Änderung des Lebensstils könnte Alzheimer-Risiko abschwächen
27. Oktober 2015
Änderungen im Lebensstil könnten das Risiko mindern, an Alzheimer zu erkranken. Das legen die Ergebnisse einer Studie nahe, die Wissenschaftler des Netzwerks AlternsfoRschung der Universität Heidelberg auf Basis von Daten aus zwei unabhängigen epidemiologischen Studien durchführten. Sie lassen den Schluss zu, dass Menschen, die den genetischen Risikofaktor für Alzheimer ApoE4 tragen, mit einer Senkung des Cholesterinspiegels ihr erhöhtes Risiko für kognitive Einschränkungen reduzieren könnten – vor allem, wenn sie zusätzlich unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden. Den Alzheimer-Risikofaktor ApoE4 tragen in Deutschland etwa 20 Prozent der Bevölkerung. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Dementia and Geriatric Cognitive Disorders“ veröffentlicht.
ApoE steht für Apolipoprotein E, ein Eiweiß, das eine wichtige Rolle im Blutfett-Stoffwechsel spielt. Unter anderem transportiert es Cholesterin zu Nervenzellen, die dieses für den Signalaustausch benötigen. Vom ApoE-Gen, das den Bauplan für das ApoE-Protein enthält, gibt es drei unterschiedliche Genvarianten, sogenannte Allele. Wer Träger des e4-Allels ist, also die ApoE4-Genvariante trägt, hat ein erhöhtes Risiko, an Alzheimer zu erkranken.
Kognitive Einschränkungen wie etwa Gedächtnisstörungen können Vorboten von Demenz und Alzheimer sein, aber auch eigenständig auftreten, wie der stellvertretende Direktor des Netzwerks AlternsfoRschung (NAR), Prof. Dr. Hermann Brenner, erklärt. In der von Prof. Brenner geleiteten NAR-Studie am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) untersuchten die Epidemiologinnen Dr. Laura Perna und Dr. Ute Mons, inwieweit Träger des e4-Allels im Alter ein höheres Risiko für kognitive Einschränkungen haben im Vergleich zu Trägern der anderen Genvarianten. Dabei interessierten sie sich vor allem für das Zusammenspiel von ApoE4 und Cholesterinspiegel. Für ihre Analysen nutzten sie Daten zweier epidemiologischer DKFZ-Studien an älteren Erwachsenen, bei denen mit einem kognitiven Test unter anderem Gedächtnisleistung und Konzentrationsfähigkeit geprüft und zusätzlich Blutproben und medizinische Daten ausgewertet wurden. An der ESTHER-Studie waren 1.434 Menschen über 70 Jahre beteiligt, an der KAROLA-Studie 366 Teilnehmer über 50.
Die Heidelberger Forscher stellten fest, dass der Zusammenhang zwischen dem ApoE4-Risikofaktor und kognitiven Einschränkungen, vor allem der Gedächtnisleistung, bei denjenigen Teilnehmern am stärksten war, die einen hohen Cholesterinspiegel aufwiesen und unter Herzerkrankungen litten. „Eine mögliche Erklärung für die Ergebnisse könnte sein, dass das Gehirn gerade dann besonders sensibel auf die Effekte von ApoE4 reagiert, wenn es bereits durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und einen erhöhten Cholesterinspiegel vorgeschädigt ist“, erklärt Laura Perna. Ein komplexes Wechselspiel zwischen den verschiedenen Faktoren sei wahrscheinlich. So erhöhe die ApoE4-Genvariante nicht nur das Alzheimer-Risiko, sondern werde auch mit einem erhöhten Risiko für Arteriosklerose in Verbindung gebracht. Arteriosklerose, bei der es zu einer Verengung der Arterien durch Fettablagerungen kommt, kann zu schweren Herzerkrankungen führen, begünstigt aber auch die Entwicklung von Demenz. Man nimmt an, dass sie durch einen erhöhten Spiegel des „schlechten Cholesterins“ LDL-Cholesterin im Blut verursacht wird, der insbesondere bei ApoE4-Trägern oftmals auftritt. Ein hoher Cholesterinspiegel wiederum gilt als eigenständiger Risikofaktor für Alzheimer.
Trotz der noch nicht vollständig geklärten Zusammenhänge betonen die Forscher die klinische Relevanz ihrer Befunde. „Sowohl ein erhöhter Cholesterinspiegel als auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind potenziell vermeidbar, und ein erhöhter Cholesterinspiegel lässt sich in vielen Fällen mit einem gesunden Ernährungs- und Lebensstil senken“, erklärt Prof. Brenner. Regelmäßige körperliche Bewegung und eine vollwertige Kost, die beispielsweise reichlich Gemüse und Obst und wenig tierische Fette enthält, helfen demnach dabei, einen hohen Cholesterinspiegel zu vermeiden. „Was für die Herzgesundheit gut ist, ist auch für Gehirn und Gedächtnis gut. Das scheint bei Trägern des ApoE4-Risikofaktors besonders wichtig zu sein.“
Dr. Laura Perna und Dr. Ute Mons sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen in der von Prof. Brenner geleiteten Abteilung Klinische Epidemiologie und Alternsforschung am DKFZ. An der im Jahr 2000 gestarteten ESTHER-Studie nehmen rund 10.000 Saarländer teil. Die Studie wird gemeinsam vom DKFZ und dem am Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Saarlands angesiedelten Saarländischen Krebsregister durchgeführt. In der seit 1999/2000 laufenden KAROLA-Studie beobachten die Epidemiologen etwa 1.200 Patienten, die sich wegen einer koronaren Herzkrankheit einer klinischen Rehabilitation unterzogen haben.
Originalpublikation:
L. Perna, U. Mons, D. Rujescu, M. Kliegel, H. Brenner: Apolipoprotein E e4 and cognitive function: a modifiable association? Results from two independent cohort studies. Dementia and Geriatric Cognitive Disorders 2015 (24. Oktober 2015), doi: 10.1159/000440697