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Zur politischen und religiösen Rolle musikalischer Traditionen

Pressemitteilung Nr. 109/2016
10. August 2016
Im europäischen Forschungsprojekt „Sound Memories“ kooperieren Musikwissenschaftler aus fünf Ländern, darunter auch Heidelberger Forscher

Wie hat sich zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit eine Vorstellung von „musikalischer Vergangenheit“ entwickelt? Dieser Frage geht ein europäisches Forschungsteam mit Beteiligung von Musikwissenschaftlern der Universität Heidelberg nach. Mit Hilfe mehrerer Fallstudien wollen die Forscher aus fünf Ländern außerdem analysieren, auf welche Weise musikalische Traditionen für bestimmte politische und religiöse Zwecke bewusst aufgegriffen wurden. Das Projekt „Sound Memories: The Musical Past in Late-Medieval and Early-Modern Europe“ (SoundMe) wird mit insgesamt rund 1,2 Millionen Euro durch die Europäische Förderinitiative HERA unterstützt. Davon sind rund 180.000 Euro für die Heidelberger Forschungen vorgesehen. Die Förderung erfolgt über einen Zeitraum von drei Jahren.

„Im 13. Jahrhundert entstand in Paris auf der Basis neuer Notationsformen für mehrstimmige Musik auch eine neuartige Form großangelegter retrospektiver Musiksammlungen, in denen Repertoire kanonisiert wurde. Ausgehend davon wollen wir erforschen, wie bis zum 16. Jahrhundert musikalische Traditionen durch die Pflege ‚alter‘ oder sogar archaischer Stile und Repertoires bewusst in unterschiedlichen politischen und religiösen Zusammenhängen nutzbar gemacht wurden“, erläutert Prof. Dr. Inga Mai Groote vom Musikwissenschaftlichen Seminar der Universität Heidelberg. Die Heidelberger Arbeitsgruppe wird sich dabei insbesondere mit Beispielen aus dem protestantischen Deutschland beschäftigen. Dort blieben trotz der Neuerungen in Liturgie und Musikpraxis ältere Repertoires wie der lateinische Choral ganz bewusst in Gebrauch.

Neben Prof. Groote gehören dem internationalen Forschungsteam auch Wissenschaftler der Universitäten Cambridge (Großbritannien) und Prag (Tschechien) sowie der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau an. Die Koordination des Gesamtprojekts liegt bei Prof. Dr. Karl Kügle von der Universität Utrecht (Niederlande). Die wissenschaftlichen Arbeitsgruppen aus fünf Ländern werden sich regelmäßig zu Workshops treffen. Eine künstlerische Kooperation besteht mit dem niederländischen Ascoli Ensemble, das in Konzerten Werke aus den im Projekt erforschten Repertoires aufführen wird.

In der Förderinitiative „Humanities in the European Research Area“ – kurz HERA – haben sich 23 europäische Forschungsförderorganisationen zusammengeschlossen, zu denen auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gehört. Mit HERA verfolgen sie das Ziel, die Geisteswissenschaften im europäischen Forschungsraum zu stärken. Im Rahmen der Ausschreibung „Uses of the Past“ wurden Projekte ausgewählt, die sich damit auseinandersetzen, welchen Einfluss die Vergangenheit auf die Gestaltung von Gegenwart und Zukunft besitzt. Dabei geht es auch um die Frage, welche Rolle Individuen, Institutionen oder Gesellschaften dieser „Nutzung“ der Vergangenheit zumessen. „Sound Memories“ ist eines von 18 Verbundvorhaben, das aus über 600 Bewerbungen ausgewählt wurde. Die Forschungsarbeiten haben zum 1. Juli 2016 begonnen.

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 10.08.2016
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