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Lässt sich Qualität messen?

7. September 2007

Prorektor Prof. Dr. Peter Comba: "Zahlen und Statistiken können nur eine Basis für Entscheidungen sein – ebenso bedeutend ist das Gespräch mit Kollegen und Studenten" – Prorektor für Entscheidungssysteme beschreibt Fortschritte des Qualitätsmanagements an der Universität Heidelberg


"Lässt sich Qualität messen?", fragt der Heidelberger Prorektor für Entscheidungssysteme, Prof. Dr. Peter Comba, in einem Meinungsbeitrag des soeben erschienenen Forschungsmagazins "Ruperto Carola 2/2007". Comba beschreibt in dem Text die Fortschritte des Qualitätsmanagements an der Universität Heidelberg und geht auch auf kritische Fragen ein. Ein Fazit: "Zahlen und Statistiken können nur eine Basis für Entscheidungen sein – ebenso bedeutend ist das Gespräch mit Kollegen und Studenten". Hier der Text im vollen Wortlaut.

"Evaluierung, Ranking, Rating, Stärke-Schwächeanalysen, Budgetierung – wir meinen damit immer das Gleiche, das Messen von Qualität. Qualität der Lehre, Qualität der Forschung, Qualität des wissenschaftlichen Nachwuchses. Wir brauchen Indikatoren, um die Bedeutung der Universität Heidelberg mit der von Mannheim, Tübingen, München, Paderborn, Oxford, Bologna und Stanford zu vergleichen. Und wir brauchen sie auch, um die Heidelberger Physik im Vergleich mit der Geographie, der Assyriologie, der Chemie und der Psychologie zu analysieren. Zur Hochschulautonomie gehört ein eigenes Qualitätsmanagement. Auch die leistungs- und bedarfsorientierte Vergabe beschränkter Ressourcen und die Notwendigkeit zu Strukturentscheidungen, die es uns ermöglichen, international auf hohem Niveau erfolgreich zu sein, verlangen nach Leistungsindikatoren. Zahlen sind gefragt, die der Leitung einer Universität zeigen können, wo die Universität stark ist, wo Geld gut angelegt ist, wo sich zusätzliche Investitionen lohnen. Zahlen auch, die Strukturentscheidungen und Entscheidungen zur Mittelvergabe transparent machen.

Ein solches Qualitätsmanagement sollte eigentlich zu befürworten sein. Warum gibt es dennoch nur wenige unter uns, die einer Evaluierung des eigenen Wirkungsbereiches mit Freude entgegensehen? Weil man sich nicht gern in die Karten schauen lässt, vor allem dann nicht, wenn die Ressourcen knapp sind. Weil jede Begutachtung Zeit kostet – Zeit und Ruhe gehören zu den wichtigsten und immer knapper werdenden Ressourcen eines erfolgreichen Wissenschaftlers. Und schließlich, weil man sich nicht sicher ist, ob Qualität in Forschung und Lehre überhaupt sinnvoll gemessen werden kann. Ich will mich hier auf die letzten zwei, die objektiven Bedenken, konzentrieren.

Mit Leistungsindikatoren in Forschung und Lehre haben wir in Heidelberg im "Impulse-Projekt" seit 2002 Erfolge erzielt und Erfahrungen gemacht – auch die Erfahrung, dass wir nicht nur den Drittmittel-Input, sondern auch die damit erbrachten Forschungsleistungen quantifizieren müssten. Dass die Drittmittelgeber (beispielsweise die DFG) dies in der Begutachtung der Anträge schon tun, ist ein wichtiges, aber kein ausreichendes Argument. In den Natur- und Lebenswissenschaften gibt es mit den Citationsindices und Impaktfaktoren Instrumente, die es erlauben, die wissenschaftliche Sichtbarkeit, die Qualität und das Renommee von Forschern zu quantifizieren. Ob diese Instrumente auch die Kreativität von Wissenschaftlern und ihre langfristige Bedeutung für die Wissenschaft ausreichend zu beurteilen vermögen, ist eine andere Frage. Wichtig ist, dass es diese Indikatoren erlauben, eine objektive Rangfolge in einem Fach vorzunehmen, und dass sie es möglich machen, beispielsweise die heutige Heidelberger Biologie mit der Biologie in Freiburg, Köln und Berlin, mit der in Berkeley, Cambridge und Genf zu vergleichen.

Mit anderen Indikatoren sollte dies auch für die Forschung in den Geisteswissenschaften gelingen, ebenso für die Internationalität, die Interdisziplinarität und die Qualität der Lehre, universitätsweit. Wichtige Grundlagen könnten Lehrevaluationen, Umfragen unter Alumni, eine verbesserte und vollständige Dozentenbibliographie und eine ebensolche Forschungsdatenbank sein. Ansätze in jedem dieser Bereiche gibt es. Bis sie umgesetzt werden können, ist noch viel Arbeit und Raum für fruchtbare Diskussionen mit Vertretern dieser und anderer Universitäten erforderlich.

Wir müssen immer mehr Zeit darauf verwenden, unsere Arbeit zu analysieren, und haben immer weniger Zeit für die Arbeit selbst – das Qualitätsmanagement in Forschung und Lehre verhindert geradezu die Erhöhung der Qualität. Diesen Einwand können wir entkräften, wenn wir für möglichst viele Analysen die gleichen Datensätze und die gleichen Leistungsindikatoren verwenden. Genau das ist unser Ziel: Für die Budgetierung der Institute, für Berufungen und Gehaltsverhandlungen mit W3-Professoren, für die Begutachtung von Sonderforschungsbereichen, Landes- und Bundesevaluationen ganzer Fächer, für das Qualitätsmanagement der Exzellenzcluster und der Graduiertenschulen. Ein Institut besteht aus einer Gruppe von Professoren, ein Sonderforschungsbereich und ein Exzellenzcluster aus anderen Gruppen – die Leistungsindikatoren müssen also personenaufgelöst sein, und für Gruppen muss man Summen bilden und Durchschnittswerte berechnen.

Für ein Qualitätsmanagement müssen die Daten zudem zeitaufgelöst sein: Es muss möglich sein zu verfolgen, wie sich Investitionen auswirken, wie sich ein Wissenschaftler entwickelt oder ein wissenschaftliches Netzwerk wächst oder wie sich Maßnahmen in der Lehre auf die Qualität der Ausbildung auswirken. Und noch etwas ist wichtig: Das System darf nicht kompliziert sein, es muss sich auf wenige Leistungsindikatoren konzentrieren. Kurz: Es muss einfach, kostengünstig und transparent sein.

Auch das ist unser Ziel. Wir brauchen den Mut zur Lücke, was nicht einfach gemessen werden kann, messen wir nicht. Korrekt und ideal wird ein Qualitätsmanagementsystem nie sein. Gerecht ist es nur dann, wenn die Daten besonnen betrachtet und verwendet werden. Zahlen und Statistiken können nur die Basis für Entscheidungen sein. Peer-Reviews – dort wo nötig, sinnvoll und machbar – , vor allem aber das Gespräch mit Kollegen und Studenten muss und wird weiterhin von Bedeutung sein.

Unsere Geldgeber, die Politik und die Gesellschaft verlangen von uns ein Qualitätsmanagement, Rankings in Zeitschriften bestimmen unsere Zukunft mit, sie bestimmen, ob unsere Qualität durch zusätzliche Ressourcen, hoch motivierte Studenten und Wissenschaftler verbessert wird. Dies allein ist nicht der Antrieb, mich für ein Qualitätsmanagementsystem der Universität Heidelberg zu engagieren. Ich sehe darin eine Notwendigkeit und eine Chance – für die Wissenschaftler und für die Universität. Darum arbeite ich mit Freude und Überzeugung daran. Ich freue mich darauf, unsere Ideen mit den Mitgliedern der Universität zu diskutieren und in den nächsten Wochen einem Nachfolger zu übergeben, der mit neuen und vielleicht anderen, besseren Ideen das Projekt aufgreifen und auf seine Art weiterführen kann" (Comba).

Kontakt:
peter.comba@aci.uni-heidelberg.de

Rückfragen von Journalisten auch an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
Tel. 06221 542310, Fax 542317
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