Newsletter Februar 2011 Nr. 49
INHALT
Intellectual Property Protection in China: Policy Implementation under Fragmented Authoritarianism
Mit einem wirtschaftspolitischen Thema setzt Johannes Lejeune die Reihe zu Abschlussarbeiten aus der Sinologie fort. In der westlichen Berichterstattung wird häufig der Vorwurf geäußert, China gehe zu leichtfertig mit geistigen Urheberrechten um. Gleichzeitig gibt es zahlreiche Probleme und Hindernisse bei der Umsetzung von neuen Richtlinien aus Peking: einmal ‚copy cat‘ – immer ‚copy cat‘?
Das Jahr des Tigers - Kleine Hürden, neue Unternehmungen, jedenfalls nichts Alltägliches
Am 03. Februar begann gerade das neue Jahr des Hasen. Unsere Vorsitzende Lena Hessel hat deshalb rückblickend noch einmal das vergangene Jahr des Tigers Revue passieren lassen und berichtet von den Veränderungen im Verein im Zuge der Einführung des Bachelors und Masters, von Erweiterungen für die Homepage und wachsenden Kontakten in alle Welt.
Heidelberg - Shanghai - Tokio: Die Karriere eines Diplomaten
Sein Dienst für das Auswärtige Amt führte Erwin Wickert von Heidelberg über Shanghai nach Tokio. So trägt seine Autobiografie den Titel „Mut und Übermut“: Dr. Thomas Kampen porträtiert einen Diplomaten mit kontroverser Vergangenheit.
Das Böse kommt
Und wieder berichtet SHAN-Redakteurin Viktoria Dümer für uns aus Taiwan: Von Dieben und Schlange stehen und wie Touristen die Insel verändern. Denn wir können alle noch eine Menge von der Schatzinsel lernen!
Ein paar Gründe mehr, in Heidelberg Sinologie zu studieren
Computerlinguisten, Physiker – und Sinologen. Studenten berichten über ihren Weg an die Universität Heidelberg. Auch fünf Studierende und Angehörige unseres Instituts haben dazu jeweils ihre ganz eigene Geschichte zu erzählen.
Filmrezension: "Red Cliff"
Red Cliff – eines der großen Kinoereignisse in Asien ist auch auf dem europäischen Markt bereits als DVD und Blu-Ray erhältlich. Katja Modis hat sich den Film für SHAN angesehen und berichtet unter anderem über die Fallstricke der amerikanisch-europäischen Version.
Intellectual Property Protection in China: Policy Implementation under Fragmented Authoritarianism
„Kurz gesagt: Unsere Bemühungen zum Schutz geistigen Eigentums in China werden nicht weich wie Tofu sein, sondern hart wie Stahl.“
Wen Jiabao gegenüber europäischen Pressevertretern, 2006
Man muss nicht lange suchen, um in den chinesischen Medien solche Aussagen der Staats- und Parteiführung zu finden. Noch schneller findet man hingegen in den westlichen Medien Berichte über in China illegal nachgebaute Maschinen, fälschlich angebrachte Markenzeichen oder raubkopierte Software. Auch entsprechende Statistiken der EU und Umfragen unter Unternehmern zeigen, dass sich das Problem in den letzten Jahren eher verschärft hat. Da liegt (einmal mehr) der Schluss nahe, dass man den schönen Worten aus Peking nicht trauen kann: Bloße Lippenbekenntnisse zur Abwehr internationaler Kritik, während die chinesische Wirtschaft weiter ungestört profitieren kann. Aber ist es wirklich so einfach? In meiner Magisterarbeit bin ich diesem Widerspruch zwischen offizieller chinesischer Politik und chinesischer Realität auf den Grund gegangen.
Die Literatur verweist vor allem auf die Probleme, mit denen sich der chinesische Staat bei der Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte (intellectual property rights, IPR) konfrontiert sieht. Dabei gibt es zwei große, recht unverknüpft nebeneinander stehende Argumentationslinien: Die eine sieht vor allem kulturelle Faktoren als hinderlich für den Schutz geistigen Eigentums in China. Ihre Vertreter argumentieren mit dem Fehlen einer mit dem Westen vergleichbaren Rechtstradition und der weitgehenden Akzeptanz von Plagiaten in der chinesischen Kultur. Auch der traditionell starke Einfluss des Staates auf die Verbreitung von Ideen, der mit der modernen Konzeption eines privaten Besitzes an geistigem Eigentum unvereinbar sei, wird hervorgehoben. Das Ergebnis ist klar: Selbst wenn Peking es mit seinen Bemühungen zum Schutz geistigen Eigentums ernst meint, so kann es doch nicht innerhalb weniger Jahre ein über Jahrtausende gewachsenes Rechtsbewusstsein umwandeln.
Der andere Argumentationsstrang betont vor allem strukturelle Faktoren. Demnach ist es in erster Linie Pekings eingeschränkter Zugriff auf die lokalen Verwaltungsebenen, der der Umsetzung politischer Leitlinien im Wege steht. Chinas politisches System eines fragmentierten Autoritarismus, in dem die theoretisch große Machtkonzentration an der Spitze aufgrund regionaler Dezentralisierung relativiert wird, sei nicht in der Lage, den von der Zentrale gewollten Schutz geistigen Eigentums gegen die Interessen der lokalen Kader durchzusetzen. Auch hier ist das Ergebnis klar: Selbst wenn Peking es mit seinen Bemühungen zum Schutz geistigen Eigentums ernst meint, so sind seine Machtressourcen doch zu gering, um die Gesetze in einen effektiven IPR-Schutz umzusetzen.
Die Schnittstelle der beiden Argumentationslinien bildete den Ansatzpunkt meiner Arbeit. Anhand einer knappen Darstellung der historischen Entwicklung von IPRs in China habe ich zunächst die wesentlichen Argumente des kulturzentrierten Ansatzes herausgearbeitet. Unterm Strich bleibt festzuhalten, dass die historischen und kulturellen Rahmenbedingungen in der Tat eher hinderlich für die Entwicklung und später Einführung eines mit der westlichen Konzeption vergleichbaren IPR-Schutzes waren, dass IPRs inzwischen aber dennoch auch in China über ein lange Geschichte verfügen und die entsprechenden Gesetze spätestens seit dem WTO-Beitritt 2001 internationalen Standards genügen.
Im strukturzentrierten Teil meiner Arbeit habe ich zunächst die unterschiedlichen Akteursgruppen untersucht, die Einfluss auf die Politikformulierung und -implementierung nehmen können. Letztlich ließen sie sich auf ein IPR-freundliches und ein IPR-feindliches Netzwerk herunter brechen. Zu ersterem lassen sich der chinesische Staat auf nationaler Ebene, ausländische Akteure und chinesische Besitzer von IPRs zählen, zu letzterem die Profiteure von IPR-Diebstahl in der Wirtschaft sowie im Partei- und Staatsapparat. Da sich das IPR-feindliche Netzwerk auf der lokalen Ebene konzentriert , kann es zwar keinen Einfluss auf die offizielle Politikformulierung nehmen, wohl aber deren Implementierung sabotieren. Angesichts eines komplexen Interessengeflechts von Kadern und Wirtschaft bei gleichzeitigem Mangel an effektiven Kontrollmöglichkeiten und teilweise widersprechenden Vorgaben durch die Zentrale, gibt es sowohl zahlreiche Anreize als auch Möglichkeiten zur mangelhaften Politikumsetzung auf lokaler Ebene. Diese Problematik beschränkt sich nicht nur auf Kader in Partei und Lokalregierungen, sondern umfasst auch die Justiz und den auf IPRs spezialisierten bürokratischen Apparat.
Zwar gab es in den letzten Jahren zaghafte Reformversuche, doch gingen diese nicht weit genug, um die Probleme grundlegend zu lösen. Stattdessen setzt die KPC verstärkt auf Erziehungskampagnen, die mit dem Hinweis auf mangelhaftes Rechtsbewusstsein in der Bevölkerung begründet werden. In der Tat erklärt der chinesische Staat die Probleme im IPR-Schutz vor allem unter Rückgriff auf das oben skizzierte kulturelle Argument. Das hat den angenehmen Nebeneffekt, dass nicht etwa Fehler im politisch-administrativen System, sondern die rückständigen Einstellungen der Massen für die anhaltenden Mängel beim Schutz geistigen Eigentums verantwortlich gemacht werden können. Umfragen zum chinesischen Wissen über das Konzept geistigen Eigentums und der Vergleich mit westlichen Erfahrungen legen jedoch nahe, dass Pekings erzieherische Bemühungen vergeblich sein könnten, wenn sie nicht durch umfassende strukturelle Reformen flankiert werden: Einerseits ist das Bewusstsein für IPRs in China größer als oftmals behauptet, andererseits ist effektiver IPR-Schutz auch in westlichen Gesellschaften (die nicht als per se feindlich gegenüber geistigem Eigentum gelten) nur möglich, wenn Verstöße durch entsprechende Sanktionen seitens des Staates geahndet werden. Wer schon illegale MP3s heruntergeladen oder den neuesten Blockbuster per Stream geschaut hat kennt die Problematik…
An dieser Stelle kommt ein abgewandeltes kulturelles Argument ins Spiel: So ist es weniger die Kultur der breiten Masse, die heute einem effektiven Schutz geistigen Eigentums im Wege steht, als vielmehr die politische Kultur der herrschenden Partei. Grundlegende, für den Rechtsschutz dringend notwendige strukturelle Reformen – wie die Kontrolle von Politikern und Beamten durch unabhängige Organe und eine kritische Öffentlichkeit oder die Trennung von Staat und Wirtschaft – sind mit dem Selbstverständnis der KPCh unvereinbar. Somit sind es im Großen und Ganzen zwar vor allem die in dieser Arbeit analysierten strukturellen Probleme, die einen effektiven Gesetzesvollzug verhindern; ihre Reform wird jedoch durch die politische Kultur eines autoritären Staates verhindert. Da es gegenwärtig kaum Anzeichen für einen grundlegenden Wandel des politischen Systems und der dazugehörigen politischen Kultur gibt, steht zu erwarten, dass sich der Schutz geistiger Eigentumsrechte in absehbarer Zeit nicht wesentlich verbessern wird. Die größte Hoffnung ruht auf den chinesischen Eigentümern von IPRs, die sich zunehmend für den Schutz ihrer Rechte einsetzen könnten. Aber selbst dann wird die Entwicklung nur langsam und schrittweise sein.
Johannes Lejeune
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Das Jahr des Tigers – Kleine Hürden, neue Unternehmungen, jedenfalls nichts Alltägliches
2010 liegt hinter uns, und auch das fünfte Lebensjahr von SHAN neigt sich langsam seinem Ende zu. Im Mai 2011 jährt sich die Gründung des Vereins zum fünften Mal. SHAN besteht in alter Frische, und die anstehenden Feierlichkeiten geben Anlass zur Freude auf das Sommersemester. Bis wir allerdings dem Jubiläum sorgenfrei entgegensehen konnten, galt es in den vergangenen zwölf Monaten noch ein paar Hürden zu nehmen.
Anfang des Jahres hatten wir vor allem mit Nachwuchssorgen und EDV-Problemen zu kämpfen. Einige „alte Hasen“ waren uns an Abschlussarbeiten und Berufsleben verloren gegangen. Der Verein brauchte dringend neue aktive Mitglieder. Also brauchten wir mehr Angebote für die Studierenden. Wir führten die SHAN-Kneipenabende wieder ein und belebten das Team Unternehmenskontakte neu; es ist seit dem Sommersemester wieder am Institut präsent, mit einigen berufsvorbereitenden Angeboten. Ein Teil des Problems bleibt jedoch unserem Zugriff entzogen: Die Jahrgänge sind kleiner geworden. Die Strukturen des BA lassen den Studierenden weniger Zeit und Freiraum. Aber zu unserem Glück wird der Exodus der BA-Absolventen durch den Master etwas aufgefangen. Und wir freuen uns sehr, dass einige BA-Studierende schon in den ersten Semestern bei SHAN aktiv werden.
Auch der Auftritt des Vereins im Internet stand lange unter keinem guten Stern. Außenstehende löschten 2009 versehentlich unsere neue, verbesserte Homepage. Die alte Seite war schlecht zugänglich. Wir wichen auf einen Blog bei Wordpress aus. In China war SHAN damit aber kaum sichtbar. Bis zum Sommersemester 2010 dauerte es schließlich, eine dritte Homepage zu erstellen. Auf diese Seite können wir uns nun verlassen: Sie ist seit neun Monaten online. Alle Inhalte sind komplett übertragen. Zu danken haben wir dafür Christian Straube, dem PR-Team und allen Helfern, die mit unermüdlicher Geduld an der neuen Homepage gearbeitet haben.
So konnten wir uns wieder stärker unserer Hauptaufgabe widmen: Pflege und Erweiterung des Alumni-Netzwerks. Dazu gehören „kleine“ Ehemaligentreffen wie die Kino-Abende im September und Januar und die „große“ Ehemaligenfeier 2011, mit deren Organisation wir seit dem Wintersemester beschäftigt sind. Auch der Newsletter soll ja allen Ehemaligen helfen, den Kontakt zu ihrer Heimatuniversität zu halten. Er kam im vergangenen Jahr zwar nicht immer pünktlich, aber weiterhin regelmäßig heraus. Die Artikel behandeln nach wie vor Neuigkeiten rund um China und die Sinologie in Heidelberg. Das Netzwerk des Vereins machte es möglich, über aktuelle Ereignisse ganz aus der Nähe zu berichten: SHAN-Mitglieder erzählten von ihren Erfahrungen im Expo-Shanghai. Und es war auch ein SHAN-Mitglied, das den Kontakt zu Bei Ling hergestellt hat. Der Dichter kam daraufhin im Dezember nach Heidelberg und sprach über seinen Freund Liu Xiaobo, den diesjährigen Friedensnobelpreisträger.
Außerdem wollten wir den Alumni gern mehr Gelegenheit zum aktiven Austausch bieten und zwar unabhängig davon, wo auf der Welt sie sich gerade befinden. Dazu wird die Homepage seit August um ein kleines Social Network erweitert. SHAN-Mitglieder sollen Zugang zu einem eigenen Postfach erhalten und die Möglichkeit, einander Nachrichten zu schicken sowie eigene Profile und Seiten zu erstellen. Die neuen Funktionen werden voraussichtlich im März online gehen und die SHAN-Homepage in eine echte Austausch-Plattform für unsere Alumni verwandeln.
Neben der Pflege des Netzwerks haben wir auch die Erweiterung unserer Kontakte vorangetrieben: SHAN-Vorstandsmitglied Sabine Hieronymus ist zugleich Mitglied der China-Initiative e.V.; das PR-Team ist mit dem Konfuzius-Institut vernetzt; und wir haben engeren Kontakt mit dem Verein Chinesischer Wissenschaftler und Studenten in Heidelberg e.V. (VCWSHD) aufgenommen. Zusammen mit dem VCWSHD planen wir momentan ein Sprachaustausch-Projekt, das sowohl Alumni als auch Studenten zugute kommen soll. Und schließlich bemühen wir uns, auch in der Öffentlichkeit sichtbar zu bleiben: Wie schon 2009 war SHAN auch im Sommer 2010 im „Chinesischen Dorf“ während des Aktionstags „Lebendiger Neckar“ mit einem eigenen Stand vertreten.
Das Jahr des Tigers hielt für SHAN, was es versprach: kleine Hürden, neue Unternehmungen, jedenfalls nichts Alltägliches. Es war ein Jahr des Umbruchs, auch im Kleinen: Der alte SHAN-Raum im 2.Stock des Instituts wurde in einen Aufenthaltsraum für die Studierenden umgewandelt. Die Wand wurde nach vorn versetzt; der Raum ist größer, neu möbliert und eine Tür führt in die renovierte Küche. SHAN zog ein Stockwerk nach oben, in das Zimmer 309, das wir uns zwar gelegentlich mit einem Gastprofessor und dauerhaft mit Bücherschränken teilen müssen, das aber auch genügend Raum für eine Vorstandssitzung bietet – und eine schöne Aussicht auf das Heidelberger Panorama.
Lena Hessel
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Heidelberg – Shanghai – Tokio: Die Karriere eines Diplomaten
1939 promovierte der Brandenburger Erwin Wickert (1915-2008) – nach etwa dreijährigem Studium – in Heidelberg und reiste (nach mehrmonatiger Tätigkeit im Auswärtigen Amt in Berlin) nach Shanghai. Dies war sein zweiter Ostasienaufenthalt; er hatte schon 1936 Japan und China besucht und dabei den Oberstleutnant Hermann Kriebel und den Geschäftsmann John Rabe (beide NSDAP) kennengelernt. 1939 war Kriebel wieder in Berlin und vermittelte dem Freund eine Stelle im AA. Dort traf Wickert, wie er in seinen 1991 erschienenen Memoiren schrieb, auch Hans Schirmer (NSDAP und SS): „Mitte August 1940 […] rief Hans Schirmer an: ‘Du mußt sofort nach China fahren.‘ “ (S. 294)
Wickert selbst war – wie es in dem gerade erschienenen Werk „Das Amt“ heißt – „1933 zunächst der SA und 1940 auch der NSDAP beigetreten. Im September 1939 war Wickert durch SA-Obergruppenführer Hermann Kriebel, einem Teilnehmer der Hitler-Putsches von 1923 und ehemaligen Mithäftling Hitlers in Landsberg, zur AA-Auslandspropaganda gestoßen. Kriebel war bis 1937 deutscher Generalkonsul in Shanghai gewesen und hatte im April 1939 die Leitung der Personalabteilung übernommen. Kurz nachdem er Wickert in das Rundfunkreferat der Kulturabteilung geholt hatte, übertrug Kriebel dem erst 25-jährigen die Aufgabe, einen deutsch-japanischen Großsender im besetzten China aufzubauen. Im September 1940 – Wickert war kurz zuvor zum Rundfunkattaché befördert worden – folgte die Versetzung an die deutsche Botschaft in Shanghai, wo die neue Radiostation eingerichtet werden sollte.“ (S.702)
Der Shanghai-Aufenthalt dauerte nicht lange; im gleichen Buch wird erwähnt „dass Wickert bereits im Juni 1941 an die deutsche Botschaft in Tokio versetzt wurde, wo er unter der Leitung des Gesandten Erich Kordt wiederum den Posten eines Rundfunkattachés übernahm. Im Herbst 1947 wurde Wickert zusammen mit Franz Krapf, dem damaligen Wirtschaftsfachmann der Botschaft, nach Deutschland repatriiert.“
Das Jahr 1941 war für Wickert in vieler Hinsicht dramatisch: im Frühjahr war Kriebel in Deutschland gestorben, kurz darauf griff Deutschland die Sowjetunion an; im Sommer ging Wickert von China nach Japan; im Herbst wurde in Japan der Sowjetagent Richard Sorge verhaftet, den Wickert aus der deutschen Botschaft kannte; im Winter griff Japan Pearl Harbor an und Deutschland erklärte den USA den Krieg.
In Japan gehörten Botschafter Eugen Ott (NSDAP), Erich Kordt und Franz Krapf (beide NSDAP und SS) zu Wickerts wichtigsten Kollegen; sie werden in den oben genannten Memoiren häufig erwähnt und sind auf mehreren Fotos zu sehen. In dem Buch „Seilschaften“ steht: „Erich Kordt, der von 1938 bis 1941 das Ministerbüro von Ribbentrops leitete, auf dessen Empfehlung 1938 Sturmbannführer der SS wurde und 1941 bis 1945 als Gesandter I. Klasse in Tokio beziehungsweise Nanking (China) amtierte […]“ (S.79). „Das Amt“ beginnt mit den Worten „Franz Krapf wurde 1911 geboren. 1938 trat er in den Auswärtigen Dienst ein. Bereits seit 1933 gehörte er der SS an, 1936 wurde er Mitglied der NSDAP, seit 1938 war er Untersturmführer im Stab des SS-Hauptamts. Von 1940 an verbrachte er die Kriegsjahre an der deutschen Botschaft in Tokio und wirkte dort auch als Mitarbeiter des Sicherheitsdiensts der SS.“ (S.9)
Nach dem Krieg lebte Wickert wieder mehrere Jahre in Heidelberg; seine brandenburgische Heimat, die in der Sowjetischen Besatzungszone lag, kam als Wohnsitz wohl nicht mehr in Frage. Über die Heidelberger Zeit schrieb er in seinem Buch „Die glücklichen Augen“: „Erich Kordt, im Krieg eine Zeitlang Gesandter, und Eugen Ott, damals Botschafter in Tokio, kamen oft zu Besuch.“ (S.29). „Erich Kordt war in Tokio als Gesandter mein Vorgesetzter gewesen. […] Er wurde später mein Freund mit dem ich bis zu seinem Tod eng zusammenarbeitete.“ (S.40) „Meine alten Freunde waren wieder in Staatsdiensten […] die Freunde aus der Botschaft Tokio: Franzl Krapf, [….] und Erich Kordt; Hans Schirmer, der mich 1940 nach Shanghai entsandt hatte“ (S.57)
Ab 1955 durfte Wickert im Auswärtigen Amt arbeiten, wo Krapf schon seit 1951 wieder tätig war. (Ebenfalls 1955 reiste Wickert – ohne dass diplomatische Beziehungen bestanden – nach Taiwan und besuchte dort führende Kuomintang-Politiker, darunter: Chiang Kaishek.) In den siebziger Jahren war Krapf BRD-Botschafter in Japan, Schirmer in Österreich und Wickert in Rumänien und in der Volksrepublik China (1976 bis 1980); mit 65 ging Wickert dann in den Ruhestand.
In Anbetracht der mehr als fünfzigjährigen Freundschaft und Zusammenarbeit der beiden Diplomaten ist es nicht überraschend, dass der Tod Krapfs 2004 für Wickert eine besondere Bedeutung hatte. Da der damalige Außenminister Fischer wegen der Nazivergangenheit Krapfs gegen eine offizielle Ehrung des Verstorbenen war, protestierten einige alte Diplomaten unter der Leitung Wickerts gegen Fischers Politik. Dieses Vorgehen führte dann zu der Bildung der Historikerkommission, die 2010 „Das Amt und die Vergangenheit“ publizierte.
Wickert selbst veröffentlichte u.a. 1991 „Mut und Übermut: Geschichten aus meinem Leben“, 1996 „John Rabe – Der gute Deutsche von Nanking“ (die Vorlage für den bekannten Film) und 2001 „Die glücklichen Augen“.
Weitere Literatur:
Hans-Jürgen Döscher: Seilschaften: die verdrängte Vergangenheit des Auswärtigen Amts, Berlin, 2005.
Eckart Conze, u.a. (Hg.): Das Amt und die Vergangenheit, München, 2010.
Dr. Thomas Kampen
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Das Böse kommt
Manchmal möchte ich Taiwan umarmen. Und es beschützen. Vor sämtlichen bösen Einflüssen. Von außen. Natürlich ist es verklärt, wenn ich schreibe, dass ich glaube, dass auf Taiwan die besseren Menschen wohnen. Taschendiebe, Betrüger, Mörder – die gibt’s hier auch. Ganz bestimmt. Nur bin ich noch keinem einzigen begegnet. Woanders hingegen… Ich erinnere mich noch an Zeiten und Orte, da hätte ich niemals den Reisverschluss meiner Tasche versehentlich offen gelassen.
Hier ist alles anders. Neulich ließ ich mein Netbook in einer Bäckerei liegen. Eine Stunde später fiel es mir auf. Eine Stunde! Man kann sagen, dass ich in Panik war. So sehr, dass ich rannte. Ich stürzte in das Geschäft, drängelte mich zur Kasse, wollte gerade erklären… Und die Verkäuferin? Sie drehte sich um. Ich dachte, wun-der-bar! Sie tut so als kenne sie mich nicht. Cle-ver. Oder sie weiß wirklich von nichts, weil ein anderer Kunde meinen Computer längst entführt hat. Ein Leben ohne Skype. Internet in der Bibliothek. Mein Netbook bei einem Fremden. Mir wurde elend, ich verfluchte mich selbst – bis sich die Verkäuferin wieder zu mir drehte, meinen, etwas bemehlten Schatz in den Händen, darauf ein Zettel mit unmissverständlicher Beschriftung: „外人“.
So. Wir lernen also: Die Menschen hier sind gute Menschen. Jetzt ein Gegenbeispiel: Es gibt hier einen Österreicher, der bezahlt niemals, wenn er nicht muss. Jeden Tag holt er sich bei 7/11 ein Sandwich und geht einfach wieder hinaus. Er findet das okay. So lange bis ein Verkäufer etwas sagt, wird er das fortführen. Man spart viel Geld. Sagt er. Das Problem ist, dass niemand niemals irgendetwas sagen wird. Da bin ich leider sicher. Seit Monaten geht das schon so. Ich könnte diesen Österreicher umbringen! Und er ist nicht der einzige. Man hat schon von Leuten gehört, die haben riesige Wörterbücher aus Buchläden geschleppt. Ohne sie zu bezahlen. Dreist, fand eine Kommilitonin dieses Verhalten. Sie selbst hatte zuvor Messer und Gabel in der einzigen Pizzeria nahe des Campus´ geklaut. Asozial, fände ich treffender.
Es ist also so, dass wir auf Taiwan nicht beklaut werden, einige Ausländer dafür selbst zu Dieben werden! (Und ich bin ziemlich sicher, dass sich Menschen wie der Österreicher in ihrem eigenen Land so etwas niemals trauen würden.) Wäre ich Taiwanerin, ich würde mich über so viel Frechheit aufregen! Und, wäre ich ein schwacher Mensch dazu, unter Umständen mein eigenes Verhalten überdenken…
Dass dies so geschieht, zeigt sich beim Schlange stehen. Dort vollzieht sich, situationsbedingt, schon ein sanfter, aber besorgniserregender Wandel. Jeder, der schon einmal auf der Schatzinsel war, der weiß: Im Schlange stehen sind die Taiwaner einsame Spitze! Der Gipfel der Gelassenheit und Selbstdisziplin! Ob in der MRT, an der Bushaltestelle, vor noch geschlossenen Einkaufsläden… Man reiht sich ein, wartet geduldig. Vor ein paar Wochen war ich im Palastmuseum. Auf dem WC. Stand in der Schlange. Wir waren fünf Frauen, außer mir eine Finnin und drei Taiwanerinnen. Wir standen da, ahnten nichts Böses – bis wir ein lautes Stimmengewirr hörten. Das Summen nahte und überfiel uns von hinten. Geschätzte dreißig Damen, eine Viertel-Reisegruppe sozusagen, mit fließenden Sprachkenntnissen und wenig Kleidungsstil betraten den Raum. Sie sahen uns, die da standen, schossen vorbei und eröffneten pro einzelne Toilettentür eine neue Reihe! Unsere Schlange war vernichtet. Sekundenschnell. Nach der ersten Schockstarre murmelte ich: „Andere Länder, andere … Das sind niemals Taiwaner.“ „Sicher nicht.“, sagte die Einheimische vor mir. Und dann tat sie etwas, was ich mir nicht hätte vorstellen können. Sie begann zu drängeln, mit den Worten: „Da draußen sind noch mehr von denen! Wenn wir uns jetzt nicht so wie die verhalten, kommen wir nie dran!“ Ich finde ja, dass es umgekehrt sein müsste. Touristen sollten sich anpassen. An örtliche Gegebenheiten. Und mit dieser Anpassung meine ich nicht Drängeln und Klauen, wenn sich die Gelegenheit bietet! Wären wir doch alle Taiwaner…
Viktoria Dümer
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Ein paar Gründe mehr, in Heidelberg Sinologie zu studieren
Seit kurzem sind auf der Website der Universität und auch auf der Internetpräsenz des Sinologischen Instituts des ZO fünf kurze Videos zu finden, in denen fünf Studenten bzw. Alumni der Sinologie in Heidelberg erklären auf welchem Weg sie nach Heidelberg und in die Sinologie gekommen sind. Die Videos sollen als Entscheidungshilfe für Interessierte an der Sinologie in Heidelberg, und als Werbung für unser Fach in Heidelberg dienen.
Beachtenswert ist dabei, dass die Sinologie momentan nur eines von drei ausgewählten Fächern ist, die mit Videos zu ihrem Studieninhalt auf der Website der Universität zu finden sind.
Es lohnt sich also auf jeden Fall unter www.uni-heidelberg.de/studium/video/sinologie_01.html einen Blick darauf zu werfen!
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Filmrezension "Red Cliff"
Der chinesische Monumentalfilm von John Woo aus dem Jahr 2008 handelt vom Ende der Han Dynastie, und erzählt die Geschichte der berühmten Schlacht zwischen drei chinesischen Königreichen am Jangtse im Jahre 208 v. Chr. Das Drehbuch basiert auf einigen zentralen Kapiteln aus dem "Roman der drei Reiche" ("San Guo Yan Yi") von Luo Guan-zhong, einem Klassiker aus dem 14. Jahrhundert
Der machtbesessene Premierminister Cao Cao überzeugt den wankelmütigen Kaiser Han, den Königreichen Xu im Westen und East Wu im Süden den Krieg zu erklären um China endgültig zu vereinen. In ihrer Not schließen die beiden eigentlich verfeindeten Königreiche eine Allianz gegen den übermächtigen Feind. Im Film entwickelt sich zwischen Wus Armeechef Zhou Yu und dem brillanten Strategen Zhuge Liang aus Xu bald eine enge Freundschaft und gemeinsam gelingt es ihnen schließlich, die riesige Armee der Han am „Red Cliff“ vernichtend zu schlagen.
Natürlich kommt auch die Romantik nicht zu kurz: Die Frau von Zhou Yu ist so schön und klug, dass Cao Cao diesen Krieg auch deswegen führt, um sie für sich zu gewinnen. Durch eine List gelingt es ihr, Cao Caos letzten Angriff zu verzögern und so den Truppen von Xu und Wu einen klaren Vorteil zu verschaffen, durch den sie am Ende die Schlacht für sich entscheiden können.
In China brach das 288 Minuten lange und als Zweiteiler im Kino veröffentlichte Epos Kassenrekorde und ist mit einem Budget von US$ 80 Millionen der aufwendigste asiatische Film überhaupt. Laut dem Lexikon des Internationen Films, ist der Film ein „Wendepunkt in der Bio- und Filmografie von John Woo, der nach 15 Jahren in den USA in seine Heimat zurückkehrte.“ „Red Cliff“ wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, fünf Mal erhielt er den Hong Kong Film Award und gewann bei den „3rd Asian Film Awards“ den Preis für die bestens Spezialeffekte.
Leider wurde der Film, um ihn in den USA und Europa vermarkten zu können, enorm gekürzt: Von ursprünglich mehr als vier Stunden auf 148 Minuten, wodurch vieles von der Handlung verloren geht. „Woos elaborierte Bildmontagen sind durch harte Schnitte verstümmelt worden.“ (Ralph Umard bei Spiegel Online) Neben brutalen Kampfszenen und Gewaltbildern, fielen auch poesievolle und komödiantische Szenen den Zensoren zum Opfer. Viele Charaktere, die im Original eine wichtige Rolle spielen, werden an den Rand des Geschehens verbannt. Szenen, die für den Verlauf der Geschichte von Bedeutung sind wurden teilweise oder vollständig herausgeschnitten, wodurch Handlungssprünge entstehen, die einen schnell den Überblick verlieren lassen. Wer sich den Film also anschauen will, sollte versuchen an das chinesische Original zu kommen und sich nicht mit der gekürzten Fassung zufrieden geben.
Katja Modis
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