Küstengewässer produzieren in großem Ausmaß ozonschädliche Halogenverbindungen
1. Februar 2012
Foto: GEOMAR / Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
Die Küstenbereiche des tropischen Westpazifik produzieren in großem Ausmaß natürliche Halogenverbindungen, die die Ozonschicht schädigen können. Das zeigen erste Ergebnisse einer Feldmesskampagne, die im südchinesischen Meer im Rahmen des internationalen Forschungsprojekts SHIVA durchgeführt wurde. Die Wissenschaftler des interdisziplinären Projekts, dessen Gesamtkoordination beim Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg liegt, untersuchten im November und Dezember 2011 auf den Hoheitsgebieten von Malaysia, Brunei und den Philippinen die ozeanischen Quellen und atmosphärischen Transportwege der natürlichen Chlor-, Brom- und Jodverbindungen.
Foto: Institut für Umweltphysik, Universität Heidelberg
Die Halogene Chlor, Brom und Jod gehören zu den sogenannten ozonabbauenden Stoffen. Mikroorganismen wie Makroalgen und Phytoplankton bilden natürliche Halogenverbindungen und geben diese in die Luft ab. Das Projekt SHIVA geht der auf Forschungsergebnissen der Heidelberger Umweltphysiker beruhenden Vermutung nach, dass die Ozonschicht nicht nur durch industriell gefertigte „Ozonkiller“ wie Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), sondern auch durch solche natürlichen Halogenverbindungen geschädigt wird. „Unsere Messungen vor der Küste Borneos, im südchinesischen Meer und in der Sulusee zeigen, dass die biologisch produktiven küstennahen Gewässer besonders starke Quellen dieser Spurenstoffe sind“, erklärt Gesamtkoordinator Prof. Dr. Klaus Pfeilsticker vom Institut für Umweltphysik der Ruperto Carola. Für die Messungen waren das deutsche Forschungsschiff „Sonne“ und verschiedene kleinere malaysische Schiffe im Einsatz. „Zusätzlich wurden von britischen und malaysischen Kollegen Laboruntersuchungen durchgeführt, die darauf hindeuten, dass vor allem Rhodophyta, also Rotalgen, in Folge einer durch Sauerstoff ausgelösten Stressreaktion diese organischen Halogenverbindungen produzieren.“
Mit dem in Miri auf Borneo stationierten Forschungsflugzeug „Falcon“ des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) wurden die atmosphärischen Transportwege der Spurenstoffe eingehender untersucht. Dabei zeigte sich, dass die bodennahen, mit den Halogenverbindungen angereicherten Luftmassen wegen der in den Tropen nicht sehr ausgeprägten atmosphärischen Grenzschicht schnell in die mittlere Troposphäre transportiert werden. Außerdem gelangen sie während der Regenzeit, besonders durch Gewitterwolken, im Verlauf weniger Stunden in die obere Troposphäre. „Unsere Messungen und Modellergebnisse deuten darauf hin, dass vor allem der Transportweg über die Gewitterwolken für den Eintrag der ozonrelevanten und anderer Spurenstoffe in die obere tropische Troposphäre verantwortlich ist“, erklärt Prof. Pfeilsticker. „Von dort werden sie dann durch die Strahlungsheizung der tropischen Tropopausenschicht in die untere Stratosphäre transportiert.“
Foto: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt
Die Wissenschaftler werden nun mit Hilfe umfangreicher Chemie-, Transport- und globaler Klimamodelle die neuen Daten auswerten und interpretieren. „Unser Ziel dabei ist es, die künftige Entwicklung der Ozonschicht unter dem Einfluss der menschengemachten Veränderung der tropischen Ozeane, der atmosphärischen Zirkulation und der Photochemie vorherzusagen“, erläutert Prof. Pfeilsticker. Die Transportwege der Halogenverbindungen in der tropischen Tropopausenregion sollen in den kommenden Jahren mit hochfliegenden Flugzeugen und unbemannten Drohnen wie der Global Hawk der NASA untersucht werden.
An dem mit insgesamt zehn Millionen Euro von der Europäischen Union und verschiedenen nationalen Institutionen geförderten Projekt sind rund 130 Wissenschaftler aus 18 Einrichtungen in Europa und Asien beteiligt. Neben dem Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg als Projektkoordinator wirken auf deutscher Seite das DLR, das Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR), das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, die Universität Bremen sowie die Goethe-Universität Frankfurt an SHIVA mit. Weitere Projektpartner sind drei britische Universitäten, drei Forschungsinstitute aus Frankreich, Belgien und Norwegen sowie sechs Forschungseinrichtungen aus Malaysia und den Philippinen. SHIVA steht für „Stratospheric ozone: Halogen Impact in a Varying Atmosphere“. Nähere Informationen sind unter http://shiva.iup.uni-heidelberg.de erhältlich.
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