Wie die Zelle verhindert, dass falsch ausgelieferte Proteine im Zellkern Schaden anrichten
18. Dezember 2014
Mit ihren Forschungen zur Proteinqualitätskontrolle haben Heidelberger Wissenschaftler neue Erkenntnisse darüber gewonnen, wie die Zelle verhindert, dass versehentlich in den Zellkern transportierte Proteine dort Schaden anrichten. Im Mittelpunkt steht dabei ein komplexer Apparat an der inneren Kernmembran, der diese falsch ausgelieferten Proteine erkennt und markiert. In internationaler Zusammenarbeit mit Forschern aus Frankreich, Schweden und Kanada konnte das Team um Prof. Dr. Michael Knop am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg (ZMBH) zeigen, wie bei diesem Prozess die zelluläre „Müllentsorgung“ in Gang gesetzt wird. Die Forschungsergebnisse wurden in „Nature“ veröffentlicht.
Zellen sind zwar sehr klein, gleichwohl ist ihr räumlicher Aufbau sehr genau organisiert – alles hat seinen Ort. Damit Proteine auch ihren Platz finden, tragen sie eine Art Signal, das in ihre Struktur eingebaut ist. Diese Signale wirken wie Adressen, und die intrazelluläre „Post“ bringt die Proteine an den richtigen Bestimmungsort. Einer dieser Orte ist der Zellkern. Dieser beinhaltet die genomische Information – die Zell-DNA. Diese DNA muss abgelesen und in neue Proteine übersetzt werden, damit die Zelle sich teilen und auf ihre Umwelt reagieren kann. Damit dieser Prozess korrekt abläuft, kommen Kernproteine zum Einsatz. Was aber passiert, wenn Proteine versehentlich in den Zellkern gelangen, obwohl sie dort nicht hingehören? „In diesem Fall ist das Ablesen der genomischen Information gefährdet und somit unter Umständen die gesamte Zelle in ihrer Existenz bedroht“, erläutert Prof. Knop, der am ZMBH die Forschungsgruppe Hefezell- und Systembiologie leitet.
Im Zuge ihrer Forschungen hat das Team um Prof. Knop eine neue Methode entwickelt, um diese falsch gelieferten Proteine aufzuspüren und zu untersuchen, wie die Zelle damit umgeht. Wie die Heidelberger Wissenschaftler am ZMBH in Zusammenarbeit mit zwei Forschungslaboren in Rennes und Stockholm zeigen konnten, besitzt die Zelle an der inneren Kernmembran einen komplexen Apparat – eine Ubiquitin-Ligase, die an der Proteinqualitätskontrolle beteiligt ist. Diese Ligase kann falsch ausgelieferte Proteine erkennen und versieht sie mit einer Markierung. Anhand dieser sogenannten Poly-Ubiquitylierung „weiß“ die Zelle, dass eben dieses Protein nicht in den Zellkern gehört; sie aktiviert in diesem Fall die zelluläre Müllentsorgung. Zum Einsatz kommt das Proteasom, das solcherart markierte Proteine im fast wörtlichen Sinne verschluckt und „verdaut“.
„Bisher sind wir davon ausgegangen, dass die von uns untersuchte Ubiquitin-Ligase im Zusammenhang steht mit einem speziellen Prozess der Signalübertragung, der mit der Aminosäurenversorgung der Zelle zu tun hat“, so Prof. Knop. „Umso überraschter waren wir, als unsere Forschungen gezeigt haben, dass sie diese Funktion tatsächlich gar nicht direkt ausübt.“ Vielmehr bewirkt diese Ligase die Entfernung eines Proteins aus dem Zellkern, das die Versorgung mit Aminosäuren durcheinanderbringt, wenn es zum falschen Zeitpunkt in den Kern der Zelle gelangt. Wie der Heidelberger Wissenschaftler weiter erläutert, funktioniert der „ausgefeilte Kontrollmechanismus“ auch bei verschiedenen anderen Proteinen: Werden sie nicht korrekt ausgeliefert, setzt die Ubiquitin-Ligase den Prozess in Gang, mit dem „Fehllieferungen“ aus dem Kern und der Kernmembran entfernt werden. Prof. Knop: „Jetzt bleibt aber immer noch die Frage offen: Wie kann diese Ubiquitin-Ligase unterscheiden, ob die Proteine am richtigen oder am falschen Ort gelandet sind?“
Michael Knop leitet am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg zugleich die Arbeitsgruppe Zellmorphogenese und Signalübermittlung. Neben Wissenschaftlern der Universität Heidelberg und des DKFZ haben an den Untersuchungen auch Forscher des Centre National de la Recherche Scientifique in Rennes und der Université de Rennes, der Stockholm University, des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg sowie der University of Toronto mitgewirkt.
Originalpublikation:
A. Khmelinskii, E. Blaszczak, M. Pantazopoulou, B. Fischer, D.J. Omnus, G. Le Dez, A. Brossard, A. Gunnarsson, J.D. Barry, M. Meurer, D. Kirrmaier, C. Boone, W. Huber, G. Rabut, P.O. Ljungdahl, M. Knop: Protein quality control at the inner nuclear membrane, Nature 516, 410-413 (18 December 2014), doi: 10.1038/nature14096