Westen und was von der eigenen Kultur übernehmen sollen. Das vierte Buch ist über meine Lesereisen. Ich bin einfach so schockiert über das, was die Menschen von China denken und über die Fragen, die mir gestellt werden.

In Amerika wurde ich gefragt, ob es in China Swimming-Pools gibt, mir wurde auch erzählt, dass Mao noch lebt.

Xinran, herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Oliver Radtke.

 

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08 :: Karl Johaentges/Uli Frantz - Chinas Heilige Berge

In der chinesischen Mythologie spielen sie eine Hauptrolle, sie gelten als untrennbar verbunden mit Daoismus und Buddhismus: Chinas Berge, aus deren Felslandschaften Qi Gong, Taijiquan und andere Kampfkünste hervorgegangen sind.

Fotograf Karl Johaentges und Autor Uli Frantz, beide bereits mehrfach für ihre Arbeiten ausgezeichnet, haben sich mit „Chinas Heilige Berge“ einen Traum erfüllt. Und das auf eine Art und Weise, die den Betrachter des 192 Seiten starken Bildbandes oft sprachlos bleiben lässt.

Auf mehr als einem halben Dutzend Reisen über mehrere Jahre verteilt erstiegen die beiden Autoren in Hitze und Kälte alle elf wichtigsten Berge Chinas. Jeden davon im Durchschnitt drei Mal.

Bei dieser Hingabe an die Objekte, die immer auch Anlass für eine von Frantz wohlwollend unspektakulär gehaltene Sinnreise sind, erstaunt die Qualität der Aufnahmen nicht und sie begeistern dennoch.

Die atemberaubend steilen Steinstufen des Hua Shan, der quälend lange Schlussaufstieg am Tai Shan - Johaentges und Frantz bringen für ihre Touren etwas mit, was der normale Bergtourist längst nicht aufbringen will: Zeit. Und Geduld zahlt sich aus, wenn beim dritten Aufstieg die misstrauischen Mönche endlich für einen besonderen Augenblick lang ihre Tempeltüren öffnen.

 

Wer sich dieses Jahr nur einen Fotoband kaufen möchte, greift zu diesem.

 
Oliver Radtke

 

Karl Joaentges/Uli Frantz
Chinas Heilige Berge
Februar 2005
192 Seiten - Frederking & Thaler
ISBN: 3-89405-648-7
EUR 49,90

 

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Zuletzt bearbeitet von: AF
Letzte Änderung: 04.12.2014
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