Kleinplanetenforschung profitiert von Gaia-Satellitenmission
20. Mai 2015
Grafik: Astrium Toulouse und ESA
Von der groß angelegten Gaia-Mission der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) profitiert auch die astronomische Kleinplanetenforschung, obwohl der Astrometrie-Satellit vor allem die Aufgabe hat, rund eine Milliarde Sterne der Milchstraße exakt zu vermessen. Doch quasi nebenbei wird auch eine Vielzahl von Kleinplaneten in unserem Sonnensystem aufgespürt. Um die extrem hohe Messgenauigkeit des Gaia-Satelliten sicherzustellen, müssen für die Bestimmung seiner Position täglich Aufnahmen von dem Teil des Himmels gemacht werden, in dem sich der nur schwach leuchtende Satellit gerade befindet. „Darauf werden pro Nacht mehrere Dutzend Kleinplaneten gefunden. Die Daten leisten einen wertvollen Beitrag zum Verständnis der Entstehung unseres Sonnensystems“, sagt Dr. Martin Altmann vom Astronomischen Rechen-Institut (ARI), das zum Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg gehört. Dr. Altmann leitet das Beobachtungsprogramm zur Positionsbestimmung des Gaia-Satelliten im Rahmen des Data Processing and Analysis Consortium (DPAC), das für die Auswertung der Daten von Gaia zuständig ist.
Der Astrometrie-Satellit Gaia, der mit seinen Messungen seit August 2014 im vollen Einsatz ist, soll mit höchster Genauigkeit die Positionen, Bewegungen und Entfernungen von Sternen der Milchstraße erfassen und damit die Grundlage für eine dreidimensionale Karte unserer Heimatgalaxie liefern. Schon in der Vorbereitungsphase der Gaia-Mission wurde deutlich, dass die ambitionierten Ziele hinsichtlich der Messgenauigkeit nur dann zu erreichen sein würden, wenn auch bei der Positions- und Geschwindigkeitsbestimmung des Satelliten selbst neue Wege beschritten werden, wie Dr. Altmann betont. Daher wurde eine Beobachtungskampagne gestartet, um Position und Geschwindigkeit von Gaia möglichst täglich von der Erde aus zu bestimmen. Schon im Jahr 2009 begannen Dr. Altmann vom ARI und sein Kollege Dr. Sebastien Bouquillon vom Observatoire de Paris (Frankreich) gemeinsam mit einem internationalen Team die Planung dieses Programms. Für die Umsetzung gewannen sie Sternwarten, unter anderem in Chile und Spanien, als Partner. Die Koordination der täglichen Himmelsaufnahmen liegt beim Astronomischen Rechen-Institut. Seit dem Start von Gaia im Dezember 2013 werden die auf diese Weise ermittelten Positionen des Satelliten regelmäßig zum Kontrollzentrum der Mission, dem European Space Operations Centre in Darmstadt, verschickt.
Wie Dr. Altmann erläutert, befindet sich der 1,5 Millionen Kilometer entfernte Astrometrie-Satellit von der Erde aus gesehen immer in der der Sonne abgewandten Himmelsregion. „Aus diesem Grund sind die Aufnahmen zur Positionsbestimmung von Gaia auch besonders gut für die Beobachtungen von Kleinplaneten geeignet. In dieser sogenannten Oppositionsstellung kommen diese Himmelskörper der Erde besonders nahe und erscheinen daher heller als zu anderen Zeiten“, so der Heidelberger Wissenschaftler. Seit Beginn dieses Jahres wurden vor allem auf den Aufnahmen des VST-Teleskops der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile mehr als 2.000 Kleinplaneten gefunden. Nach Angaben von Dr. Altmann handelt es sich bei etwa 40 Prozent von ihnen um Neuentdeckungen. Aber auch für die bereits bekannten kleinen Himmelskörper sind die aktuellen Messungen von besonderem Interesse, gerade weil Gaia und damit auch die Kleinplaneten, die sich im gleichen Himmelsfeld befinden, zum Beobachtungszeitpunkt immer der Sonne gegenüber stehen. Analog zum Vollmond ist nur dort die gesamte der Erde zugewandte Seite dieser Kleinplaneten vollständig beleuchtet. Für die Wissenschaftler ist es daher möglich, deren Reflexionsvermögen besonders gut zu messen und so Rückschlüsse auf ihre chemische Zusammensetzung zu ziehen. Derartige Messungen gelangen, so Dr. Altmann, bislang nur für etwa 30 dieser kleinen Himmelskörper mit ausreichender Genauigkeit.
Der Astrometrie-Satellit Gaia selbst wird bei seinen Himmelsbeobachtungen ebenfalls viele Kleinplaneten entdecken und äußerst genau messen, allerdings in ganz anderen Himmelsregionen. „Insofern ergänzen sich die Beobachtungen der Gaia-Mission und die vom Erdboden aus gewonnenen Erkenntnisse auf hervorragende Weise“, sagt Dr. Altmann. „Durch die Gaia-Satellitenmission erhoffen wir uns also nicht nur neue Erkenntnisse über die Entstehung unserer Heimatgalaxie. Wir werden sicher auch mehr über den Ursprung unseres Sonnensystems erfahren“, betont Prof. Dr. Stefan Jordan vom Astronomischen Rechen-Institut, der im Rahmen des DPAC-Konsortiums unter anderem für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist.