Dem Zellgedächtnis der Pflanzen auf der Spur
7. Oktober 2010
Mit einem ähnlichen Mechanismus sorgen bestimmte Gene bei Pflanzen und beim Menschen dafür, dass Zellen Informationen über ihr genetisches Schicksal an ihre Tochterzellen weitergeben können. Diese überraschende Entdeckung haben Biologen der Universität Heidelberg bei Untersuchungen an der molekularbiologischen „Modellpflanze“ Ackerschmalwand aus der Familie der Kreuzblütler gemacht. Danach gibt es strukturelle Ähnlichkeiten zwischen zwei pflanzlichen Proteinen und einem menschlichen Protein, das beim sogenannten Zellgedächtnis mitwirkt. Damit kam das Forscherteam unter Leitung von Dr. Myriam Calonje zu neuen Erkenntnissen darüber, wie in wachsenden Geweben die Informationen über das spezifische Gen-Programm an die neuen Zellgenerationen weitergegeben werden. Die Ergebnisse werden in der Zeitschrift „Current Biology“ veröffentlicht.
Ausgangspunkt der Untersuchungen war die Entdeckung einer Pflanze der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), bei der die Funktionen des zellulären Gedächtnisses gestört waren: Die Pflanze wies eine große Zahl von Abweichungen auf, unter anderem verwandelten sich bereits kurz nach der Keimung einzelne Bereiche der Keimblätter wieder in embryoartige Strukturen zurück. Mit molekulargenetischen Untersuchungen konnten die Wissenschaftler zeigen, dass es sich dabei um sogenannte somatische Embryonen handelt, also Embryonen, die von bereits differenzierten Zellen gebildet werden. Damit wird den Tochterzellen das Schicksal der vorhergehenden Zellgeneration nicht mitgeteilt und sie starten noch einmal mit dem Entwicklungsprogramm.
Die Heidelberger Forscher konnten zwei Gene ausmachen, deren Defekt für diese Störung verantwortlich ist. Dabei kodieren diese beiden Gene zwei Proteine, die strukturelle Ähnlichkeiten aufweisen mit dem humanen BMI1-Protein. Dieses Protein ist Teil eines molekularen Mechanismus, der als zelluläres Gedächtnis bezeichnet wird. „Die Mechanismen des Zellgedächtnisses der Ackerschmalwand sind denen des Menschen sehr ähnlich, auch wenn ein Teil der beteiligten Gene im Verlauf der Evolution ausgetauscht wurde“, erläutert Dr. Calonje.
Kooperationspartner in Madrid haben nachgewiesen, dass das pflanzliche BMI1-Protein wie sein humaner Verwandter ebenfalls wichtige Komponenten der Erbsubstanz – sogenannte Histone – chemisch markiert. Dies hat zur Folge, dass das Gen von einem bestimmten Zeitpunkt an „abgeschaltet“ ist. Diese spezielle Markierung kann ohne Veränderung des DNA-Codes an die durch Zellteilung entstandenen Tochterzellen weitervererbt werden. Das bedeutet, dass die bei Arabidopsis gefundenen Gene es den Zellen ermöglichen, die Information über ihr genetisches Schicksal an die nächste Zellgeneration weiterzugeben.
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Originalveröffentlichung:
Bratzel et al.: Keeping Cell Identity in Arabidopsis Requires PRC1 RING-Finger Homologs that Catalyze H2A Monoubiquitination, Current Biology (2010), doi:10.1016/j.cub.2010.09.046
Kontakt:
Dr. Myriam Calonje
Institut für Pflanzenwissenschaften
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