Heidelberger Astronomen entwickeln Software für den Satelliten Gaia
18. Oktober 2013
Grafik: Astrium Toulouse und ESA
Heidelberger Wissenschaftler haben eine hochkomplexe Software für den Astrometrie-Satelliten Gaia entwickelt. Sie wurde für den wissenschaftlichen Betrieb von Gaia konzipiert und soll fünf Jahre lang täglich die korrekte Funktion aller Systeme an Bord und die Qualität der wissenschaftlichen Rohdaten detailliert überwachen. Für die Entwicklung verantwortlich zeichnen Experten des Astronomischen Rechen-Instituts am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg. Der Satellit wird voraussichtlich in der zweiten November-Hälfte vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana mit einer Trägerrakete ins All gebracht und soll dann aus einer Entfernung von 1,5 Millionen Kilometern von der Erde Sterne unserer Milchstraße mit hoher Präzision vermessen.
„Von den Daten, die Gaia zur Erde funken wird, erhoffen Astronomen unter anderem Erkenntnisse über die Entstehung und Entwicklung unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße“, sagt Prof. Dr. Eva Grebel. Die Wissenschaftlerin ist Direktorin am Astronomischen Rechen-Institut (ARI) und Sprecherin des an der Universität Heidelberg angesiedelten Sonderforschungsbereichs „Das Milchstraßensystem“, der sich mit der Milchstraße und ihrer kosmischen Nachbarschaft beschäftigt. „Gaia wird in der Lage sein, die Positionen von einer Milliarde Sternen mit einer Genauigkeit zu bestimmen, die dem Durchmesser einer Münze auf dem Mond entspricht – von der Erde aus gesehen“, erläutert Dr. Ulrich Bastian, der am ARI eine europaweite Arbeitsgruppe von Gaia-Wissenschaftlern und Software-Ingenieuren leitet. Nach Angaben der Wissenschaftler ist der Satellit Gaia der Europäischen Weltraumorganisation ESA nach insgesamt 19 Jahren Vorarbeit und acht Jahren Bauzeit startbereit.
Die in Heidelberg entwickelte Software, die den sogenannten „First Look“ übernimmt, umfasst rund 350.000 Programmzeilen in der Computersprache Java. Zum größten Teil wurden sie von der Gaia-Gruppe am Astronomischen Rechen-Institut geschrieben. Fünf Jahre lang wird die Software Tag für Tag einen 2.000-seitigen Bericht über den Zustand der Systeme an Bord und die technische Integrität und wissenschaftliche Qualität der Daten erstellen. „Natürlich ist kein Mensch in der Lage, täglich eine 2.000 Seiten starke Dokumentation zu lesen und zu verarbeiten“, sagt Dr. Michael Biermann, der Leiter des Heidelberger First-Look-Teams ist. „Statt dessen sucht unsere Software in den Zahlen, Tabellen und Diagrammen des Berichts nach Abweichungen und markiert diese. So kann der jeweils diensthabende First-Look-Wissenschaftler sehr rasch und gezielt nach Zusammenhängen mit anderen Daten und nach möglichen Ursachen von Problemen forschen und Abhilfen vorschlagen“, erklärt Dr. Biermann. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass wertvolle wissenschaftliche Messungen verloren gehen oder sich die Messgenauigkeit verschlechtert.