Newsletter September 2008 Nr. 26

INHALT

Fortbildung: Multimedialer Chinesischunterricht

Am Samstag, den 08. November 2008 bietet das Schulteam von SHAN e.V. eine Fortbildung zum Thema "Multimedialer Chinesischunterricht" für ChinesischlehrerInnen an. Dafür wird die erfahrene Chinesischlehrerin Petra Müller vorstellen, welche Medien im Chinesischunterricht eingesetzt und für das Selbststudium zuhause empfohlen werden können.Thema sind mediengestützte Lernprogramme, die bereits auf dem Markt verfügbar oder über das Internet abrufbar sind. Für SHAN-Mitglieder ist die Fortbildung kostenfrei.

Externe Interessenten sind herzlich dazu eingeladen, für einen Unkostenbeitrag von 10 Euro an der Fortbildung teilzunehmen.

Veranstaltungsdauer: 10:00 - 17:00 Uhr

Veranstaltungsort: Sinologisches Seminar der Universität Heidelberg

Anmeldung unter SHAN-Schulteam@gmx.de


"Nur informelle Zusagen an das IOC " - Prof. Wagner zur Rolle der Olympischen Spiele in China

Am 01. Juli 2008 hielt Prof. Dr. Rudolf G. Wagner einen Vortrag am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Heidelberg. Im Rahmen eines Kolloquiums für Doktoranten und Examenskandidaten referierte er sowohl aus sinologischer als auch aus politikwissenschaftlicher Perspektive über die Olympischen Spiele in China und deren Rolle.

Inzwischen sind die Spiele zwar vorbei, dennoch sind Prof. Wagners Ausführungen zur Rolle der Olympiade in der Strategie der chinesischen Führung interessant und aufschlussreich.

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"Spiel des Lebens" - Wie eine Studentin der Sinologie die Olympischen Spiele erlebte

Verena La Mela, Studentin der Sinologie im Grundstudium arbeitete im August und September 2008 während der Olympischen Spiele und Paralympics als Redaktionsassistentin beim NDR.

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Veranstaltungskalender

Gesprächskonzert: Guqin - Worte und Weisen der alten Chinesen

01.10.2008, 19:00 Uhr, Institut für Medizinische Psychologie, Bergheimer Straße 20 in Heidelberg.

Gesprächskonzert mit Manfred Dahmer.

Sonderausstellung und Retrospektive des japanischen Künstlers Murakami Takashi

Ab 26.09.2008, Museum für Moderne Kunst, Frankfurt/Main

Feierliche Eröffnung des Exzellenzclusters „Asia and Europe in a Global Context“

20.10.2008, 18:00 Uhr, Alte Aula, Universität Heidelberg

Begrüßung durch Prof. Dr. B. Eitel, Rektor der Universität; Grußwort von Prof. Dr. P. Frankenberg, Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg

(auf Einladung und mit Anmeldung)

Ausstellung: Farben und olympischer Gedanke

25.10.2008 bis 07.12.2008, Heidelberger Forum für Kunst, Heiliggeiststraße 21, Heidelberg

Austausch mit Künstlerinnen und Künstlern aus Beijing, ausgewählt vom chinesischen Künstlerverband.

Circus: Der große Chinesische Circus Hebei

09.02.2009 sowie weitere Termine ab Februar 2009, Karten sind bereits verfügbar, Kongresshaus Stadthalle Heidelberg

Faszination Akrobatik - Geschichte einer altehrwürdigen Kunst Chinas.


Spruch des Monats

"Wären Adam und Eva keine Deutschen gewesen, sondern Chinesen, hätten sie die Schlange im Paradies aufgegessen und uns wäre viel erspart geblieben."

Franz Müntefering


"Nur informelle Zusagen an das IOC" - Professor Dr. Rudolf G. Wagner über die Olympischen Spiele in China und deren Auswirkungen

Am 01. Juli 2008 hielt Prof. Dr. Rudolf G. Wagner einen solchen Vortrag am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Heidelberg. Eingeladen von Prof. Dr. Sebastian Harnisch, referierte Prof. Wagner im Rahmen eines Kolloquiums für Doktoranten und Examenskandidaten sowohl aus sinologischer als auch aus politikwissenschaftlicher Perspektive über die Olympischen Spiele in China und deren Auswirkungen.

Es fand sich eine Zuhörerschaft von etwa dreißig Studenten und Doktoranten ein, um von Prof. Wagners fachlichem Wissen zu profitieren und einen Vortrag zu hören, welcher über den normalen politikwissenschaftlichen Blickwinkel hinausging. Inzwischen sind die Spiele zwar vorbei, dennoch sind Prof. Wagners Ausführungen zur Rolle der Olympiade in der Strategie der chinesischen Führung interessant und aufschlussreich.

Seiner Meinung nach greifen klassische Erklärungsansätze hier meist zu kurz. Der ökonomische Anreiz der Spiele sei für China wenig relevant, da im Gegensatz zu früheren Spielen, wie beispielsweise in Athen, die Olympischen Spiele nicht benötigt werden, um einen Anreiz für Investitionen zu bieten. China hat hierfür mit seinen Währungsreserven von über einer Billion Dollar bereits genug Spielraum und bräuchte kein Olympia, um notwendige Änderungen anzuschieben.

Auch die unter westlichen Politikwissenschaftlern beliebte These, die totalitäre Führung Chinas benötige die Spiele, um sich Legitimität im eigenen Land zu schaffen, zeigt laut Prof. Wagner Erklärungsmängel. Sie betrachtet die Situation in China rein aus der externen Perspektive und vernachlässigt, dass Chinas kommunistische Führung sich selber nicht als totalitär perzipiert, und somit auch keiner Erhöhung der Legitimation bedarf. Sie nutzt ihre Legitimität vielmehr klug aus und hat in den Verhandlungen im Rahmen der Vergabe der Spiele sehr effizient mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) agiert.So gab es beispielsweise nie einen rechtsverbindlichen Vertrag über die Stärkung der Pressefreiheit, sondern nur informelle Zusagen. Daher brauche sich niemand zu wundern, dass die Freiheit der Presse wieder eingeschränkt wurde und trotz aller Proteste niemand etwas dagegen unternehmen konnte.

Andere Erklärungsansätze sind hier fruchtbarer. Es sei soziologisch durchaus erkennbar, dass die Spiele in einem Land des rasanten gesellschaftlichen Wandels zur Herstellung einer gemeinsamen Identität mittels des gemeinsamen Ziels, der Welt brillante Olympische Spiele zu präsentieren, veranstaltet werden. Prof. Wagner erweiterte die Analyse noch um die Funktion der Olympischen Spiele als Strategieinstrument der chinesischen Führung, um das außenpolitische Ziel des friedlichen Aufstiegs im beginnenden 21. Jahrhundert zu befördern.

China sieht sich als wieder erstarkte Weltmacht und möchte seine internationale Rolle bedeutender darstellen. Dabei hat es nach dem Ende des kalten Krieges die Strategie des friedlichen Aufstiegs (“????“) entwickelt, um sich gegen den als kriegerisch gesehenen Aufstieg anderer Mächte wie der USA und auch der europäischen Staaten abzugrenzen. Eines der Instrumente zur Verdeutlichung dieses Aufstiegs sind nun auch die Olympischen Spiele. Prof. Wagner nannte als weitere Instrumente dieses soft power- Ansatzes die weltweit mit Begeisterung aufgenommen chinesischen Akrobaten und auch die Pandabären, welche aktiv als Symboltiere für Frieden und Harmonie benutzt würden. Ganz konkret stärken die Olympischen Spiele die Macht des Zentralstaates in Peking gegenüber den Kräften der Regionen. Chinas Machtverteilung unterliegt stark zentrifugalen Kräften und die Zentrale in Peking muss sich beständig starker regionaler Konkurrenzkräfte erwähren. Die Olympischen Spiele helfen dies teilweise auszusetzen, da der Zentralstaat in diesem Fall für das IOC und alle Teilnehmerländer der einzige Ansprechpartner ist. Des Weiteren dienen die Spiele zur Mobilisierung der Unterstützung der Auslandschinesen für das Mutterland.

In den asiatischen Staaten lebt teilweise eine beachtliche Anzahl von chinesischstämmigen Staatsbürgern. Diese machen zwar prozentual nur einen sehr geringen Anteil der Bevölkerung aus, verfügen aber oft über eine weit überproportionale Finanz- und Wirtschaftskraft. Für die Volksrepublik China ist es daher sehr positiv, wenn sich das Wohlwollen dieser Auslandschinesen auf China als Ausrichter der Olympischen Spiele richtet.

In Prof. Wagners Vortrag trat somit eine Vielzahl von Funktionen der Olympischen Spiele zu Tage, welche jeweils theoretisch verordnet wurden. Der fundierte und kurzweilige Vortrag stieß beim politikwissenschaftlichen Publikum auf reges Interesse.

von Sven Lippmann

 

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"Spiel des Lebens" - Wie eine Studentin der Sinologie die Olympischen Spiele erlebte

Es ist Ende Oktober 2007 und an einem Donnerstagabend geschieht etwas, mit dem ich nach wochenlangem Warten nicht mehr gerechnet hatte:

Ich bekomme einen Anruf von der Hörfunk-Produktionsleiterin des Norddeutschen Rundfunks, mit der Zusage für einen Ferienjob bei den Olympischen Spielen in Peking. Zunächst hält sich meine Begeisterung in Grenzen. Nachdem ich vergangenes Jahr ein vorolympisches Peking im Aufbau erlebt habe und einige von Olympia noch weitgehend unberührte Orte zu Gesicht bekam, war ich recht kritisch gegenüber der zur Perfektion getriebenen Neugestaltung der Hauptstadt eingestellt. 

August 2008. In Peking angekommen, versuchte ich mich in meiner neuen Aufgabe als Stringerin (so heißen die Taxifahrer bei meinem Arbeitgeber). Wichtigste Voraussetzung für diesen Job ist, dass man alle Ängste, die einen beim Gedanken an eine Autofahrt durch Peking befallen, verdrängen kann! Mein Arbeitsplatz befindet sich hinter dem Steuer eines automatikbetriebenen VW Tourans. Als erstes wurde mir die verantwortungsvolle Aufgabe der Abholung der Führerscheine des Hörfunkteams zugeteilt. Beim Verlassen des verkehrsgeschützten Olympischen Geländes bewahrheiten sich meine schlimmsten Befürchtungen: Auf Pekings Straßen gibt es keine Gesetze, hier gilt nur das Recht des Stärkeren. Busse und LKWs stehen in der Rangordnung ganz oben. Darauf folgen PKWs und Motorräder. Fußgänger und Radfahrer sind die Verlierer in Peking - "Spiel des Lebens". Obwohl ich mich in der Hierarchie nicht an letzter Stelle befinde, fühle ich mich wie ein Nagetier, das nach jahrelanger Haustierhaft in die Wildnis ausgesetzt wird. Gefahren lauern vor jeder Kreuzung und nach jeder Abbiegespur, auf die sich vehement ein lästiger Taxifahrer drängelt - die heimlichen Könige der Straße.

Fährt man fernab der so genannten "Olympic Lanes", speziellen Fahrstreifen, die lediglich von ausgewiesenen Fahrzeugen mit Olympiabezug nutzbar sind, so nähert sich die Beschilderungsdichte gen Null. Ich verlasse mich auf meinen Orientierungssinn und fahre nach Gefühl. Plötzlich befinde ich mich auf dem 3. Ring. Hier gibt es keine Olympic Lane mehr, und ich drängle mich mit unzähligen Taxi- und Busfahrern, die beim Anblick einer Ausländerin hinter dem Steuer beinahe den Griff des Lenkrads verlieren, auf eine Spur. Ich fühle mich leicht überfordert: Karte lesen, Schweiß abwischen, Handy für den Notfall bereithalten, fahren, Straßenschilder beachten, Ausfahrt nicht verpassen und - das Wichtigste - auf keinen Fall nachgeben und den Taxidränglern die Vorfahrt lassen! Stau. Nach etwa einer Stunde für geschätzte drei Kilometer Luftlinie erreiche ich die Führerscheinstelle. Puh…

Nächster Tag. Im tiefgekühlten Media Shuttlebus mache ich mich an diesem eigentlich brütend heißen Augustmorgen auf den Weg ins noch kältere International Broadcast Center (IBC), in dem gefühlte 16 Grad herrschen. Als der Bus auf den Parkplatz fährt, bekomme ich eine Gänsehaut: Vor dem IBC parkt ein Panzer. Ungute Erinnerungen an 1989 werden wach. Wer soll hier beschützt werden, und vor wem? Ambitionierte, mäßig Englisch sprechende Freiwillige, bewaffnet mit Detektoren, unterziehen mich – der Sicherheit wegen - regelmäßigen Leibesvisitationen: "What`s in your pocket? Please turn around. Thank you for your cooperation." Die Fummelei gehört zur Routine, nicht nur der Journalisten; auch Besucher werden derartigen Kontrollen unterzogen.

Auf Mülltrennung - insbesondere im IBC - wird seit Beginn der Spiele größten Wert gelegt. An den Mensamülltonnen stehen je zwei chinesische Helfer, die den ausländischen Journalisten beim Sortieren behilflich sind. China will sich schließlich von seiner umweltbewussten Seite präsentieren. Leider ist dies keineswegs im ganzen Riesenreich der Fall, sondern eigentlich nur hier, direkt vor den Augen der internationalen Presse.

Ich stehe auf dem Olympiagelände, vor mir der Wasserwürfel, im Rücken das Vogelnest und um mich herum eifrig knipsende Chinesen, die nicht nur ausländische Staatsoberhäupter sondern eigentlich alles und jeden fotografieren. Obwohl es für chinesische Verhältnisse bereits spät ist, scheint das Olympiagelände nach meinem Feierabend um 20 Uhr gerade erst zum Leben erwacht. Vor dem Coca-Cola Sponsorengebäude bildet sich eine endlose, mit Mühe in Reihe gehaltene Menschenschlange. Vor dem Eingang der futuristischen U-Bahn-Haltestelle der neuen Linie 8 stehen Liebespaare Arm in Arm und lächeln verträumt in die Kamera. Den Hintergrund stellt ein an Schweizer Käse gemahnendes, rot-weißes Gebilde dar.

Schlendert man weiter über das weitläufige Olympiagelände, so trifft man früher oder später auf ein seltsames Gebäude. Wüsste ich nicht, dass es sich hierbei um die "Ling Long Pagode" handelt und dass dort unter anderem das chinesische Staatsfernsehen CCTV während der Spiele untergebracht ist, so hätte ich es glatt mit einer Rakete kurz vor dem Start verwechselt, der die Sicherungen durchgeknallt sind, und die vor Schmerz nun in allen Farben aufleuchtet. Ein weiteres merkwürdiges Gebäude ist anscheinend einem Drachen nachempfunden, während ich es zunächst für eine Hommage an einen gigantischen Haartrockner hielt. Die eigentliche Bestimmung des weithin sichtbaren Komplexes blieb mir bis zum Schluss verborgen, konnte ihn aber stets als Orientierung im verwirrenden Pekinger Stadtverkehr nutzen.
Anders hingegen der als Schwimmstadion dienende Wasserwürfel: Schon allein aufgrund seiner kompakten Größe schüchtert er weniger ein als die anderen, monumentaleren, Olympiabauwerke. Nein, der blaue Kubus ist das einzige Bauwerk, das dem Vogelnest in Sachen Ästhetik Konkurrenz machen könnte. Sobald es dunkel wird, zeigt sich das volle Farbenspiel seiner Oberfläche: Neben ständig wechselnden Farben, sieht man hin und wieder auch pinke Fische um den Würfel schwimmen. Technik, die begeistert.

Im Schatten des Vogelnests jedoch ist selbst der heimliche Liebling der Menge nicht in der Lage, seine Betrachter vor Ehrfurcht erstarren zu lassen. Monströs erheben sich vor mir die Stahlpfeiler des Olympiastadions, lediglich das flackernde olympische Feuer haucht dem Vogelnest um diese Tageszeit ein wenig Leben ein. Auf dem gepflegten Rasen vor Chinas Nationalstolz liegen sich ganze Familien lächelnd in den Armen und posieren für Fotos in allen möglichen Formationen. Das Olympiagelände scheint mit Liebe zum Detail gestaltet: Die zahlreichen kleinen Laternen am Wegrand stellen allesamt graue Vogelnester dar, auf denen Eltern ihre Kinder für ein weiteres Erinnerungsfoto platzieren.
Völlig unkontrolliert scheint mir hingegen die Musik, welche aus den omnipräsenten Lautsprechern tönt. Vermengt mit den Tausenden Stimmen der Besucher und der Klicks ihrer Fotoapparate, führt diese bei mir zu anschwellender Reizüberflutung. Ich ergreife die Flucht.

Zwei Straßen weiter lasse ich mich erschöpft auf dem angenehm unsterilen Plastikstuhl einer Garküche nieder und beobachte glückliche Chinesen, die, mit Olympiamemorabilia beladen und die Wangen mit "zhongguo jiayou" verziert, den Weg nach Hause antreten. Auch ich steige wieder in mein vom Sender gestelltes Auto und stelle mich der Herausforderung Straßenverkehr. Anfänglich kostete das Fahren viel Schweiß und Nerven, mittlerweile, wenige Tage nach den Spielen, vermisse ich es schon. In einer riesigen Stadt wie Peking gab mir das „eigene“ Fahrzeug ein Stückchen von der Freiheit zurück, die ich während der Olympischen Spiele vermisst habe.  

Verena La Mela

 

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Zuletzt bearbeitet von: AF
Letzte Änderung: 04.12.2014
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