Eine neue Rolle für Membranbausteine
9. Januar 2012
Quelle: Erik Lindahl, Royal Institute of Technology & Stockholm University
Biochemiker der Universität Heidelberg haben mit Hilfe eines neu entwickelten Verfahrens Licht in die bisher weitgehend unerforschte Funktionsweise von Membranbausteinen gebracht. Die Wissenschaftler am Biochemie-Zentrum der Universität Heidelberg (BZH) entdeckten in Zusammenarbeit mit Bioinformatikern der Universität Stockholm in der biologischen Membran, die eine Zelle eines Organismus umgibt, eine hochspezifische Erkennung und Wechselwirkung zwischen dem wasserabstoßenden Teil eines Proteins und eines Lipids. Der Lipidbaustein reguliert in der wasserabstoßenden Phase von biologischen Membranen einen intrazellulären Transportprozess. Bisher hatte die Forschung eine derartige Wechselwirkung in Membranen für nicht wahrscheinlich gehalten. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht.
„Diese neue und unerwartete Rolle eines Membran-Lipidbausteins ist deshalb aufregend, weil biologische Membranen aus mehr als 1.000 verschiedenen Lipidbausteinen aufgebaut sind, die exakt mit einigen der mehr als 10.000 Membranproteine binden und damit deren Aktivität regulieren können“, erklärt Prof. Dr. Felix Wieland vom BZH, der die Forschergruppe zusammen mit Dr. Britta Brügger leitet. „Mit diesen Befunden ist die Tür offen zur Erforschung eines neuartigen molekularen Mechanismus der Kontrolle zellulärer Aktivitäten.“ Die Heidelberger Wissenschaftler arbeiteten bei ihren Untersuchungen mit den Forschungsgruppen von Prof. Dr. Gunnar von Heijne und Prof. Dr. Erik Lindahl in Stockholm zusammen.
Organismen funktionieren durch eine Vielzahl exakter Bindungen unterschiedlicher biologischer Bausteine miteinander. Wie die Grundprinzipien solcher hochspezifischer Wechselwirkungen im wässrigen Milieu in Zellen funktionieren, ist der Wissenschaft bereits bekannt. „Im Gegensatz dazu stellt man sich den inneren, wasserabstoßenden Raum biologischer Membranen weitgehend wie ein Öl vor, in dem Proteine herumschwimmen“, erläutert Prof. Wieland. „Die Prinzipien der spezifischen Erkennung von Bausteinen in diesem ‚öligen Meer aus Lipiden’ sind bisher wenig bekannt. Das liegt daran, dass die Prinzipien der spezifischen Bindung im Wässrigen nicht auf nicht-wässrige Phasen anwendbar sind, außerdem stehen noch nicht lange empfindliche Methoden zur Bestimmung von Membran-Lipiden zur Verfügung.“
Um zu verstehen, wie der Transport von Membranvesikeln in einer Zelle funktioniert, arbeiteten die Wissenschaftler Methoden aus, mit denen man alle Lipidbausteine einer biologischen Membran mit hoher Empfindlichkeit auch mengenmäßig genau erfassen kann. „Bei der Untersuchung solcher Vesikel fiel uns auf, dass ihre Lipidzusammensetzung sich von den Membranen unterschied, aus denen sie gebildet worden waren“, erläutert Dr. Brügger. „Dieser Unterschied konnte nur erklärt werden, wenn man annahm, dass in der Membran eine hochspezifische Erkennung zwischen den Bausteinen möglich ist.“ Die Forscher entwickelten daher ein Verfahren zur Vermessung solcher Wechselwirkungen in der Lipidphase im Reagenzglas. Damit konnten sie Befunde aus der lebenden Zelle bestätigen und ein Strukturmerkmal im betreffenden Protein charakterisieren, das für die Spezifität der Wechselwirkung verantwortlich ist. „,Transplantiert’ man diesen Strukturteil in ein anderes Protein, welches vorher nicht in der Lage war, den Lipidbaustein zu erkennen, dann erwirbt dieses Protein die Fähigkeit seiner spezifischen Erkennung“, erklärt Prof. Wieland.
Die Forscher erkannten auch eine Funktion dieser exakten Wechselwirkung: Durch seine Bindung stimuliert das Lipid sein Protein dazu, sich mit einem identischen Protein zusammenzuschließen. Nur das daraus resultierende „Doppelprotein” kann zur Bildung eines Transportvesikels beitragen. „Der Lipidbaustein übernimmt also die Rolle eines ‚Kofaktors’ und reguliert damit einen zellulären Prozess“, erklärt Prof. Wieland. Bisher haben die Wissenschaftler in Heidelberg und Stockholm bereits rund 50 Membranprotein-Kandidaten identifiziert, die allein mit den verschiedenen Mitgliedern einer Membranbausteinfamilie ähnlich spezifische Wechselwirkungen eingehen könnten.
Nähere Informationen sind im Internet unter www.uni-heidelberg.de/zentral/bzh zusammengestellt.
Hinweis an die Redaktionen:
Bildmaterial ist in der Pressestelle erhältlich.
Originalpublikation:
F-X. Contreras, A.M. Ernst, P. Haberkant, P. Björkholm, E. Lindahl, B. Gönen, C. Tischer, A. Elofsson, G. von Heijne, C. Thiele, R. Pepperkok, F. Wieland, B. Brügger: Molecular recognition of a single sphingolipid species by a protein’s transmembrane domain. Nature (8. Januar 2012), doi: 10.1038/nature10742
Kontakt:
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