Newsletter Juli 2012 Nr. 64

INHALT

Theater am Sinologischen Institut

Der Theaterkurs von Frau Young-Stein führte drei chinesische Theaterstücke auf und sorgte für Begeisterung. Nach diesem Erfolg soll es auch weiterhin Theaterkurse am Institut geben und die neue Tradition einer Theateraufführung zum Semesterende eingeführt werden.

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Cluster "Asia and Europe" geht in die zweite Runde

Heidelbergs geisteswissenschaftliche Forschung bleibt transkulturell: Am 15. Juni wurde der Cluster „Asia and Europe in a Global Context: Shifting Asymmetries in Cultural Flows“ verlängert. Mehr dazu im Interview mit Prof. Herren-Oesch.

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Neues vom SHAN-Schulteam

Bei der Gründung von SHAN im Jahr 2006 war die Schulinitiative eines der zentralen Anliegen des Vereins. Seither bietet das Team von fortgeschrittenen Sinologiestudierenden an Schulen in der Metropolregion Rhein-Neckar Chinesisch-Unterricht, China-AGs und Projekttage an. Für eine neue Initiative sind wir jetzt auf der Suche nach neuen Mitgliedern.

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Erzählen Sie mal... Andrea Janku!

Wie sah das Studium der Klassischen Sinologie in Heidelberg zur Zeit des einsetzenden Chinabooms aus und welche Erfahrungen konnte man als Austauschstudent in Shanghai 1990 machen? Auf diese und ähnliche Fragen antwortet Dr. Andrea Janku im Gespräch mit SHAN und berichtet außerdem über ihre Arbeit an der SOAS in London.

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Heidelberg wird europäisch: Die EACS-Konferenz in Barcelona

Im Hinblick auf die kommende EACS-Konferenz im September berichtet Thomas Kampen über die rege Heidelberger Teilnahme an der EACS-Konferenz "China and the Outer world" vor 15 Jahren in Barcelona.

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Theater am Sinologischen Institut

Am vergangenen Samstagabend strömten Studenten, Dozenten, Freunde und Lehrer in das Karl Jaspers Centre. Vor dem Saal tummelten sich Studentinnen im Qipao oder Krankenschwesterkostüm, Studenten im Gelehrtengewand und erwartungsvolle Kommilitonen. Letzte Bühnenmasken wurde auf die Gesichter verteilt. Verkleidete und Publikum trennten sich endlich und man wurde zweisprachig begrüßt. Weiter ging es jedoch auf Chinesisch:
Die Theatergruppe, die unter der Leitung Frau Young-Steins, sowie mit der Unterstützung von Frau Teng und Frau Liao, drei 20-30 minütige Stücke einstudiert hatte, präsentierte die Ergebnisse der Arbeitsmühe.

Eine Komödie bildete den Anfang dieses unterhaltsamen Abends. Der einfache, aber verhängnisvolle Satz: „我知道整個事情的真相了“ wurde zum Drehpunkt eines kleinen Familiendramas um Song Xiaoming (Mariann Eisold): Auf Rat des Klassensprechers (Jasmin Friebel) hin, vor „Eltern“ (Mirjam Ritter und David Gross) und dem Lehrer (Patrik Buchholz) diesen Satz zu äußern, entfaltete der Satz eine ungeahnte Wirkung. Zunächst in Form von Bestechungsgeld, das die in die Enge getriebenen Eltern ihrem Sohn zusteckten. Letztlich aber hallte das schallende Gelächter vermischt mit Applaus des Publikums durch den Saal, als der Lehrer endlich über Tische und Bänke seinem überrumpelten Sohn um den Hals fiel.

Es folgte eine zeithistorische Tragödie. Vor den Augen des gespannten Publikums entfaltete sich die Liebesgeschichte der Yun Zhifan (Ana Puconja/Tiziana Assandri) und des Jiang Bingliu (Patrick Buchholz/Etienne Bauens). Man wurde Zeuge eines romantischen Dialoges im Shanghai 1948, der den Beteiligten unvergesslich bleibt. Doch die Beiden, die durch Kriegswirren getrennt wurden, finden sich erst im modernen Taibei wieder, wo sie ein paar letzte Minuten gemeinsam verbringen. Die Tragik der Geschichte wurde aufgehellt durch die Auftritte der Krankenschwestern (Joanna Klabisch / Valentina Mank), die sich um die Ablenkung der besorgten Ehefrau (Nicole Möller) kümmerten.

Nach einer Pause kam eine sehr moderne Fassung der berühmten Geschichte um den Pfirsichblütenquell auf die Bühne. Höhepunkt des Abends war wohl der fulminante Streit zwischen dem armen Fischer Tao (Chi-Hang Chou), seiner Frau (Cila Brosius) und dem Grundbesitzer Yuan (Frank Heberle). Auch die Verwirrungen um die Identitäten der Menschen in der friedlichen Welt des Pfirsischblütenquells (Dominic Smoczynsus, Josefine Lehmann, Marcel Laue) und die Rückkehr in die düstere reale Welt (mit Tiziana Assandri als Frau des Fischer Taos) hielt die Lachmuskeln im Publikum angespannt.

Dieser unglaublich unterhaltsame Abend sollte der Auftakt zu weiteren Theaterkursen sein und den Beginn einer hoffentlich neuen Tradition des Theaterbesuches gegen Semesterende bilden. Zugabe!

 

Odila Schröder

 

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Cluster "Asia and Europe" geht in die zweite Runde

Frau Prof. Dr. Madeleine Herren-Oesch – Professorin für Neuere Geschichte  und am Zentrum für Europäische Geschichts- und Kulturwissenschaften (ZEGK) in Heidelberg tätig  – ist den meisten Studenten der Sinologie wohl in ihrer Funktion als Acting Director des Cluster "Asia and Europe in a Global Context“ bekannt.
Im Gespräch mit SHAN berichtete sie über die Stimmung vor der Verlängerung des Clusters am 15. Juni und über die Zukunft der transkulturellen Forschung in Heidelberg.

SHAN: Am 15. Juni wurden die Ergebnisse für die 2. Runde der Exzellenzinitiative verkündet. Wie war die Stimmung in den Tagen davor im Cluster?

Prof. Herren-Oesch: Die Entscheidung besteht aus mehreren Schritten: Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen präsentierten zunächst den Verlängerungsantrag unter der Leitung der DFG vor einer Expertengruppe in Berlin. Neben der wissenschaftlichen Evaluation spielen wie immer bei solchen Großprojekten auch andere Faktoren eine wichtige Rolle. Hierzu gehören etwa die Einbettung des Clusters in die Universität, die Vorhaben anderer Exzellenzcluster, aber auch die politische Frage der Nachhaltigkeit. Alles in allem hatten wir aber nach der Präsentation in Berlin ein gutes Gefühl. Das Ergebnis kennt man allerdings erst, wenn der Bescheid offiziell mitgeteilt wird und Sie wissen ja, dass sich die Entscheidung hinausgezögert hat. Deshalb haben wir mit wachsender Spannung auf das Resultat gewartet – das Schöne war, dass ganz viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Marstallhof den Moment des Wartens mit uns geteilt haben. 

Die Bewerbung lief bereits letzten August erneut an. Im Januar waren Sie dann in Berlin. Wie haben Sie den Cluster in die nächste Runde gebracht? Gab es inhaltliche Schwerpunkte bei der Präsentation?

Der Cluster ist ja nicht einfach nur ein Forschungsprojekt, sondern hat die Aufgabe strukturelle Veränderungen innerhalb der darin vertretenen Fächer und der Universität zu realisieren. Ein Fortsetzungsantrag zeigt demnach mehr als einzelne Schwerpunkte oder Themen, er präsentiert disziplinäre Vernetzung  und weist intellektuellen Mehrwert aus. Uns war natürlich wichtig hervorzuheben, wie die verschiedenen Disziplinen miteinander arbeiten, beziehungsweise wie Asienwissenschaften als Area Studies und die sogenannten systematischen Wissenschaften miteinander interagieren. Darüber hinaus ist auch zu beachten, dass es sich um ein Fortsetzungsprojekt handelt, das heißt, es galt zu zeigen, warum das zentrale Konzept der transkulturellen Forschung in den nächsten fünf Jahren weitergeführt werden sollte. Schließlich gehört es auch dazu, Informationen zur Forschungsorganisation, Nachwuchsförderung, oder auch zur Nachhaltigkeit der ganzen Unternehmung zu geben. Kurz, bei solchen Gelegenheiten wird immer das volle Panorama entwickelt.

An welcher Stelle sehen Sie den Cluster nach den nächsten 4 Jahren?

In den nächsten Jahren können wir zeigen, was wir hier in der ersten Phase eingeleitet haben. Für mich ist es wichtig zu betonen, dass wir ein analytisches Instrumentarium entwickelt haben – das Konzept der Transkulturalität –das kulturelle Verflechtungen sichtbar und interpretierbar macht. Wir gehen also nicht einfach davon aus, dass Kulturen nebeneinander bestehen und auf mehr oder weniger friedliche Art und Weise interagieren. Wir betrachten kulturelle Verflechtungen vielmehr als Normalfall. Selbstverständlich haben in verschiedenen historischen Kontexten unterschiedliche Gruppierungen jeweils den Anspruch gehabt, einen bestimmten Ausschnitt aus diesen Verflechtungsgeschichten als „genuin“, das heißt als ihre eigene, authentische Kultur darzustellen. Unser analytisches Instrument ist dabei für die Beziehungen zwischen Europa und Asien im 21. Jahrhundert von ganz besonderer Relevanz. Hier hat, wie ich denke, der Cluster auch eine wichtige Funktion der Öffentlichkeit gegenüber; nämlich transdisziplinär zu denken und wissenschaftliche Ergebnisse zu unserer Gegenwart in Beziehung zu setzen. Während wir in der ersten Phase das Konzept der Transkulturalität schärfen, nachweisen oder eben falsifizieren mussten, können wir es jetzt gezielt einsetzen und in den vier Forschungsbereichen des Clusters anwenden. Dies bedeutet auch, dass dieses Konzept nun sehr viel deutlicher auch in die unterschiedlichen Disziplinen diffundiert und in anderen universitären Bereichen Anwendung findet. Dieser Strukturwandel, den der Cluster bewirken soll, ist mir besonders wichtig.

Das heißt, Sie möchten durch neue Konzepte in die aktuelle Forschungsweise in den einzelnen Instituten eingreifen und die Arbeit mitformen?

Eingreifen ist für mich ein etwas schwieriger Begriff. Was wir hier anstreben ist eine neue Form des Forschens, bei der die disziplinäre Zusammenarbeit eine zentrale Rolle spielt. Disziplinäre Methoden bleiben selbstverständlich erhalten. Die Clusterprofessuren zeigen aber, wie disziplinäre Kompetenzen über die Fächergrenzen hinaus entstehen, etwa wenn nun Global Art History, Cultural Economic History, Intellectual History, Buddhist Studies und Visual and Media Anthropology angeboten werden können. Es entsteht damit ein Mehrwert über die bestehenden Disziplinen hinaus. Sie können in der Tat die Welt neu denken, um es ein wenig pathetisch auszudrücken.   

Sie haben also einen größeren Spielraum, bestimmte Aspekte anzugehen.

Es gibt überhaupt Themen, die jetzt erst auf der Bildfläche erscheinen und Forschungsfragen, die man in diesem Kontext ganz neu denken kann. Das ist der große Gewinn. Alle Formen von Grenzüberschreitungen, die dem Konzept des methodischen Nationalismus vollkommen entgangen sind, gehören beispielsweise dazu. Jede Disziplin, die im 19. Jahrhundert entwickelt wurde, hat dieses nationale Korsett, ob nun Asien oder Europa untersucht wurde. Somit sind auch zahlreiche Quellenbestände national fokussiert. Alles was sich über nationale Grenzen hinweg bewegt, ist nicht nur viel schwieriger zu denken, sondern auch zu erforschen. Das rührt daher, dass es – hier spreche ich als Historikerin – keine nationalen Archive gibt, die explizit Grenzüberschreitungen und Verflechtungsprozesse dokumentieren. Das Konzept der Transkulturalität erschließt neues Material, für dessen Bearbeitung wir  insbesondere auch auf neuartige Informationstechnologien angewiesen sind. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass das, was wir heute tun, vor 50 Jahren so hätte umgesetzt werden können. Gerade wenn grenzüberschreitende Prozesse beleuchtet werden, sind digitale Hilfsmittel und IT-basierte Methoden zentral. Die Heidelberg Research Area bietet die nötige Infrastruktur, um verstreute oder weit voneinander entfernte Materialbestände miteinander in Verbindung zu setzen und auch jenen zugänglich zu machen, die nicht unbedingt über die entsprechenden Sprachkompetenzen verfügen.

In einem Atemzug mit der Clusterverlängerung wird auch die Gründung eines neuen Centres for Transcultural Studies (HCTS) genannt. Können Sie kurz vorstellen, worum es in dem neuen Centre gehen soll und wie es strukturiert sein wird?

Das Heidelberg Centre for Transcultural Studies ist das nachhaltige Ergebnis unseres Clusters. Angedacht ist eine institutionelle Plattform, die garantieren wird, dass die neu entwickelte Form des Arbeitens und Forschens auch in Zukunft angeboten werden kann. HCTS ist das Herzstück dessen, was man als Nachhaltigkeit bezeichnen kann. Wenn der Cluster einmal abgeschlossen ist – es handelt sich hierbei ja um ein zeitlich begrenztes Projekt – wird das HCTS bleiben und sich weiterhin der transkulturellen Forschung widmen.

Ganz praktisch gefragt, wird das Centre personell und räumlich mit dem jetzigen Cluster übereinstimmen, oder sind die Strukturen noch ganz offen?

Die Strukturen sind insofern nicht offen, als dass eine klare Zielsetzung vorhanden ist und sich das HCTS somit aus dem entwickelt, was wir hier bereits etabliert haben. Allerdings wird die Arbeit natürlich nicht in den gleichen Dimensionen stattfinden können, wie es gerade jetzt der Fall ist. Das HCTS wird weiterhin dem Prinzip der transkulturellen Forschung verpflichtet bleiben und darauf hinarbeiten, dass die verschiedenen disziplinären Bereiche miteinander interagieren, die eigentlich in der Zeit vor dem Cluster wenig miteinander in Kontakt kamen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Meine Kollegen und Kolleginnen aus der Sinologie habe ich tatsächlich erst richtig durch den Cluster kennen gelernt – das heißt erfahren über was sie forschen, womit sie sich beschäftigen – und schließlich mit ihnen zusammengearbeitet. Vorher fand man sich zusammen vor allem eher auf allgemeinen Sitzungen wieder, was natürlich weitaus weniger spannend ist als das, was wir hier nun machen können, etwa darüber nachzudenken, was europäische und chinesische Enzyklopädien verbindet.

Von der Ebene der Studenten aus gesehen ist natürlich der Master „Transcultural Studies“ von besonderem Interesse. Wird das Programm auch unter dem HCTS weitergeführt?

Der Master, der inzwischen fest an der Universität etabliert ist, hat sich aus dem Cluster entwickelt, ist aber heute ein eigenständiger, fest etablierter Studiengang, der auf jeden Fall auch unabhängig vom Cluster weiter bestehen bleiben wird. Allerdings wird Cluster/HCTS als institutionelle Basis der transkulturellen Forschung das Zentrum des Masters Transkultural Studies darstellen, zumal hier die fünf Clusterprofessuren zu finden sind, deren disziplinäre Ausrichtung ja den Kern des Masters bilden.

Vielen herzlichen Dank für das Gespräch, Frau Herren-Oesch!

Das Interview führte Silvia Faulstich

 

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Neues vom SHAN-Schulteam

Bei der Gründung von SHAN im Jahr 2006 war die Schulinitiative eines der zentralen Anliegen des Vereins. Seither bietet das Team an Schulen in der Metropolregion Rhein-Neckar Chinesisch-Unterricht, China-AGs und Projekttage an. Die Mitglieder sind fortgeschrittene Studierende, Mitarbeiter und Alumni des Instituts für Sinologie der Universität Heidelberg. Zu den Kooperationspartnern zählen neben den zahlreichen beteiligten Schulen der Fachverband Chinesisch und das Konfuzius-Institut Heidelberg. 2007 wurde das Projekt mit dem vom BMBF und dem Haus der Wissenschaft Bremen ausgelobten Preis „Geist begeistert“ ausgezeichnet und bereits 2008-2010 durch die Robert Bosch Stiftung gefördert. Für das kommende Jahr haben wir uns erneut um eine Förderung beworben. Das Schulteam plant um zum einen das Projekt qualitativ weiter zu entwickeln und um zum anderen neue Projektmitglieder auszubilden.

Im Rahmen der Neuausrichtung des Projekts wollen wir neue Lehrkräfte aufnehmen und  die Unterrichtsmaterialien weiterentwickeln. Bis zum Ende des Jahres 2013 sollen fünf neue China-Projekte mit den genannten Schwerpunkten etabliert werden. Neue Teammitglieder werden in Didaktik-Schulungen ausgebildet.

Wir freuen uns über fortgeschrittene Studierende, die sich für eine Mitarbeit im Schulteam interessieren. Ulrike Büchsel, die das Team koordiniert, beantwortet gerne eure Fragen per Mail an:

ulrike.buechsel [at] zo.uni-heidelberg.de

 

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Erzählen Sie mal... Andrea Janku!

Andrea Janku kennt das Institut für Sinologie in Heidelberg als Studentin, Promovierende ebenso wie als Mitarbeiterin. Seit 2007 lehrt sie nun an der SOAS in London. Im Interview berichtet sie von ihren Erfahrungen in China 1990, Nachhaltigkeit und Katastrophen- und Umweltgeschichte.

SHAN: Frau Janku, zu Beginn die klassische Frage: Warum Sinologie?

Dr. Andrea Janku: Im Gegensatz zu manchen Kommilitonen hatte ich das nicht lange im Voraus geplant. Das Studium begonnen habe ich im Magisterstudiengang mit den Fächern Romanistik und Germanistik. Leider musste ich dazu das Latinum nachholen. Das habe ich zwar gerade so bestanden, dennoch war ich danach auf der Suche nach einer spannenden Alternative: Also habe ich angefangen Chinesisch zu lernen und das fand ich wirklich sehr spannend! Nach einem Semester habe ich dann beschlossen, Klassische Sinologie als Hauptfach dazu zu nehmen. In meinem Jahrgang, mit Beginn Wintersemester 1987/88, waren wir am Anfang etwa 30 Studierende. Das waren die ersten Jahre des beginnenden Chinabooms. Die Mehrzahl der Sinologiestudenten konzentrierte sich auf modernes Chinesisch, was den Vorteil hatte, dass wir in den Klassikseminaren immer in kleinen Gruppen arbeiten konnten. Das hat mir gut gefallen. Ich bin dann bei der Klassischen Sinologie im Hauptfach geblieben, mit Moderner Sinologie und Soziologie im Nebenfach.

Mit klassischer Sinologie im Hauptfach haben Sie sicher viele Seminare bei Prof. Wagner besucht?

Ja, Prof. Wagner war Anfang 1987 nach Heidelberg gekommen. Vor allem für diejenigen, die schon vorher ihr Studium begonnen hatten, bedeutete das einen großen Einschnitt. Allerdings habe ich nicht so sehr die wirklich ‚klassischen‘ Klassikseminare besucht – keine buddhistischen Höllen und Yijing-Kommentare. Dazu fühlte ich mich damals nicht gut genug vorbereitet, was ich heute etwas bereue. Für mich begann alles mit den Seminaren zur späten Qing-Presse. Ich war also schon von Anfang an ein eher ‚moderner‘ Klassikstudent. Professor Wagner hatte in den neunziger Jahren zwei Forschungsgruppen geleitet, eine zur klassischen Kommentarliteratur, die andere zum Thema public sphere. Im Rahmen der letzteren ist meine Dissertation entstanden. Zu dieser Gruppe zählten unter anderen auch Barbara Mittler, Natascha Vittinghoff,  Nanny Kim und Heike Holbig, die alle auch die akademische Laufbahn eingeschlagen haben und inzwischen an  verschiedenen sinologischen Instituten in Deutschland und Europa forschen und lehren.

Toll war auch, dass sich zu diesem Zeitpunkt am Institut sehr viel in Bewegung befand. Rudolf Wagner investierte viel Energie, Zeit und auch Geld in den Aufbau der Institutsbibliothek und der EDV.

Eine ähnliche Aufbruchsstimmung haben Sie sicherlich dann auch bei Ihrem ersten Chinaaufenthalt gespürt.

Nein, leider nicht. Ich hatte geplant nach der Zwischenprüfung im Herbst 1989 nach Shanghai zu fliegen. Aber nach den Vorfällen im Juni hatte der DAAD vorerst alle Austauschprogramme auf Eis gelegt. Zum Glück für uns Studierende erwies sich das als eine kurze Zwischenphase und schon im Januar 1990 sind wir dann doch nach China gereist.

Ich hatte mich zuvor bei den Kommilitonen erkundigt, die 1986/87 in China gewesen waren und sie über das Studium, Land und Leute befragt. Was ich dann allerdings 1990 in Shanghai vorfand, entsprach so gar nicht deren Berichten von einer offenen, sich im Aufbruch befindenden Gesellschaft. Die meisten chinesischen Studierenden waren uns Ausländern gegenüber sehr zurückhaltend. Nur einige wenige versuchten gezielt Ausländer kennenzulernen, doch deren Motivation dafür war uns nicht ganz klar und – um ehrlich zu sein – manchmal etwas suspekt. In unsere Zimmer im Wohnheim der internationalen Studierenden der Huadong Shifan Daxue (East China Normal University) durften die chinesischen Studierenden nicht und auch sonst wurden sie in ihren Kontakten zu ihren ausländischen Kommilitonen genau überwacht. Einige der Lehrkräfte, die sich im Frühjahr und Sommer in der Protestbewegung engagiert hatten, befanden sich nun in einer sehr heiklen Lage, nicht nur weil sie nicht mehr unterrichten durften.

In Erinnerung geblieben ist mir insbesondere ein Erlebnis, weil es die Stimmung dieser Zeit für mich in besonderer Weise, in einer Szene, zusammenfasst. Wie die meisten Auslandsstudenten war ich in den Sommerferien im Land auf Reisen gegangen. Als ich allerdings früher als die meisten an die Uni zurückkam, konnte ich meinen Augen kaum trauen: Während meiner Abwesenheit hatte sich der Campus in ein militärisches Trainingslager verwandelt. Vor Beginn der Vorlesungen wurde den chinesischen Studierenden in der Gluthitze des Shanghaier Augusts von Ausbildern der Volksbefreiungsarmee eine militärische Grundausbildung abverlangt.

Waren viele internationale Austauschstudenten zu dieser Zeit in Shanghai?

Ja, insgesamt war ich anderthalb Jahre dort und habe in dieser Zeit viele internationale Studierende kennengelernt. Eine große Gruppe von liuxuesheng an der Huashida waren Afrikaner, die Regierungsstipendien für ihr Studium in Shanghai erhalten hatten.

Wie hat sich dann Ihr weiteres Studium in Heidelberg entwickelt?

Prof. Wagner hat zu der Zeit, als ich mein Hauptstudium begann, wie schon erwähnt, seine eigene Forschung und Lehre zum Thema Presse und popular culture ausgeweitet. Dazu hat er auch eine Reihe von Shanghaier Gastdozenten eingeladen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir Wei Shaochang, der damals schon um die siebzig war. Er war ein Experte der populären Literatur der sogenannten Mandarin Ducks and Butterflies School (yuanyang hudie pai) der in den 1950er Jahren Materialien zu dieser verpönten Literatur zusammenstellen sollte, an denen dann exemplarisch Kritik geübt wurde. Ihn konnte man fast immer lesend in der Bibliothek finden.

Schließlich habe ich in diesem Bereich auch meine Magisterarbeit und Dissertation über die Shenbao geschrieben. Später hatte ich dann das Glück, dass Joachim Gentz, der die Assistenz am Lehrstuhl für klassische Sinologie innehatte, nach Göttingen wechselte, und ich mit meiner Bewerbung auf die frei gewordene Stelle erfolgreich war. So blieb ich dann noch weitere vier Jahre in Heidelberg. 2006 bin ich dann schließlich nach London an die SOAS (School of Oriental and African Studies) gegangen.  Dort bin ich nicht in der Sinologie, sondern im History Department. Die Abteilung dort ist sehr groß und intern nach Regionen organisiert. Im Bereich Ostasien sind wir als Chinaspezialisten zu zweit, dazu kommen zwei Japanhistoriker. Eine ähnliche Anzahl von Experten ist jeweils für Südostasien, Südasien, Afrika und den Mittleren Osten zuständig, wobei die letzten drei die bei unseren Studierenden populärsten Regionen sind. Von den Mitarbeitern des SOAS kommen die allerwenigsten aus Großbritannien. Die internationale Zusammensetzung des Kollegiums und auch vor allem der postgraduate students ist einer der interessantesten und attraktivsten Aspekte der Arbeit in London.

Die Teilnehmer ihrer Veranstaltungen studieren also Geschichte im Hauptfach?

Ja, die meisten studieren eigentlich ‚nur‘ Geschichte. Deshalb können wir auch keine besonderen sprachlichen Kenntnisse, z.B. Chinesisch, erwarten. Mit wenigen Ausnahmen arbeiten die B.A. und M.A.–Studierenden hauptsächlich mit englischen Quellen und Literatur. Mein Vorgänger hatte sich z.B. auf Missionsgeschichte spezialisiert, ein Thema, dass sich verhältnismäßig gut mit englischsprachigen Quellen behandeln lässt. Spannend wird es auf dem Level der postgraduate students und insbesondere der Doktoranden, die dann für meinen Bereich in der Regel aus chinesischsprachigen Ländern kommen.

Die ersten Jahre  an der SOAS waren ziemlich arbeitsintensiv, aber auch sehr spannend. Nicht nur weil ich nicht nur chinesische, sondern auch ostasiatische Geschichte unterrichten musste, sondern weil ich in diesem neuen Kontext fast automatisch gezwungen wurde, alles immer in einem globalen Kontext zu sehen. Was ich vorher gemacht hatte, kam mir auf einmal ungeheuer sinozentrisch vor. So lassen sich viele Ansätze und Fragestellungen relativieren und in größere Zusammenhänge stellen. Es ist auch interessant zu sehen, dass in unserem History Department und wohl auch in England allgemein, glaube ich, China weniger Bedeutung zukommt als in Deutschland, und dagegen der islamischen Welt eine weitaus größere Bedeutung beigemessen wird. Das hat wohl nicht nur historische Gründe. Dennoch sehe ich mich immer noch nicht wirklich als Historikerin, sondern als historisch arbeitende Sinologin und habe natürlich auch weiterhin meinen Fokus auf China. Das kann ich am besten und dafür wurde ich ja auch eingestellt, und sowieso geht es an der SOAS, auch am History Department, in fast allen Veranstaltungen um Afrika oder Asien, oder eben globale Themen.

Welche Lehrveranstaltungen bieten Sie an?

Zunächst einmal, zusammen mit anderen Kollegen, eine Einführung in die Ostasiatische Geschichte, außerdem auf dem ‚Intermediate Level‘ einen Kurs zu „Modern China“. Für Masterstudierende biete ich neben einem Kurs zur chinesischen Geschichte auch ein Seminar zur „Geschichte der Umwelt und Globalisierung in Asien und Afrika“ an. Dabei steht die Interaktion zwischen menschlichen Gesellschaften und ihrer physischen Umgebung im Kontext globaler Prozesse seit der frühen Neuzeit im Fokus. Wie beeinflussen sich diese beiden Faktoren gegenseitig? Wie sehen historische Prozesse aus  einer ökologischen Perspektive aus? Welche Rolle spielt das Klima?

Im Bereich der Forschung über Indien hat die Auseinandersetzung mit der Umweltgeschichte eine längere Tradition. Bereits seit den 70er Jahren haben sich Wissenschaftler zum Beispiel mit den Konsequenzen der systematischen Abholzung von Wäldern zugunsten von Plantagenwirtschaft beschäftig und Fragen zu den Folgen für die indigene Bevölkerung gestellt. Sowohl diese Fragestellungen als auch die Auseinandersetzung mit umweltpolitischen Themen allgemein sind in Indien in Verbindung mit der Kolonialgeschichte zu sehen.  In China war zwar die historische Geographie schon in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts eine wichtige Disziplin, aber bis heute kämpfen Umwelthistoriker dort darum als ein legitimer und wichtiger Bereich der Geschichtswissenschaften anerkannt zu werden. Interessanterweise ist Umweltgeschichte Chinas oft eher ein Teilbereich der Wirtschaftsgeschichte, während es in Indien meistens um soziale Bewegungen geht. In jedem Fall  ist es wichtig, die Forschung in diesem Bereich und zu Fragen der Klimageschichte weiter auszubauen. Denn das gehört auch zur Entwicklung von einem Bewußtsein für Umwelt und Nachhaltigkeit.

Nachhaltigkeit ist momentan ein großes Modewort in allen Bereichen.

Ja, den Begriff kann man vielleicht am besten als einen verzweifelten Versuch, Entwicklung und die Erhaltung unserer natürlichen Lebensbedingungen in Einklang zu bringen, sehen. Dahinter steht die Entdeckung, wie abhängig wir von unserer Umwelt sind und von welcher immensen Bedeutung der Erhalt von Biodiversität und einer funktionalen physischen Umwelt ist. Dafür ein Bewußtsein zu schaffen, ist existentiell wichtig. Denn die zentralen Fragen der Zukunft stehen mit dem Verhältnis zwischen Menschen und ihrer Umwelt in Verbindung: Wie werden wir in 50 Jahren die Weltbevölkerung ernähren? Können oder wollen wir den Einsatz gentechnisch veränderter Lebensmittel vermeiden?

In diesem Zusammenhang müssen wir auch erkennen, dass man die Begriffe von Natur und Kultur nicht trennen kann. Ideengeschichtlich ist das eine rezente Entwicklung. Die Trennung ist ein modernes Phänomen und sehr kritisch zu sehen.

In welchem Zusammenhang stehen ihre Forschungsschwerpunkte zu Umwelt- und Katastrophengeschichte mit der Vortragsreihe „Imaging Disaster“?

Ich bin keine Kunsthistorikerin, habe aber im Zusammenhang mit meiner Forschung über Hungerkatastrophen im China des neunzehnten Jahrhunderts eine Reihe von Bildmaterialien gesammelt, die zu diesem Thema passen. Für mich war das eine gute Gelegenheit, diese Materialien einmal in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen.

Haben Sie zum Schluss noch einen Rat für aktuell Studierende?

Mir hat die klassische Sinologie immer sehr viel Spaß gemacht, deshalb habe ich mich dafür entschieden und bin dabei geblieben. Das rate ich auch meinen Studierenden: Sucht euch ein Thema oder einen Bereich, an dem ihr Spaß habt, und konzentriert euch darauf, denn was man mit Freude macht, macht man in der Regel gut.

Liebe Frau Janku, vielen herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Helen Hübner.

 

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Heidelberg wird europäisch - die EACS-Konferenz in Barcelona

Vor gut fünfzehn Jahren fuhren mehr als fünfzehn Heidelberger Sinolog(inn)en - Gentz, Hahn, Holbig, Janku, Kampen, Mayer, Mittler, Röllicke, Schimmelpfennig, Schweiger, Specht, ter Haar, Vittinghoff, L. und R. Wagner, Yeh - nach Barcelona. Die Gruppe nahm an der Elften Tagung (vgl. zur Geschichte der EACS) der European Association of Chinese Studies  (EACS) mit dem Titel "China and the Outer world" teil und war in der Stadt erfolgreicher als die meisten deutschen Fussballmannschaften. Etwa zehn Jahre nach Rudolf Wagners Berufung nach Heidelberg war dies der erste größere internationale Auftritt von Heidelberger Professoren, Doktoranden und Assistenten; keine andere europäische Universität war so stark vertreten. Für viele Teilnehmer war es die erste internationale Konferenz und eine gute Möglichkeit, Forschungsergebnisse vorzustellen und andere Sinologen kennenzulernen.

Die EACS wurde 1975 gegründet und tagt seit 1976 alle zwei Jahre (vgl. Chinavereine, Asiengesellschaften und ihre Publikationen im SHAN-NL Mai 2007). Für die Sinologie in Barcelona war es eine gute Gelegenheit sich in der Konkurrenz mit Madrid zu profilieren - bis heute hat es in der Hauptstadt keine ähnlich große Chinakonferenz gegeben. Das Programm von 1996 war damals im Newsletter der EACS abgedruckt und ist immer noch online (vgl. EACS-Newsletter Juli 1996). Ein Bericht über die Konferenz erschien im IIAS Newsletter (vgl. Bericht des IIAS).

Rudolf Wagner war schon vor der Konferenz Generalsekretär der EACS gewesen, in Barcelona wurde er zum Präsidenten gewählt. Acht Jahre nach der Tagung trafen sich die EACS-Mitglieder dann zum ersten Mal in Heidelberg (vgl. EACS 2004). Die Konferenz von 2004 war nicht nur die größte in der Geschichte der EACS, sondern auch bisher die größte sinologische Tagung in Europa überhaupt.

Die nächste Konferenz wird im September 2012 in Paris stattfinden. Mehr dazu auf der Website der EACS.

Dr. Thomas Kampen

 

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Zuletzt bearbeitet von: AF
Letzte Änderung: 04.12.2014
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