Tempel und ihre Besucher
Wissenschaftler des Interdisziplinären Zentrums für Wissenschaftliches Rechnen der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg rekonstruieren schwer beschädigte Tempel im kambodschanischen Angkor – Simulation von Besucherströmen, um die Tempel bestmöglich zugängig zu machen
Mit der Rekonstruktion alter, verfallener Tempel ist die Arbeit oftmals nicht getan, schließlich sollen die kulturellen Schätze in geeigneter Weise auch der Öffentlichkeit zugängig gemacht werden. So wie in den kambodschanischen Tempelanlagen von Angkor, die seit mehreren Jahrzehnten von verschiedensten Arbeitsgruppen restauriert werden. Eine Gruppe von Studenten des Interdisziplinären Zentrums für wissenschaftliches Rechnen (IWR) der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg um Professor Hans Georg Bock beschäftigt sich dabei mit der Rekonstruktion der teilweise schwer beschädigten Tempel. Hierbei arbeiten sie mit Architekturstudenten der Royal University of Fine Arts and Architecture (RUFA) in Phnom Penh zusammen, um einzelne Tempel nicht nur am Computer neu erstehen zu lassen.
"Woran sind die Besucher von Angkor interessiert?", fragt sich Dr. Michael Winckler, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, einen Teil von Angkor, nämlich die Tempelanlage Preah Khan, in deren zu erneuerndem Besucherzentrum den Touristen näher zu bringen. Dafür ist es sicherlich notwendig einen Überblick über den gesamten Tempel, dessen Name so viel bedeutet wie Großes Schwert, zu geben. Gleichzeitig möchten die Besucher vielleicht einzelne Details wie etwa die zahlreichen Verzierungen an den Mauern kennen lernen und schließlich soll alles so eindrucksvoll präsentiert werden, dass man zu Hause etwas zu erzählen hat. Keine leichte Aufgabe und deshalb ar
beiten die Heidelberger Wissenschaftler bei diesem Projekt mit dem World Monument Fund zusammen, der vor allem für die Finanzierung des Projektes sorgt.Eine Aufgabe der Heidelberger Wissenschaftler wird es sein, ein Modell von Preah Khan zu erstellen und zwar ein Gipsmodell, das den heutigen Zustand der noch erhaltenen Tempel wiedergibt. Das Gipsmodell wird aber keineswegs mit der Hand angefertigt, sondern maschinell und hierzu werden die Daten aus dem Rechner benötigt. Die Maschine trägt dann Schicht für Schicht Gips auf und erreicht dabei eine Genauigkeit von einem Zehntel Millimeter, so dass selbst feinere Strukturen in dem Modell im Maßstab 1 zu 120 sichtbar werden. Wichtig ist dieses Modell, da nur Teile des Tempels überhaupt begehbar sind und der Besucher zwischen den aufragenden Tempelruinen keinen Gesamteindruck des Bauwerks bekommen kann.
Das Erstellen eines Gipsmodells ist natürlich keineswegs eine Aufgabe, wofür die Wissenschaftler des IWR notwendig wären. Doch die Problematik liegt hier im wahrsten Sinne im Detail. Die Gebäude des Preah Khan sind nämlich derart komplex aufgebaut, beispielsweise mit feinsten Verzierungen an den Wänden, dass dieser Detailreichtum die Rechenleistung eines Computers schnell übersteigen würde. Folglich wäre das Betrachten einer 3-dimensionalen Darstellung der Tempelanlage am Bildschirm in Echtzeit nicht möglich, sondern es würde wohl einige Minuten benötigen, wollte man sich den Tempel aus einer neuen Blickrichtung am Computer anschauen.
"Deshalb arbeiten wir an einem Programm, das je nach gewähltem Maßstab eine feinere oder gröbere Auflösung wählt", erläutert Michael Winckler. So ist es bei einer Übersichtsdarstellung natürlich nicht notwendig auch das kleinste Detail zu berücksichtigen, denn das erscheint möglicherweise gar nicht auf dem Bildschirm, wird aber vom Computer mit berechnet. Als Entscheidungskriterium, ob eine Verzierung an einer Säule weggelassen werden kann, dient dabei, wie viele Pixel sich verändern, wenn das Detail nicht mehr berücksichtigt wird. Verändern sich nur wenige Pixel, so kann das Detail entfernt werden. Wird das Bild dagegen vergrößert, so müssen die Details gegebenenfalls wieder erscheinen. Auch für das Gipsmodell ist diese Arbeit sehr wichtig, denn bei der sehr feinen Auflösung von einem Zehntel Millimeter, lässt sich zwar noch sehr vieles detailgenau darstellen, doch für den Betrachter mag dies eher verwirrend sein.
Eine weitere Aufgabe der Wissenschaftler am IWR wird das Lenken von Besucherströmen sein. So sitzt beispielsweise der Tempel Phnom Bakheng auf einem Hügel, von dem aus ein herrlicher Sonnenuntergang zu beobachten ist. Daher drängeln sich in den Abendstunden mehrere tausend Touristen auf den zwei schmalen Zugangswegen, mit den entsprechenden Problemen bei gleichzeitigem Hin- und Rückweg. Lässt sich das Besucherverhalten beispielsweise durch das Errichten eines Informationszentrums so lenken, dass einer der beiden Wege vorwiegend als Hin-, der andere dagegen als Rückweg benutzt wird? Hierzu erstellen die kambodschanischen Studenten die Geländemodelle, die Simulation wird dann in Heidelberg gemacht.
Diese Art der Arbeitsteilung beruht vor allem auf der bisher sehr ungenügenden technischen Ausstattung der kambodschanischen Universitäten. So wäre ohne die Unterstützung durch die Gottlieb-Daimler- und Carl-Benz-Stiftung in Ladenburg selbst die Internetanbindung der RUFA nicht möglich gewesen, was für die gemeinsamen Projekte jedoch unentbehrlich ist. Die Aktivitäten des IWR in Südostasien sind aber sehr vielfältig und so ist allmählich ein Netzwerk mit Universitäten aus Vietnam, Laos, Myanmar und Kambodscha entstanden, wodurch die kambodschanischen Studenten wohl in Zukunft beispielsweise die Computer an der Universität von Hanoi mitbenutzen können.
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