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Ein faszinierender Bastard

4. September 2007

Die Oper lebt: Ein Kompendium zur Geschichte des Musiktheaters herausgegeben von der Heidelberger Musikforscherin Silke Leopold


Gerade erst wurde mancherorts ihr 400. Geburtstag gefeiert, und zwar am 24. Februar 2007. Die Rede ist von dem "faszinierenden Bastard aus Text und Musik, dramatischer Aktion und sängerischen Spitzenleistungen, Vokal- und Instrumentalmusik" (Silke Leopold), dem "unmöglichen Kunstwerk" (Oskar Bie) oder schlicht der Oper. Und das liegt daran, dass sich die 400-Jährige permanent verjüngt. Immer noch werden neue Stücke komponiert, werden die alten von jungen Regisseuren in Szene gesetzt, werden alte Partituren neu interpretiert. Nur das Publikum reagiert wie eh und je: mit Zu- oder Abneigung.

Doch ob der Tod der Oper bevorsteht, wie René Kollo einmal vermutet hat, die Opernhäuser in die Luft gesprengt werden, was Pierre Boulez nicht ernsthaft vorschlug, oder der Theaterbetrieb von kurzsichtigen Politikern kaputt gespart wird bzw. marode Häuser kurzfristig geschlossen werden: Die Oper lebt.

Ausführliche Informationen zu den wichtigsten Werken, Komponisten und Gattungsphänomenen bietet jetzt eine vierbändige "Geschichte der Oper", die von der Heidelberger Musikwissenschaftlerin Silke Leopold herausgegeben worden ist. Die einzelnen Bände sind zwar alle bereits als "Handbuch der musikalischen Gattungen" erschienen, doch wurden sie für die Neuausgabe korrigiert und erweitert und sind jetzt zum käuferfreundlichen Preis zu haben.

Die vier Bände wenden sich jedoch nicht an den gemeinen Operngänger. Ohne musikalische Vorkenntnisse sind sie, obwohl durchaus leserfreundlich geschrieben, nicht zu goutieren. Ob Schulkenntnisse reichen, hängt von der Qualität des Unterrichts ab. Mit den musikalischen Grundbegriffen sollte man vertraut sein, Noten sollte man lesen können.

Die Bände, im Umfang zwischen 400 und 550 Seiten stark, widmen sich je einem Jahrhundert der Operngeschichte. Ginge es nach Aufführungszahlen, müssten allerdings die Opern des 19. Jahrhunderts den größten Raum beanspruchen. Die Werke Rossinis und Donizettis, Beethovens "Fidelio" und Webers "Freischütz" aus der ersten, Wagners Musikdramen und Verdis Opern aus der zweiten Hälfte dominieren die Spielpläne. Doch ging es auch den Autoren des dritten Bandes nicht darum, Oper für Oper abzuhandeln und damit eine Art Opernführer für Fortgeschrittene zu schreiben, sondern die Werke "einer Epoche in ihrem gattungsgeschichtlichen Zusammenhang zu begreifen".

Dabei werden all jene Faktoren berücksichtigt, an denen sich eine Geschichtlichkeit ablesen lässt: kulturelle Stellung, institutionelle Verankerung, Librettistik, Komposition, Gesang etc., dazu gehört auch, dass gescheiterte Projekte – Opern, die heute kaum noch jemand kennt (Louis Spohrs "Jessonda" oder Webers "Euryanthe") ebenso analysiert werden wie die nur früher beliebten Spielopern eines Lortzing oder Nicolai.

Die Opern Händels, Glucks und Mozarts stehen prototypisch für den italienischen, französischen und deutschen Gattungsbereich, doch spielte sich die Operngeschichte des 18. Jahrhunderts. wesentlich im Spannungsgefüge von italienischer und französischer Ausformung ab. So bezeichnen die Autoren des zweiten Bandes die Geschichte der Oper im behandelten Zeitraum als Gang auf zwei Wegen, die zeitweise deutlich voneinander getrennt waren, sich aber mehrfach kreuzten. Eine noch unbedeutendere Rolle als im 18. spielte die deutsche Oper nur noch im 17. Jahrhundert, weshalb ihr die Autorin des ersten Bandes, gleichzeitig die Herausgeberin dieser "Geschichte der Oper", zurecht nur magere 17 Seiten widmet.

Am schwierigsten war die Aufgabe, gattungsspezifische Konstanten herauszuarbeiten, für die Autoren des Bandes zum 20. Jahrhundert, doch lassen sich auch für dieses Erscheinungsformen der Oper ausmachen, wie etwa die Literaturoper, die man über den gesamten Betrachtungszeitraum hindurch verfolgen kann.

Neben Silke Leopold haben einige der bedeutendsten Opernforscher an den vier Bänden, die mit ausführlichen Literaturhinweisen sowie einem Namens- und Werkregister ausgestattet sind, mitgearbeitet, darunter Jens Malte Fischer und Sieghart Döhring. Doch gerade die große Zahl an Autoren, insgesamt sind es 19, verhindert einen verengten Blick auf das zu untersuchende Objekt.
Bernd Zegowitz
© Rhein-Neckar-Zeitung

Info: Geschichte der Oper, 4 Bde., hrsg. von Silke Leopold, Laaber Verlag Laaber, 1845 S., bis Jahresende 148 Euro.

Rückfragen bitte an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
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Irene Thewalt
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