Ein Zwilling der Milchstraße als kosmischer Kannibale
23. Juli 2014
Forscher haben nachgewiesen, wie eine Galaxie ihren kleineren Artgenossen verschluckt
Bild: R. Jay GaBany
Die charakteristischen Sternwolken der Galaxie NGC 4651, die auch unter dem Namen „Regenschirm-Galaxie“ bekannt ist, sind Überreste einer kleineren Galaxie, die bei ihrer Annäherung an NGC 4651 die meisten ihrer Sterne verloren hat. Zu diesem Ergebnis kommt eine internationale Studie, an der auch ein Forscher der Universität Heidelberg mitgewirkt hat. Damit ist, so die Wissenschaftler, ein weiterer Beweis für die Vorstellung erbracht, dass Galaxien ihre kleineren Artgenossen verschlucken und dadurch wachsen. Veröffentlicht wurden die Untersuchungen, die auf Beobachtungen mit Teleskopen basieren, in der Fachzeitschrift „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society”.
Bild: N. Singh/UCSC
„Mit einem ferngesteuerten Teleskop in Neumexiko haben wir eine Reihe von Spiralgalaxien – unter ihnen NGC 4651 – beobachtet und dabei Anzeichen für galaktischen Kannibalismus, für ,Speisereste‘ in Form stellarer Schalen, Wolken oder Bögen gefunden“, erläutert Dr. David Martínez-Delgado vom Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH). Mit Hilfe großer Teleskope auf Hawaii gelang es Dr. Caroline Foster vom Australischen Astronomischen Observatorium schließlich, die Bewegung dieser schwach sichtbaren kosmischen „Speisereste“ genauer zu untersuchen. Dabei stellte sich heraus, dass diese Reste von einer einzigen Galaxie stammen, die NGC 4651 mehrfach umkreiste und dabei stetig Sterne verlor. „Es war sogar möglich, den Kern der ehemaligen Galaxie als kläglichen Rest dieser Mahlzeit zu identifizieren“, so Dr. Foster, die Koordinatorin des internationalen Wissenschaftler-Teams.
„Durch unsere Forschungen können wir den Ablauf der hierarchischen Galaxienbildung besser verstehen und zum Beispiel den Einfluss des kosmischen Kannibalismus auf die Spiralstruktur einer Galaxie untersuchen,“ betont Dr. Martinez-Delgado. Eine besondere Bedeutung komme dabei der Rekonstruktion der Bewegung der kleineren Galaxie zu. „Deren Sterne gingen im Gravitationsfeld von NGC 4651, die 62 Millionen Lichtjahre von unserer Milchstraße entfernt ist, verloren und ordneten sich in Form eines Regenschirms neu an. Auf diese charakteristische Struktur geht auch der Name ,Regenschirm-Galaxie‘ zurück“, sagt der Wissenschaftler vom ZAH. Die erfolgreiche Beobachtungstechnik und Analyse soll nun auch auf andere von Dr. Martinez-Delgado bereits identifizierte kosmische Kannibalen angewendet werden. Damit erhoffen sich die Wissenschaftler, weitere Bausteine zum Verständnis der Galaxienentstehung im Universum beitragen zu können.