Barack Obama vs. John McCain: Der US-Wahlkampf zwischen Wort und Wirklichkeit
Ist Ihnen aufgefallen, dass Barack Obamas Sätze im
Fernsehduell im Durchschnitt vier Wörter länger sind als die seines
Kontrahenten John McCain? Dass er in der gleichen Zeit wie McCain 500 Wörter
mehr gesagt hat? Dass es McCain gelingt, seine Botschaften mit deutlich weniger
Vokabeln an die Wähler zu bringen als dem stets differenziert argumentierenden
Obama? Dass McCain emotionaler spricht, während Obama stets vorsichtig
argumentiert? Dass die Kandidaten, wenn sie über Steuern sprechen, nie den Namen
ihrer eigenen Partei in den Mund nehmen, sondern stets den des Gegners?
Sprache ist eines der Hauptmedien, in dem wir unsere Welt
verstehen und deuten. Sie ist jedoch nicht nur ein Mittel zwischenmenschlichen
Austausches. In politischer Kommunikation benutzen Parteien und Kandidaten
Wörter und Phrasen, um potentielle Wähler zu überzeugen und ihre Ansichten und
Emotionen zu beeinflussen. Sprache ist jedoch auch verräterisch: Sie zeigt
unbewusste Wertvorstellungen oder gewährt uns Einblicke in den Zeitgeist.
Der derzeitige US-amerikanische Präsidentschaftswahlkampf
und seine auch in Europa bekannten Slogans sind ein Musterbeispiel für den
politisch motivierten Gebrauch von Sprache: Phrasen wie „Yes, we can,“ „change
you can believe in,“ „straight talk“ und „mavericks“ sind nur einige Beispiele
aus dem schier unerschöpflichen Reservoir jener Begriffe und Slogans, die die
demokratischen und republikanischen Wahlkampagnen zur Charakterisierung ihrer
Kandidaten zu prägen versuchen.
Seit April 2008 begleitet ein am Heidelberg Center for
American Studies der Universität Heidelberg ansässiges Projekt unter dem Namen
„SEMTRACKS Political Tracker“ die rhetorischen Strategien der Präsidentschaftskandidaten Barack
Obama und John McCain. Eine Forschergruppe von Linguisten, Kulturwissenschaftlern,
Historikern und Informatikern der Universitäten Heidelberg, Freiburg, Zürich,
Manchester und des German Historical Institute, Washington, D.C. analysiert
wöchentlich die Sprache der Kandidaten und die Charakteristika ihrer politischen
Rhetorik.
Mit Hilfe automatisierter linguistischer Analyseverfahren
können die Forscher beispielsweise aufzeigen, wie sich das Vokabular der beiden
Kandidaten unterscheidet und während des Wahlkampfes verändert, welche
Schlüsselwörter sie benutzen, und wie sich ihre unterschiedlichen politischen
Ansichten in ihrer Sprache abbilden. Diese Daten erlauben letztlich
Rückschlüsse auf bestimmte, langfristige politisch-rhetorische Strategien.
Das Projekt ist Ableger einer größeren Forschungsinitiative,
gefördert mit Mitteln des Innovationsfonds FRONTIER der Universität Heidelberg,
die unter dem Namen „SEMTRACKS“ im Bereich der automatischen Textanalyse das
Ziel hat, eine innovative Methode zur automatischen Auswertung und
Kategorisierung von Texten sowie Analyse ihrer emotiven Prägung zu entwickeln
und am HCA zurzeit die Perzeption der USA in Deutschland nach den
Terroranschlägen des 11. September 2001 untersucht.
Das Projekt wird geleitet von Noah Bubenhofer, Martin
Klimke (beide Heidelberg Center for American Studies) und Joachim Scharloth
(Deutsches Seminar, Universität Freiburg).
Der SEMTRACKS Political Tracker ist online unter:
http://semtracks.com/politicaltracker
Mehr Informationen zu SEMTRACKS: http://www.semtracks.com
Für weitere Informationen zu den amerikanischen Präsidentschaftswahlen
und begleitenden Veranstaltungen am HCA siehe:
http://www.hca.uni-heidelberg.de/veranstaltungen/wahl_2008.html
Rückfragen von Journalisten
bitte an:
Dr. Martin Klimke
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität
Heidelberg
michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
Irene
Thewalt