Forschung Offene Sternhaufen leben länger als bislang angenommen
14. Januar 2019
Heidelberger Forscher untersuchen Einfluss ihrer Entstehungsbedingungen auf die Lebensdauer
Offene Sternhaufen bieten Astronomen die einzigartige Möglichkeit, Sterne vergleichbaren Alters und chemischer Zusammensetzung in derselben Entfernung zu beobachten. Dass sie eine weitaus höhere Lebensdauer haben können, als bisher angenommen, zeigt eine Studie unter der Leitung von Privatdozentin Dr. Geneviève Parmentier am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg. Mit Simulationen haben die Wissenschaftler untersucht, wie sich die Entstehungsbedingungen eines solchen Sternclusters auf seine langfristige Entwicklung auswirken. Sie deuten darauf hin, dass diese Sternhaufen bis zu einer Milliarde Jahre – und damit hundert Mal länger als bisher angenommen – existieren.
Wie Dr. Parmentier erläutert, entstehen Sterne innerhalb von Gas- und Staubwolken, in denen das vorhandene Gas unter seiner eigenen Schwerkraft kollabiert. Neu entstandene Sterne finden sich daher nahezu ausschließlich in offenen Sternhaufen, die durch die Anziehungskräfte der einzelnen Sterne und des sie umgebenden Gases zusammengehalten werden. Verschiedene Einflussfaktoren wie zum Beispiel die Sonnenwinde schwerer Sterne oder Supernovaexplosionen führen jedoch zu einem Verlust des Gases. Ab einem bestimmten Zeitpunkt reicht die abnehmende Gesamtmasse des Systems nicht mehr aus, um den Sternhaufen zusammenzuhalten, und er löst sich auf. Frühere Analysen haben gezeigt, dass Cluster innerhalb von etwa zehn Millionen Jahren sterben, wenn der Massenanteil des in Sterne umgewandelten Gases kleiner als 30 Prozent ist. „Beobachtungen zeigen aber, dass dieser Wert nur in sehr wenigen von Gas umgebenen Sternhaufen erreicht wird“, erläutert Dr. Parmentier.
Frühere Simulationen gingen davon aus, dass die elterliche Gaswolke eines Sternhaufens in ihren inneren Regionen genauso effizient Sterne bildet wie in ihren Außenbereichen. „Wir haben nun die Entwicklung von Sternclustern modelliert, in denen die Bildung neuer Sterne innerhalb der zentralen Regionen der elterlichen Gaswolken deutlich effizienter vonstatten geht als in ihren Randgebieten. Das Endprodukt dieses Prozesses ist ein entstehender Sterncluster, der in seinen inneren Regionen gasärmer ist als in seinen Außenbezirken“, sagt Dr. Parmentier. Daher hat der Verlust des Gases eine deutlich geringere Auswirkung auf den Zusammenhalt des Sternhaufens als bislang angenommen. Die Stabilität des Clusters erhöht sich deutlich.
„Unsere Simulationen haben ergeben, dass Sternhaufen den Verlust des elterlichen Gases überleben, wenn bis dahin nur rund 15 Prozent der ursprünglichen Gasmasse in Sterne umgewandelt wurde“, so Bekdaulet Shukirgaliyev, der Erstautor der Studie ist und dem Team von Dr. Parmentier angehört. „Damit steigt die durchschnittliche Lebensdauer eines solchen Sternhaufens auf einige hundert Millionen Jahre an. Sternhaufen, deren Masse 25 Prozent der ursprünglichen Gasmasse beträgt, können sogar bis zu einer Milliarde Jahren existieren.“ Dieses Ergebnis deckt sich mit Beobachtungen der ältesten offenen Sternhaufen in der Milchstraße.
Bisher haben die Wissenschaftler die Evolution von Sternhaufen untersucht, die einen ähnlichen Abstand zum Zentrum unserer Heimatgalaxis ausweisen wie unsere Sonne. In weiterführenden Studien sollen nun Cluster in der Nähe des galaktischen Zentrums sowie in den Randbezirken der Milchstraße untersucht werden. Die aktuellen Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „The Astrophysical Journal“ veröffentlicht.
Originalpublikation
B. Shukirgaliyev, G. Parmentier, A. Just, P. Berczik: The long-term evolution of star clusters formed with a centrally-peaked star-formation-efficiency profile. The Astrophysical Journal (2018): 863: 171 (13pp); doi: 10.3847/1538-4357/aad3bf