Kosmischer Mehrfacheinschlag vor rund 790.000 Jahren
22. Februar 2016
Foto: Institut für Geowissenschaften, Universität Heidelberg
Vor rund 790.000 Jahren gab es auf der Erde mehrere kosmische Einschläge mit globalen Auswirkungen. Diesen Schluss ziehen Geowissenschaftler der Universität Heidelberg, nachdem sie Altersbestimmungen bei sogenannten Tektiten aus verschiedenen Erdteilen durchgeführt haben. Die Forschergruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Mario Trieloff untersuchte mehrere solcher Gesteinsgläser, die bei Einschlägen von Asteroiden oder Kometen entstanden. Mit ihrer Datierungsmethode auf der Basis natürlich vorkommender Isotope gelang den Heidelberger Wissenschaftlern die bislang präziseste Datierung dieser Tektite. Die Untersuchungen zeigen, dass die Proben aus Asien, Australien, Kanada und Zentralamerika ein fast identisches Alter aufweisen, sich aber chemisch zum Teil deutlich unterscheiden. Dies deutet auf separate Einschläge hin, die etwa zur gleichen Zeit stattgefunden haben müssen. Die Ergebnisse der von Klaus Tschira Stiftung geförderten Arbeiten wurden im Fachjournal „Geochimica et Cosmochimica Acta“ veröffentlicht.
Die Forschungsgruppe bestimmt am Institut für Geowissenschaften und am Klaus-Tschira-Labor für Kosmochemie mit Hilfe von Isotopenmessungen das Alter von Kratern, die durch den Einschlag extraterrestrischen Gesteins hervorgerufen wurden. „Dadurch wissen wir, wann Geschosse welcher Größe wie oft und wo auf der Erde eingeschlagen sind“, erklärt Mario Trieloff. Nach seinen Angaben gibt es schon länger Hinweise darauf, dass vor etwa einer Million Jahren ein größeres Ereignis dieser Art die Erde traf. Das zeigen Tektite – sogenannte Gesteinsgläser, die bei Einschlägen dadurch entstanden, dass irdisches Material geschmolzen und bis zu einige hundert Kilometer fortgeschleudert wurde, wobei es zu Glas erstarrte.
„Solche Tektite sind schon länger aus dem australasiatischen Raum bekannt“, erklärt Dr. Winfried Schwarz, der Erstautor der Studie ist. Diese Gesteinsgläser bilden ein Streufeld, das sich von Indochina über den südlichsten Zipfel von Australien erstreckt. Kleinere Tektite, sogenannte Mikrotektite, wurden auch in Tiefseebohrkernen vor Madagaskar und in der Antarktis gefunden. Die Gesteinsgläser wurden somit über 10.000 Kilometer weit geschleudert, einige verließen dabei sogar die Erdatmosphäre. Den Heidelberger Forschern gelang nun mit der sogenannten 40Ar-39Ar-Datierungsmethode – analysiert wird der Zerfall des natürlich vorkommenden Isotopes 40K – die bislang präziseste Altersbestimmung dieser Tektite.
„Die Auswertung unserer Daten zeigt, dass es einen kosmischen Treffer vor rund 793.000 Jahren gegeben haben muss, mit einer möglichen zeitlichen Abweichung von plus oder minus 8.000 Jahren“, erläutert Winfried Schwarz. Die Heidelberger Wissenschaftler untersuchten zudem Proben aus Kanada und Zentralamerika. Die kanadischen Gesteinsgläser zeigten dieselbe chemische Zusammensetzung und dasselbe Alter wie die australasiatischen Tektite und könnten durch den Einschlag ähnliche „Flugstrecken“ wie die in Südaustralien oder der Antarktis gefundenen Objekte zurückgelegt haben. Allerdings müssen erst weitere Fundstücke bestätigen, dass die Fundstellen tatsächlich der Ort sind, an dem die Tektite ursprünglich niedergegangen sind, oder ob diese zum Beispiel von Menschen dorthin transportiert wurden, wie Dr. Schwarz betont.
Bei den Gesteinsgläsern aus Zentralamerika handelt es sich ebenfalls um Tektite – die ersten Exemplare wurden in Ruinen von Maya-Kultstätten gefunden. Inzwischen gibt es hunderte weiterer Funde in Zentralamerika. „Diese Tektite sind in der chemischen Zusammensetzung deutlich unterschiedlich, und auch ihre geographische Verbreitung zeigt, dass sie Folge eines separaten kosmischen Einschlags sind“, erklärt Dr. Schwarz. „Überraschenderweise belegen unsere Altersbestimmungen, dass sie vor 777.000 Jahren mit einer Abweichung von 16.000 Jahren entstanden sind. Innerhalb der Fehlergrenzen entspricht dieses Alter dem der australasiatischen Tektite.“
Diese Erkenntnisse lassen nach Angaben der Heidelberger Wissenschaftler den Schluss zu, dass es vor rund 790.000 Jahren mehrere kosmische Einschläge gab. Zusätzlich zu den Ereignissen im asiatisch-australischen und im zentralamerikanischen Raum entstand durch einen kleineren Einschlag etwa zeitgleich der Darwin-Krater in Tasmanien. „Die Verteilung der Tektite und die Größe des Streufeldes deuten darauf hin, dass der einschlagende Körper mindestens einen Kilometer groß war und bei seinem Einschlag innerhalb von Sekunden die ungeheure Energiemenge von etwa einer Million Megatonnen TNT freisetzte“, sagt Winfried Schwarz.
Dies hatte nach Angaben der Wissenschaftler gravierende Auswirkungen zur Folge: Auf lokaler Ebene gab es Feuer und Erdbeben im Umkreis hunderter Kilometer um die Einschlagsorte sowie hunderte Meter hohe Tsunamis bei Einschlag in den Ozean. Auf globaler Ebene wurden Staub und Gase in hohe Schichten der Atmosphäre ausgeworfen, was zu einer Beeinträchtigung der globalen Sonneneinstrahlung und entsprechenden Abkühlungseffekten führte. Zudem wurde die Biomasseproduktion beeinträchtigt, was aber den Forschern zufolge kein globales Massenaussterben wie bei den Sauriern vor rund 65 Millionen Jahren nach sich zog.