Wegweiser durch Wirkstoffe und Hersteller
Wird ein Patient ins Krankenhaus aufgenommen, stehen häufig nicht dieselben Medikamente zur Verfügung, die er bisher eingenommen hat. Doch welche Medikamente kommen als Ersatz in Frage? Was ist bei der Umstellung zu beachten?
Ein wirksames Instrument, Fehler bei der Medikationsumstellung zu vermeiden, hat ein Team aus der Apotheke des Universitätsklinikums und der Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg entwickelt und dafür am 30. Mai 2008 den Innovationspreis der Sanofi-Aventis Deutschland GmbH für Klinische Pharmazie erhalten.
Diese „Kooperationseinheit Klinische Pharmazie“ aus Apotheke und klinischen Pharmakologen hat es ermöglicht, dass die Arzneimitteltherapie an den Schnittstellen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung optimiert werden kann. Das neue Programm ist in das mehrfach ausgezeichnete Arzneimittel-Informationssystem AiDKlinik integriert.
Der Innovationspreis, der bei der Jahrestagung des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) am 30. Mai 2008 in Lübeck zum sechsten Mal vergeben wurde, ist mit 10.000 Euro dotiert. Die Auszeichnung unterstützt Projekte für eine verbesserte, patientenorientierte Arzneimittelversorgung und geht 2008 zu gleichen Teilen an Arbeitsgruppen des Universitätsklinikums Heidelberg und des Klinikums Neuruppin.
Begrenzte Auswahl an Medikamenten macht Umstellung zeitaufwändig und fehleranfällig
„Eine Klinikapotheke kann nicht alle Präparate lagern, die der deutsche Arzneimittelmarkt bietet – das sind immerhin rund 62.000 Medikamente mit teils gleicher oder ähnlicher Wirkung“, erklärt Dr. Torsten Hoppe-Tichy, Leiter der Apotheke des Universitätsklinikums Heidelberg. So führt die klinikinterne Hausliste nur rund 2.700 Präparate. „Es ist daher häufig notwendig, Patienten auf andere Medikamente umzustellen, wenn sie in die Klinik überwiesen werden“, so der Chefapotheker. „Das kann ein zeitaufwändiger und fehleranfälliger Prozess sein.“
Bei der unübersichtlichen Auswahl gleicher oder ähnlicher Wirkstoffe von verschiedenen Herstellern besteht zudem das Risiko, ein unpassendes Medikament zu verschreiben – unter Umständen eine Gefahr für den Patienten. „Trotzdem können die Apotheker einer Klinik nicht jede Umstellung überprüfen. Das wäre zu personal- und zeitaufwändig“, sagt Stefanie Walk, Projektleiterin und Apothekerin am Universitätsklinikum. „Unser Ziel war es daher, ein computergestütztes Programm zu entwickeln und zu testen, das die hausärztliche Medikation weitgehend automatisch umstellt und gleichzeitig auch Begleiterkrankungen oder Unverträglichkeiten des Patienten berücksichtigt“, erklärt Frau Walk.
Neues Programm ermittelt Ersatzmedikamente und entlastet Ärzte und Apotheker
Dieses Ziel hat das interdisziplinäre Team der Kooperationseinheit Klinische Pharmazie erreicht: Im Rahmen einer Studie wurde der Algorithmus an Arzneimittelprofilen von 120 Patienten getestet und hat sich als wirksames Instrument erwiesen, um einen großen Anteil der routinemäßigen Medikationsumstellungen standardisierbar zu machen. Mehr als 90 Prozent der Arzneimittel bei stationärer Aufnahme der Studienteilnehmer konnten dadurch an Präparate der Klinikapotheke angepasst werden. Bei lediglich zwei Prozent der Patienten fand das Programm keinen Ersatz – In solchen Fällen übernehmen die Ärzte oder Klinikapotheker die Umstellung selbst oder fordern die bisher eingenommenen Medikamente über eine Sonderbestellung an.
„Das neue Programm entlastet Ärzte und Klinikapotheker von den zeitraubenden Routinefällen und erlaubt ihnen, sich auf die komplexen Fälle zu konzentrieren“, erklärt Professor Dr. Walter E. Haefeli, Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie an der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg. Gleichzeitig ist es nun möglich, am gesamten Klinikum auf das Know-how der Gruppe zurückzugreifen: „Um den Zugriff weiter zu erleichtern, haben wir das Programm in unser elektronisches Arzneimittelexpertensystem AiDKlinik implementiert. Es wird gerade durch das Arzneimittelinformationszentrum der Apotheke geprüft und kann danach flächendeckend am Universitätsklinikum Heidelberg und weiteren Krankenhäusern eingesetzt werden“, sagt der Mediziner, der bereits AiDKlinik mit entwickelte.
Weitere Informationen:
www.klinischepharmazie.de
www.aidklinik.de
www.doctors-aid.de
Literatur:
Walk SU, Bertsche T, Kaltschmidt J, Pruszydlo MG, Hoppe-Tichy T,
Walter-Sack I, Haefeli WE. Rule-based standardised switching of drugs at
the interface between primary and tertiary care. Eur J Clin Pharmacol
2008;64:319-27.
(Die Originalartikel können bei der Pressestelle des
Universitätsklinikums Heidelberg unter contact@med.uni-heidelberg.de
angefordert werden)
Kontakt:
Stefanie Walk
Apotheke des Universitätsklinikums Heidelberg
stefanie.walk@med.uni-heidelberg.de
www.klinikum.uni-heidelberg.de/presse/
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Wurden mit dem Innovationspreis 2008 der Sanofi-Aventis GmbH für Klinische Pharmazie ausgezeichnet (v.l.): Stefanie Walk, Dr. Thilo Bertsche und Dr. Torsten Hoppe-Tichy von Universitätsklinikum Heidelberg.
Foto: Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart
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AiDKlinik: Kompetenter Arzneimittellotse im Netz
Das computergestützte Arzneimittel-Informationssystem AiDKlinik ist ein Produkt der Dosing GmbH, die 2006 von Professor Haefeli und Diplom-Ingenieur Jens Kaltschmidt als SpinOff aus dem Universitätsklinikum Heidelberg gegründet wurde. AidKlinik unterstützt den Arzt dabei, Fehler bei der Verschreibung, z. B. Doppelverordnungen, falsche Dosierungen und gefährliche Wechselwirkungen der Medikamente zu vermeiden. Es liefert Informationen zum Einsatz von Medikamenten während Schwangerschaft, Stillzeit, bei eingeschränkter Nierenfunktion des Patienten und vielen anderen Risikokonstellationen. Mit dem Schwestersystem AiDPraxis existiert im Rahmen des integrierten Versorgungsprojektes HeiCare eine Vernetzung mit niedergelassenen Ärzten im Umkreis des Heidelberger Klinikums und mit doctors’AiD (www. doctors-aid.de) steht neuerdings auch eine Einzelplatzlizenz für niedergelassene Ärzte und Apotheker zur Verfügung.
Bei Rückfragen von Journalisten:
Dr. Annette Tuffs
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Universitätsklinikums Heidelberg
und der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg
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