Vom richtigen Umgang mit dem „jungen Alter“ und dem „alten Alter“
4. Mai 2017
Menschen in Deutschland altern heute später, länger und anders als frühere Generationen. Mit der Frage, wie man am besten mit der langen Phase des höheren Lebensalters umgeht, beschäftigt sich Prof. Dr. Hans-Werner Wahl, Alternsforscher an der Universität Heidelberg, in einer neuen Publikation. Der Wissenschaftler stellt darin aktuelle Befunde der Neuen Alternspsychologie vor. Vor dem Hintergrund eines neuen Verständnisses von Altern plädiert er dafür, sich bereits frühzeitig auf eine längere Alternsphase einzustellen, um bis zum Ende ein autonomes und reflektiertes Leben führen zu können.
Die heute 70-Jährigen sind körperlich und geistig etwa so fit wie vor 20 Jahren 60-Jährige, wie Hans-Werner Wahl erläutert. Nach seinen Worten bedeutet Älterwerden daher heute, zwei Phasen zu durchlaufen: Zunächst das „junge Alter“, eine durchaus sehr lange Phase zwischen dem 60. und 80. Lebensjahr mit weitgehender Beschwerdefreiheit, die noch viele Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten bietet. Darauf folgt die Phase des „alten Alters“ jenseits des 80. Lebensjahrs mit körperlichen und kognitiven Einschränkungen und deutlichen Verlusten, die durchschnittlich nochmals etwa fünf bis zehn Jahre dauert. „Gerade die physischen Herausforderungen des sehr hohen Alters erfordern völlig neue Bewältigungskompetenzen. Doch darauf sind wir noch schlecht vorbereitet“, betont der Wissenschaftler, der langjähriger Leiter der Abteilung für Psychologische Alternsforschung des Psychologischen Instituts war.
Bei der Bewältigung sollen Erkenntnisse der Neuen Alternspsychologie helfen, die Prof. Wahl in seinem Buch vorstellt und erläutert. So fühlen sich beispielsweise ältere Menschen nicht nur überwiegend deutlich jünger als sie tatsächlich sind, dieses Sich-Jünger-Fühlen macht sie nach den Worten des Wissenschaftlers auch tatsächlich jünger und zufriedener und lässt sie sogar länger leben. Langzeitstudien zeigen auch, dass ältere Menschen mit einer negativen Einstellung zu ihrem Alter einige Jahre später weniger gesund sind, sich weniger körperlich betätigen und auch kürzer leben als Senioren, die ihr Altern positiv sehen. „Alternsverläufe sind stärker beeinflussbar als bislang angenommen. Unsere Gesellschaft und unsere Versorgungssysteme nutzen diese Erkenntnisse aber noch nicht in ausreichender Weise“, erklärt Hans-Werner Wahl. „Wichtig ist daher, dass wir in noch viel stärkerem Maße positive Alternsbilder vermitteln, ohne aber die Begrenzungen durch körperliche und kognitive Einschränkungen unerwähnt zu lassen.“
Hans-Werner Wahl ist seit April 2017 Seniorprofessor an der Universität Heidelberg. Er wirkte von 1997 bis 2005 als Professor für Soziale und Ökologische Gerontologie am Deutschen Zentrum für Alternsforschung, ehe er an die Universität Heidelberg berufen wurde. Hans-Werner Wahl ist zudem Direktoriumsmitglied des Netzwerks AlternsfoRschung (NAR) der Ruperto Carola.