Religionen und Gewalt – besteht eine Verbindung?
Wenn der 14. Dalai Lama wie kürzlich bei der Abschlussrede seines
Deutschlandsbesuches festhält „Gewalt wird von jeder Religion abgelehnt“, so
steht er mit dieser Aussage nicht alleine. Aber ist die Sache wirklich so
einfach? Viele Stimmen – vor allem religiöser Autoritäten – sprechen von der
grundlegenden Friedfertigkeit ihrer oder gar aller Religionen. Dem widersprechend
vermehren sich Taten von Gewalt und Terror im Namen von Religion dramatisch.
Beunruhigend ist dabei die neue Qualität religiöser Konflikte. Von
den Krisenherden des Nahen Ostens, den Mordanschlägen amerikanischer
Fundamentalisten gegen Abtreibungskliniken, den Giftgasattacken der
Aum-Shinrikyo auf die Tokioter U-Bahn bis zu den Terroranschlägen von New York,
Istanbul, London und Madrid, die Liste der als religiös angesehenen Terror- und
Gewaltakte ist lang. Doch werden neben diesen unmittelbaren Formen physischer
Gewalt auch psychische, strukturelle oder soziale Formen der Gewalt verübt.
„Frieden und Gewalt im Namen der Götter – Religionswissenschaftliche
Analysen“ ist der Titel einer öffentlichen Vorlesungsreihe des Instituts für
Religionswissenschaft der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, in der
zentrale Vertreter der internationalen Forschung die Gründe, Mechanismen und
jeweiligen Kontexte erörtern werden, die zu religiös motivierter Gewalt führen
oder diese begünstigen. Hierzu gilt es in einem interdisziplinären Ansatz auch
nach nicht-religiösen Faktoren zu fragen, die für die Anwendung von Gewalt
verantwortlich gemacht werden können und ihr Zusammenspiel mit religiösen
Gründen zu klären. Was die einzelnen Akteure schließlich die Akte der Gewalt
konkret ausüben lässt, lässt sich nicht auf den einen Faktor der Religion
reduzieren, sondern ist nur aus einer komplexen Interaktion religiöser,
ideologischer, kultureller, politischer und ökonomischer Faktoren zu erklären.
Ziel dieser Veranstaltungsreihe ist es, die Gesichtspunkte religiös motivierter
Gewalt in ihrer Komplexität darzustellen und so ein differenziertes Verständnis
zu ermöglichen.
Zum Auftakt in der Universität Heidelberg lädt das Institut für
Religionswissenschaft in einem ersten Höhepunkt der Veranstaltungsreihe am 16.
Oktober 2008, 18.00 Uhr, zu einer Podiumsdiskussion mit anschließendem Empfang.
„Religionen: Konfliktursache des 21. Jahrhunderts oder Friedenspotenzial?“ – unter
dieser Fragestellung werden Experten aus den Bereichen der Politikwissenschaft,
Psychologie, Religions-, Konflikt- und Friedensforschung ihre Ansätze in
interdisziplinärem Rahmen austauschen und diskutieren.
Immer donnerstags werden in den darauf folgenden Wochen
international hoch renommierte Wissenschaftler neue Einblicke aus
Forschungsfeldern wie Islamwissenschaft und Buddhologie, Konfliktforschung und
Politikwissenschaft, Soziologie und Religionswissenschaft präsentieren.
Abschluss und letzter Höhepunkt unserer Veranstaltungsreihe stellt
der Vortrag der viel beachteten Harvard-Professorin Louise Richardson dar, in
welchem die zukünftige Rektorin der University St. Andrews Strategien der
Eingrenzung und Vorbeugung von religiöser Gewalt präsentieren wird.
Programm:
16.10.2008, Podiumsdiskussion
„Religionen: Konfliktursache des 21. Jahrhunderts oder
Friedenspotenzial? Wie lässt sich das Verhältnis von Religionen und Gewalt
bestimmen?“
Prof. Hasenclever, Prof.
Bergunder, Prof. Kapfhammer
Ort: Neue Universität, Aula
Vorträge:
23.10.2008
„Das Versprechen der Religionen“
Prof. Martin Riesebrodt, Soziologie, Chicago
30.10.2008
„Für Dharma und Vaterland: Zum Problem organisierter Waffengewalt
im ostasiatischen Buddhismus“
Prof. Christoph Kleine, Japanologie, Leipzig
6.11.2008
„Orientalisten, Islamisten und die globale Öffentlichkeit. Zur
Konstruktion des Islambildes der Gegenwart“
Priv.-Doz. Dr. Dietrich Jung, Islamwissenschaft Kopenhagen
13.11.2008
„Jihad
-From Classical to Contemporary Islam”
Prof. David
B. Cook, Religionswissenschaft, Houston
20.11.2008
„Zwischen Machtpolitik und Mitgefühl: Die Dalai Lamas“
Prof. Karenina Kollmar-Paulenz, Religionswissenschaft, Bern
27.11.2008
„Global
Rebellion: Religious Challenges to the Secular State”
Prof. Mark Juergensmeyer, Soziologie, Santa Barbara
4.12.2008
“Violence
in the Name of the Emperor – Kamikaze of World War II”
Prof. Emiko Ohnuki-Tierney, Anthropologie, Wisconsin
11.12.2008
„Kriegstreiber und Friedensengel – Die ambivalente Rolle von
Religionen in politischen Konflikten“
Prof. Andreas Hasenclever, Friedens- und Konfliktforschung,
Tübingen
18.12.2008
„Freund und Feind: Die Rolle religiöser Identifikation in lokalen
und globalen Kontext“
Prof. Günther Schlee, Ethnologie, Halle
15.01.2009
„Senses
in/of Religious Violence”
Prof. Francisco Diez de Velasco, Geschichtswissenschaft, La Laguna
22.01.2009
“What
Terrorists Want: Understanding the Enemy, Containing the Threat”
Prof. Luise Richardson, Politikwissenschaft, Harvard/St.
Andrews
Ort: Neue Universität, HS 14
Beginn: jeweils 18.00 Uhr
Der Eintritt ist frei.
Weitere Informationen:
http://religionen-und-gewalt.uni-hd.de
Kontakt:
Danijel Cubeli
Institut für Religionswissenschaft der
Universität Heidelberg
Tel. 0176/83102857
dcubelic@ix.urz.uni-heidelberg.de
Allgemeine Rückfragen von Journalisten auch an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
Irene Thewalt