Bildung in Zeiten des Krieges
Alumni-Schule "Bildung/Erziehung und Frieden" 2007 am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Heidelberg eröffnet – Aktuelle Alumnischule bis zum 26. Februar – Die vom DAAD geförderte Veranstaltung findet in Kooperation mit der Ruhr-Universität Bochum und der Ludwig-Maximilians-Universität München statt
Ein Flugzeug mit Schülern aus einem Elite-Internat stürzt zur Zeit des Zweiten Weltkriegs über dem Pazifischen Ozean ab. Während die Erwachsenen sterben, können sich die meisten Kinder auf eine unbewohnte Insel retten. Was dann passiert, hat aber nichts mit edler Robinson-Romantik zu tun. Eine gefährliche Gruppenbildung nämlich kristallisiert sich heraus, in der die Vernünftigen schließlich in die Defensive gedrängt werden – ein Konflikt, der in Mord und Totschlag gipfelt. Am Ende brennt die ganze Insel.
Unter dem Titel "Herr der Fliegen" brachte der englische Schriftsteller William Golding 1954 seine beißende Zivilisationskritik in Romanform heraus, für die er rund dreißig Jahre später den Literaturnobelpreis erhielt – gewürdigt wurde der Stoff vor allem als Steilvorlage für die Diskussion über die Schwächen menschlicher Natur. Und auch heute noch ist das Buch hochaktuell, wie der Journalist und Wissenschaftler PD Dr. Klaus Seitz in seinem Eröffnungsvortrag der Alumnischule "Bildung/Erziehung und Frieden" am Institut für Bildungswissenschaften der Universität Heidelberg jetzt demonstrierte. Denn Goldings negative Sozialutopie nahm Seitz zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen zum Thema "Bildung und Konflikt".
Insgesamt vier Erkenntnisse zog der Redakteur der Zeitschrift "eins Entwicklungspolitik" aus dem Roman: Der Frieden ist stets gefährdet; das bessere Argument findet unter Umständen kein Gehör, wie am Beispiel der ermordeten Figur Piggy gezeigt werden kann; ein funktionierendes Steuer- und Regelungssystem ("make law not war") scheint unverzichtbar. Und, eine vierte Erkenntnis: die Bildung besitzt einen Januskopf, zugleich eine der Kernthesen von Klaus Seitz' Vortrag. Denn seiner Meinung nach lasse sich sowohl in Gegenwart wie in der Geschichte immer wieder nachweisen, dass Gewaltakteure oftmals durchaus gebildet seien.
Die alte humanistische Idee, dass Bildung per se zum Frieden beitrage, wenn nur alle Menschen in ihren Genuss kämen, könne nicht aufrechterhalten werden. Und Beispiele für eine "falsche" Bildung oder eine verfehlte Politik gibt es genug: man denke nur an Manipulationen des Geschichtsbildes oder die Vermittlung von Feindbildern im Unterricht, schließlich auch an die Perspektivlosigkeit im Hinblick auf den Arbeitsmarkt nach einer erfolgreich absolvierten Schulausbildung.
Chancen und Grenzen einer Erziehung zum Frieden wurden durch den Eröffnungsvortrag von Klaus Seitz somit schon klar umrissen. Noch bis zum 26. Februar bietet die Alumni-Schule an der Ruprecht-Karls-Universität nun ihren Teilnehmern aus Entwicklungsländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas die Möglichkeit, diese Diskussion zu vertiefen. Dazu werden einzelne Module zu den Themen "Bildung/Erziehung und Frieden", "Menschenrechtserziehung als Beitrag zur Bildung für nachhaltige Entwicklung" und "Beitrag beruflicher Aus- und Weiterbildung zur Friedenssicherung" angeboten.
Experten aus der deutschen Entwicklungszusammenarbeit von der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) und dem Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung (GEI) werden aus der Praxis berichten. Schließlich sollen Fallstudien zum Thema erstellt werden, die beim anschließenden Aufenthalt der Teilnehmer anlässlich der Didacta 2007 in Köln (vom 26. Februar bis zum 3. März) und innerhalb des Alumnikongresses des DAAD vorgestellt werden.
Die Veranstaltung in Heidelberg gehört zum DAAD-Alumniprogramm für die deutschen Hochschulen zur Nachbetreuung von ehemaligen Studierenden aus Entwicklungsländern. Es dient dem Aufbau eines Netzwerks von Experten und Praktikern aus solchen Ländern, die bisher noch nicht durch vorherige Seminare und Weiterbildungen innerhalb der Hochschulzusammenarbeit angesprochen werden konnten. Veranstalter der diesjährigen Alumnischule ist das Institut für Bildungswissenschaft an der Universität Heidelberg, vertreten durch Prof. Dr. Volker Lenhart, Reinhard Mitschke und Dipl. Psych. Simone Braun, in Kooperation mit der Ruhr-Universität Bochum (Prof. Dr. Christel Adick, Katrin Seifer M. A.) und der Ludwig-Maximilians-Universität München (Prof. Dr. Rudolf Tippelt, Dr. Aiga von Hippel).
Kontakt:
Reinhard Mitschke
Koordinator der Alumnischule
Institut für Bildungswissenschaft der Universität Heidelberg
Akademiestraße 3, 69117 Heidelberg
Tel. 06221 547520
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