"Vor allem der spirit hat sich an der Universität Heidelberg geändert"
Rektor Prof. Dr. Peter Hommelhoff und Prorektor Prof. Dr. Jochen Tröger über die Umsetzung von Strategieprojekten und den aktuellen Exzellenzwettbewerb
Als "Regierungsprogramm" für die zweite Hälfte des Rektorats Hommelhoff kann das Strategiepapier der Universität Heidelberg verstanden werden. Der Unispiegel, Zeitung der Ruprecht-Karls-Universität, führt Hintergrundgespräche zur Umsetzung des Strategiepapiers mit den verantwortlichen Mitgliedern des Rektorats in seiner soeben erschienenen und zukünftigen Ausgaben. Den Auftakt bildet ein Interview mit Rektor Professor Peter Hommelhoff und Professor Jochen Tröger, Prorektor für die Bereiche Forschung und Medizin. Thema ist vor allem das gute Abschneiden bei der Vorentscheidung in der zweiten Runde des Exzellenzwettbewerbs.
Mit dem Jahreswechsel wurde zugleich die letzte Phase in der Umsetzung des Strategiepapiers eingeläutet. Wie lautet das Zwischenfazit dieses umfassenden und ehrgeizigen Umgestaltungsprogramms? Was hat sich an der Universität Heidelberg seitdem verändert?
Hommelhoff: Beschrieben haben wir die Ruperto Carola als klassische und forschungsorientierte Volluniversität mit starken Vernetzungen sowohl innerhalb der Universität als auch mit den außeruniversitären Forschungseinrichtungen vor Ort. Das ist unser Markenzeichen, das im Strategiepapier ausgeführt wird. Und es ist das Heidelberger Markenzeichen im Exzellenzwettbewerb. Neben der Umsetzung einer Reihe von Einzelprojekten hat sich vor allem der spirit an der Universität Heidelberg verändert, die Bereitschaft, sich noch stärker dem internationalen Wettbewerb zu stellen. Die Bereitschaft auch, Unbequemlichkeiten bei der Umstrukturierung in Kauf zu nehmen und dabei zugleich aktiv mitzuwirken. Ich habe das Gefühl, dass diese Universität das bottom-up-Prinzip jetzt zum ersten Mal richtig in den Griff bekommen hat. Die erfolgreiche Strategieumsetzung lässt sich auch extern belegen: Nach den letzten Wissenschaftsrankings liegt die Ruperto Carola ganz vorne – national wie international.
Tröger: Hinzu kommt, dass insbesondere die Bereitschaft, über den Neckar zu denken, sehr viel größer geworden ist. Da gibt es inzwischen sehr erfreuliche Kooperationen zwischen Geistes- und Kulturwissenschaftlern und den Natur- und Lebenswissenschaftlern. Unsere Kooperationen haben sich aber auch mit externen Partnern intensiviert, mit der Industrie zum Beispiel. Prominentes Beispiel hierfür ist das Katalyselabor CaRLa, ein Gemeinschaftsprojekt von Universität und der BASF. Schließlich haben wir uns dafür eingesetzt, die Bedingungen, unter denen Forscher tätig sein können, zu verbessern. Dazu zählen Angebote der Kinderbetreuung ebenso wie unser Projekt FRONTIER, mit dem Forschungsansätze jenseits wissenschaftlicher Mainstreams gefördert werden sollen.
Zu den Schwerpunkten, auf den Sie sich, Herr Rektor, speziell konzentrieren, gehört die Förderung junger Wissenschaftler. Was lässt sich zu diesem Bereich sagen?
Hommelhoff: Das Wesentliche sind die Senatsempfehlungen zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Aufbauend auf dem Generalkonzept der Bundes- und der Landesregierung – also beispielsweise der Forderung nach einer früheren Berufung in ein professorales Amt oder der Autonomie für den qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchs – haben wir entsprechende Leitlinien entwickelt. Hierzu zählt, dass wir die drei Karrierewege – also des Habilitanden, des Juniorprofessors und, ein Spezifikum von Universitäten vom Zuschnitt Heidelbergs, der Nachwuchsgruppenleitung –, dass wir diese drei Wege so ausgestaltet haben, dass sie zur freien Auswahl den Fakultäten und den Nachwuchswissenschaftlern zur Verfügung stehen.
Und wie klappt die Umsetzung?
Hommelhoff: Schwierigkeiten haben wir derzeit noch, die Fakultäten dafür zu begeistern, Juniorprofessoren einzusetzen. Da kommen wir nur mühsam voran. Es müsste viel stärker begriffen werden, dass in dieser Figur des Juniorprofessors auch eine Chance liegt. Ich bin ein bisschen erstaunt darüber, dass Kolleginnen und Kollegen, bei denen ja eigentlich das Neue, der Reiz des Unbekannten die Arbeit beflügelt, nicht einfach sagen: "Mensch, lass' uns das mal ausprobieren". Wir haben zum anderen die Aufgabe, sehr sorgfältig darauf zu achten, ob die qualitativen Verbesserungen, die wir für die Habilitation vorgesehen haben, auch tatsächlich umgesetzt werden. Die Habilitationsordnungen an der Universität sind zwar inzwischen an den Senatsempfehlungen ausgerichtet. Aber jetzt kommt es darauf an, dass dieses Regelwerk – in der Bundesrepublik wohl einzigartig – tatsächlich auch gelebt wird.
Ein erfolgreiches Abschneiden bei der Exzellenzinitiative wird als das strategische Ziel Nr. 1 bezeichnet. Nun war die Vorentscheidung in der zweiten Runde ja sehr verheißungsvoll für die Ruperto Carola. Wie beurteilen Sie dieses Ergebnis?
Hommelhoff: Zunächst zur ersten und zweiten Förderlinie: Hier ist es uns gelungen, die bisher schon starken Bereiche in diesem Wettbewerb erneut zu positionieren, indem wir weitere lebens- und naturwissenschaftliche Graduiertenschulen und Cluster ins Antragsverfahren bringen konnten. Aber daneben, und das freut uns ganz besonders, konnten wir nun auch einen Cluster aus den Geisteswissenschaften in den Wettbewerb einführen. Was die dritte Förderlinie angeht, also das Zukunftskonzept, so sehen wir in der Zulassung zum Antrag eine hoch erfreuliche Antwort auf unser Bestreben, die ganze Universität und auch das außerhalb der Universität zur Verfügung stehende Beratungspotential zu aktivieren.
In der ersten Runde hatte dieses Zukunftskonzept allerdings noch keinen ausreichenden Anklang gefunden. Was genau wurde kritisiert?
Tröger: Ein ganz zentraler Kritikpunkt war die Medizin. Wir haben in der ersten Runde kein den Wissenschaftsrat überzeugendes Konzept angeboten, wie wir die Medizin am Standort Mannheim und die Medizin am Standort Heidelberg zusammenführen wollen. Das Problem in diesem Bereich besteht allerdings darin, dass hier Akteure, etwa auf politischer Ebene, beteiligt sind, die wir nicht oder nur schwer beeinflussen können. Deshalb ist die angestrebte Zusammenführung der beiden Fakultäten eine so schwierige Sache. Und wird eine schwierige Sache bleiben. Kritisch angemerkt worden ist außerdem, dass wir in den Geistes- und Kulturwissenschaften angeblich nicht in allen Bereichen entsprechend stark aufgestellt seien. Erwähnt wurden hier insbesondere die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Hier möchten wir widersprechen. Die Politologie ist ganz hervorragend in Heidelberg. Zu Recht hat das Votum des Wissenschaftsrats hier zu heftigen Reaktionen geführt. Die Wirtschaftswissenschaften wiederum befinden sich gerade im Umbruch. Offensichtlich ist es aber noch nicht gelungen, unser neues Konzept der "Politischen Ökonomie" zu verdeutlichen, das modern und einzigartig in Deutschland ist. Da es jetzt erst implementiert wird, mag es in seiner Wirkung noch eingeschränkt sein. Wir sind aber der festen Überzeugung, dass es das richtige Konzept ist, das diese Universität braucht in einer Distanz von 18 Kilometern zur Universität Mannheim mit ihrem starken wirtschaftswissenschaftlichen Profil. Hier müssen wir also noch deutlicher und noch besser formulieren.
Hommelhoff: Vielleicht noch ein Punkt. Uns ist entgegengehalten worden, Heidelberg habe für den Einsatz der Mittel die Felder nicht ausreichend benannt. Angespielt wird hier auf den von uns propagierten internen Wettbewerb. Dieser ist geboren aus der Idee der Autonomie, auch im finanziellen Bereich. Und für Universitäten, an denen wir uns immer ausrichten, nämlich denen in den Vereinigten Staaten, ist eine solche Philosophie die einzig akzeptable. Die Ruperto Carola hat doch eigentlich nachgewiesen, dass sie die Instrumente besitzt, solche Mittel autonom und dennoch mit guten Erfolgen zu verteilen. Mit diesem sehr forschen Grundkonzept konnten wir aber nicht punkten. Also haben wir im neuen Antrag einige Felder beschrieben, wo wir das Geld ganz konkret einsetzen wollen.
Und die wären?
Tröger: Ganz generell sollen bei der Verteilung der Mittel die Dimensionen und Strukturen geisteswissenschaftlicher Forschung stärker berücksichtigt werden, das heißt der Individualforschung oder Forschung in kleineren Gruppen. Wir wollen einen gewissen Ausgleich schaffen, um die Geistes- und Kulturwissenschaften zu stärken, die in der ersten und zweiten Förderlinie auch aus formalen Gründen eine geringere Unterstützung erfahren haben. Das dient nicht zuletzt dazu, unser Profil als klassischer Volluniversität zu stärken.
Blickt man auf die Ausbeute bei der Vorentscheidung, auch im Vergleich zu anderen Wettbewerbern und gegenüber der ersten Runde, scheinen die Chancen für ein erfolgreiches Abschneiden ja sehr gut zu sein?
Hommelhoff: Mit sieben Projekten noch im Rennen zu sein, ist natürlich wunderbar. Aber wir müssen eines klar sehen: Das fordert von der Universität noch ungeheure Anstrengungen. Denn während wir uns im Augenblick auf die dritte Förderlinie konzentrieren, müssen auch die anderen Projekte vorangebracht werden. Ich habe den Eindruck, dass eine breite Aufbruchstimmung da ist. Es gibt fast keinen Bereich, der sich hier nicht engagiert. Und so erhoffe ich mir doch, dass wir am 13. April mit sieben Anträgen ins Rennen gehen, die alle eine große Erfolgschance haben. Zurücklehnen können wir uns nicht, gerade in dieser zweiten Runde ist die Konkurrenz außerordentlich stark.
Ist der 19. Oktober 2007, also die Bekanntgabe des endgültigen Ergebnisses des Exzellenzwettbewerbs, das wichtigste Datum für die Universität Heidelberg in diesem Jahr, vielleicht sogar das wichtigste Datum der letzten Jahre?
Tröger: Das Datum ist zweifellos wichtig. Ich bin übrigens fest davon überzeugt, dass wir erfolgreich sein werden. Aber wir haben von Anfang an gesagt, wir wollen das, was man plakativ unter dem Begriff Volluniversität versteht, für Heidelberg halten. Und es war nicht immer klar, ob das eventuell ein K.o.-Kriterium wird. Denn wir hatten zumindest in der ersten Runde und davor schon immer mit der Situation zu kämpfen, dass wir nach Fokussierung gefragt wurden, nach Zuspitzung. "Warum macht Ihr nicht eine Lebenswissenschaft mit einem kleinen Rest drin? Dann seid Ihr die Besten", hieß es da schon mal. Dieser Punkt war durchzustehen und ist durchgestanden worden. Und es gibt niemanden an der Universität, zumindest von denen, die sich öffentlich äußern und die in den Gremien mitarbeiten, die dieses Ziel nicht mittragen.
Natürlich wird der 19. Oktober ein entscheidendes Datum werden, wenn es so geht, wie wir uns das vorstellen. Dann sind wir im internationalen Wettbewerb ein sehr großes Stück vorangekommen, allein durch den Prestigegewinn. Und diesen Schritt nach vorne werden wir dann durch entsprechende Einzelaktivitäten zu unterlegen haben. Wenn wir das aber nicht schaffen, dann wird für diese Universität eine vollkommen neue Strategie zu entwickeln sein.
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