Jahrestagung: „Wirklichkeit oder Konstruktion?“
12. Oktober 2015
Muss Wirklichkeit als konstruiert oder als gegeben gedacht werden? Mit dieser Fragestellung beschäftigt sich die Jahrestagung des Forschungsnetzwerks „Sprache und Wissen“, das an der Universität Heidelberg angesiedelt ist. Die Veranstaltung nimmt dabei Bezug auf eine aktuelle wissenschaftliche Kontroverse, die zwischen Vertretern des Konstruktivismus und Vertretern eines sogenannten Neuen Realismus geführt wird. Diese Debatte ist auch Thema einer öffentlichen Podiumsdiskussion mit Teilnehmern aus der Soziologie, der Philosophie, der Medientheorie, der Rechtswissenschaft und der Linguistik. Die Tagung „Wirklichkeit oder Konstruktion? Sprachtheoretische und interdisziplinäre Aspekte einer brisanten Alternative“ findet am 15. und 16. Oktober 2015 in den Räumen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften statt und wird in Kooperation mit dem Europäischen Zentrum für Sprachwissenschaften (EZS) veranstaltet.
„Im Konstruktivismus spielt die Sprache eine zentrale Rolle. Demnach bezeichnen die Wörter nicht die Dinge an sich. Was für den einen etwa eine ,Freisetzung von Arbeitskräften‘ ist, bedeutet für den anderen eine ,Entlassung‘. Wie wir die Welt wahrnehmen, ist also entscheidend von einer der Sprache innewohnenden Perspektive geprägt“, erläutert Prof. Dr. Ekkehard Felder vom Germanistischen Seminar, der Gründer und Koordinator des Forschungsnetzwerks „Sprache und Wissen“ ist. Andererseits widerspreche nach den Vorstellungen des Neuen Realismus die Annahme eines umfassenden Konstruiertseins unserer Wirklichkeitsbilder „jeder Alltagserfahrung, denn beispielsweise einen Schmerz empfinden wir Menschen nicht als Konstrukt, sondern buchstäblich am eigenen Körper“, so der Heidelberger Sprachwissenschaftler. Während der Tagung sollen unter anderem die Ursprünge und Hintergründe der aktuellen Kontroverse diskutiert werden. Die rund 80 Teilnehmer werden auch danach fragen, wie sich die Spannung zwischen Faktizität und Konstruiertsein in unterschiedlichen Wissensbereichen wie etwa Recht, Medizin, Wirtschaft oder Religion zeigt.
Im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion steht die Suche nach einem adäquaten Wirklichkeitsbegriff. An der Diskussionsrunde beteiligen sich der Soziologe Prof. Dr. Heinz Bude und der Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Andreas Gardt (beide Kassel), der Philosoph Prof. Dr. Markus Gabriel (Bonn), der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Paul Kirchhof (Heidelberg) und der Medientheoretiker Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen). Die Veranstaltung in der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Karlstraße 4, findet am Donnerstag, 15. Oktober, statt. Beginn ist um 19 Uhr.
Das 2005 gegründete Forschungsnetzwerk „Sprache und Wissen“ basiert auf einem Zusammenschluss von überwiegend linguistisch arbeitenden Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland. Ihr Ziel ist es, in gesellschaftlich relevanten Wissensbereichen zu untersuchen, wie fachbezogene Sachverhalte sich in Sprache widerspiegeln. In diesem Zusammenhang werden auch Probleme fachspezifischer Kommunikation und die öffentliche Kommunikation über Fachwissen analysiert. In den Blick genommen werden dabei unter anderem Medizin und Gesundheitswesen, Naturwissenschaft und Technik sowie Wirtschaft und Recht.