Klimawandel: Ozeanzirkulation im Atlantik ist stabiler als gedacht
15. Dezember 2014
Internationales Forscherteam untersucht Strömung mit Auswirkung auf das Erdklima
Foto: Brisbane, CC BY-SA 3.0
Die Ozeanzirkulation im Atlantik, die einen entscheidenden Einfluss auf das Erdklima hat, ist stabiler als bislang angenommen. Das zeigen Untersuchungen eines internationalen Forscherteams, an dem Wissenschaftler der Universität Heidelberg beteiligt sind. Die Forscher analysierten die nordatlantische Tiefenwasserzirkulation der vergangenen 140.000 Jahre und konnten zeigen, dass der aktuelle atlantische „warm“-Zirkulationsmodus entgegen bisheriger Annahmen selbst während der letzten Kaltzeit der Erde bestimmend war. Nach den Worten von Dr. Evelyn Böhm vom Institut für Umweltphysik lässt dies den Rückschluss zu, dass die derzeitige Zirkulation so stabil ist, dass ihr Zusammenbruch etwa durch Schmelzwasser von verstärkt abtauendem Grönlandeis extrem unwahrscheinlich ist. Daher sei nicht mit einem plötzlichen extremen Temperatursturz in Europa zu rechnen. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht.
„Seit etwa zwei Millionen Jahren befindet sich die Erde in einem Eiszeitalter, das durch vereiste Pole gekennzeichnet ist und in dem sich langandauernde Kaltzeiten und kürzere Warmzeiten zyklisch abwechseln“, erklärt Evelyn Böhm. „Der von uns untersuchte Zeitabschnitt umfasst die letzte und das Ende der vorletzten Kaltzeit sowie die letzten beiden Warmzeiten, darunter auch das derzeitige Holozän.“ Durch die Umverteilung von Wärme und Kohlendioxid hat die Ozeanzirkulation im Atlantik, deren Muster sich innerhalb eines Kalt-Warm-Zyklus ändert, einen entscheidenden Einfluss auf das Erdklima. An der Studie waren neben Forschern des Instituts für Umweltphysik Wissenschaftler des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung der Universität Bern, des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und der ETH Zürich beteiligt.
Für ihre Untersuchungen entnahmen die Wissenschaftler Proben aus einem Sedimentbohrkern aus 4.500 Metern Meerestiefe vor den Bermudas. Mithilfe der zeitlichen Variation von Isotopenverhältnissen konnten sie die Änderungen des atlantischen Zirkulationsmusters rekonstruieren. „Diese Muster können vereinfacht in die beiden Modi ‚warm‘ und ‚kalt‘ unterteilt werden: Im ‚warm‘-Modus sinken oberflächennahe Wassermassen in nördlichen Breiten ab und bilden dann das nach Süden strömende nordatlantische Tiefenwasser. In Phasen, in denen die Zirkulation dem ‚kalt‘-Modus entspricht, erreichen die Wassermassen im Norden nur eine geringere Tiefe. Gleichzeitig dringt aus dem Süden antarktisches Bodenwasser weiter in den Norden vor“, erläutert Dr. Jörg Lippold von der Universität Bern, der zuvor an der Universität Heidelberg tätig war.
Entgegen bisheriger Annahmen der Forscher zeigte sich, dass der „warm“-Modus nicht nur in Warmzeiten, sondern auch in der letzten Kaltzeit vorherrschend war. „Wir konnten lediglich während der Höhepunkte der letzten beiden Kaltzeiten das Zirkulationsmuster des ‚kalt‘-Modus beobachten“, erklärt Dr. Marcus Gutjahr vom GEOMAR in Kiel. „Die Ergebnisse zeigen daher, dass der ‚warm‘-Modus, dem auch das heutige Zirkulationsmuster entspricht, stabiler ist als bisher angenommen“, ergänzt Gutjahrs Kollege Prof. Dr. Martin Frank. Nach Angaben der Wissenschaftler führen in diesem Zirkulationsmuster große Mengen Süßwasser durch abschmelzende Eismassen nur zu einer kurzen Abschwächung, aber nicht zu einem vollständigen Abbruch der nordatlantischen Tiefenwasserbildung. Erst als die Eismassen während der Höhepunkte der Kaltzeiten maximal ausgedehnt waren, bewirkten solche Süßwassereinträge einen Kollaps der Tiefenwasserbildung im Nordatlantik über mehrere hundert Jahre mit der Folge eines weiteren Absinkens der Durchschnittstemperaturen auf der Nordhemisphäre.
Rückschlüsse auf die Auswirkungen des von Menschen verursachten Klimawandels lassen sich laut Evelyn Böhm aus den aktuellen Ergebnissen aber nur begrenzt ziehen. „Die heutigen CO2-Emissionen bedeuten einen bis dato nie dagewesenen Eingriff in das Klimasystem, aber deren Auswirkungen waren nicht Gegenstand unserer Studie“, betont die Wissenschaftlerin.