20.000 Liter Meerwasser für ein Gasaustausch-Experiment am Heidelberger Aeolotron
21. November 2014
Foto: Dr. Kerstin Krall, Institut für Umweltphysik
Mit Blick auf die winderzeugten Wellen am Aeolotron diskutieren (von links nach rechts) Dr. Mariana Ribas Ribas (Universität Oldenburg), Dr. Anke Nölscher (Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz) und Jakob Kunz (Universität Heidelberg).In einem Experiment mit 20.000 Litern Meerwasser gehen Wissenschaftler der Universität Heidelberg gemeinsam mit Experten weiterer Forschungseinrichtungen der Frage nach, inwieweit natürliche, biologisch produzierte Oberflächenfilme den Austausch von Wärme, Gasen und flüchtigen Stoffen zwischen der Atmosphäre und den Weltmeeren beeinflussen. Ziel ist es, diese Effekte zu quantifizieren. Zudem wollen die Forscher herausfinden, in welchem Ausmaß sich organische Substanzen, die sich an der Wasseroberfläche anreichern, in Schwebeteilchen in der Luft wiederfinden lassen. Diese sogenannten Aerosole werden durch brechende Wellen und an der Wasseroberfläche platzende Blasen erzeugt. Die Untersuchungen, die in dieser Form bislang einmalig sind, werden noch bis zum 28. November 2014 im Heidelberger Aeolotron, dem großen ringförmigen Wind-Wellen-Kanal des Instituts für Umweltphysik, durchgeführt.
Mehr als zwei Drittel der Oberfläche unseres Planeten sind mit Wasser bedeckt. An der Grenzfläche zwischen den beiden wichtigen Teilen des Systems Erde – den Ozeanen und der Atmosphäre – spielen Austauschprozesse eine bedeutende Rolle. Sie bestimmen, in welchem Umfang Wärme, Gase und flüchtige Stoffe durch die Ozeanoberfläche transportiert werden und wie stark der Wind die Ozeanströmungen anschiebt. Die sogenannten viskosen Grenzschichten auf beiden Seiten der Wasseroberfläche sind noch nicht einmal einen Millimeter „dick“. Dort dominieren langsame molekulare Transportprozesse. Sie bilden damit „einen Flaschenhals“ für den Austausch zwischen Luft und Wasser, so Prof. Dr. Bernd Jähne vom Institut für Umweltphysik, der das Experiment gemeinsam mit Dr. Kerstin Krall leitet.
Nach Angaben von Prof. Jähne wird die Dicke dieser Grenzschichten und damit die Schnelligkeit des Transports durch diejenigen Umweltparameter beeinflusst, die oberflächennahe Turbulenz generieren oder unterdrücken. Dazu gehören unter anderem der Wind, das Wellenfeld und die Anreicherung von oberflächenaktiven Substanzen an der Wasseroberfläche. „Die genauen Zusammenhänge zwischen diesen Parametern und der Transportgeschwindigkeit sind bis heute unklar“, so der Heidelberger Wissenschaftler. „Wenn wir die Austauschprozesse zu verstehen lernen, können wie sie besser parametrisieren und damit die globalen Stoffkreisläufe exakter modellieren“, sagt Prof. Jähne, der auch das Heidelberg Collaboratory for Image Processing am Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen leitet. Das Experiment am Heidelberger Aeolotron soll dazu nun neue Erkenntnisse bringen, insbesondere zum Austausch von klima- und umweltrelevanten Gasen.
An den interdisziplinären Untersuchungen wirken neben den Umweltphysikern und den Experten für Bildverarbeitung aus Heidelberg auch Chemiker, Meeresbiologen und Ozeanographen mit. Beteiligt sind Forscher aus Kiel, Leipzig, Lyon, Mainz, Manchester, Oldenburg und Warnemünde. Sie führen unter anderem optische Wellenmessungen durch, untersuchen mit Wärmebildkameras den Austausch von Wärme und erfassen die Turbulenz an der Wasseroberfläche. Darüber hinaus soll die Transportgeschwindigkeit von zwanzig umweltrelevanten Spurengasen und flüchtigen Stoffen gemessen werden. Weitere Analysen oder Messungen betreffen die chemische Zusammensetzung der Oberflächenfilme, die biologische Aktivität des Wassers und die Aerosole. Das für dieses Experiment notwendige Meerwasser wurde von dem Forschungsschiff „Poseidon“ aus 50 Metern Tiefe im Nordatlantik gesammelt und anschließend in einem Tanklastzug nach Heidelberg transportiert, wo es in Tanks im Kellergeschoss des Instituts für Umweltphysik zwischengelagert wurde.
Die Forschungsarbeiten werden im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojekts „Surface Ocean Processes in the Anthropocene“ (SOPRAN) durchgeführt.