Heidelberger Forscher untersuchen die Bildung bakterieller Sporen
8. März 2018
Bild: Alper Mutlu
Bakterielle Sporen speichern Informationen zur individuellen Wachstumsgeschichte ihrer Vorläuferzellen und verfügen somit über ein „Gedächtnis“, das die verschiedenen Phasen des Lebenszyklus von Bakterien miteinander verbindet. Dies hat ein interdisziplinäres Forscherteam um Dr. Ilka Bischofs vom BioQuant-Zentrum der Universität Heidelberg in einer aktuellen Studie gezeigt. Das „Gedächtnis“ der Sporen könnte für das Auftreten verschiedener Anpassungsmerkmale von Mikroben verantwortlich sein. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.
„Um mit schwankender Nährstoffverfügbarkeit zurechtzukommen, können viele Bakterien zwischen zwei Zustandsformen wechseln“, erklärt Dr. Bischofs. „Im vegetativen Zustand wachsen und vermehren sich die Zellen. In den inaktiven Zustand wechseln Bakterien, indem sie Sporen ausbilden. So können sie auch unter ungünstigen Bedingungen überdauern, bis neue Nährstoffe ein Aufleben der Sporen ermöglichen.“ Diesen sogenannten adaptiven Lebenszyklus untersuchten die Wissenschaftler am Beispiel des Bakteriums Bacillus subtilis, das als Modellorganismus dient. Mithilfe von mikroskopischen Zeitrafferaufnahmen waren sie erstmals in der Lage, die Neubildung sowie das Aufleben der Sporen auf Einzelzellebene zu beobachten und in diesem Zusammenhang zu untersuchen, wie diese Prozesse korrelieren. Dabei fanden die Forscher heraus, dass die Sporen unterschiedlich stark auf die Gabe neuer Nährstoffe reagierten: So konnten insbesondere die Sporen aufleben, die bereits in einer frühen Phase der Nährstoffverknappung gebildet worden waren.
Als Grundlage dafür machten die Wissenschaftler unter anderem das Stoffwechselenzym Alanin Dehydrogenase aus. Bakterien produzieren das Enzym, wenn die Aminosäure L-Alanin verfügbar ist, und stoppen die Synthese, wenn dieser Nährstoff verbraucht ist. Wie Dr. Bischofs erläutert, kann das Enzym von einer Bakteriengeneration zur nächsten weitergegeben werden, bis es zur Bildung von Sporen kommt. Das Enzym wird auf die neu entstandenen Sporen übertragen und gespeichert. Dort bleibt es inaktiv, bis wieder Nährstoffe zur Verfügung stehen, die ein Aufleben der Sporen und damit ein erneutes Wachstum ermöglichen. „Somit erhalten Sporen ein stabiles phänotypisches Gedächtnis der Wachstums- und der Genexpressionshistorie ihrer Vorläuferzellen, das ihre Zukunft beeinflusst. Dieses sehr einfache Prinzip könnte auch auf weitere zelluläre Proteine zutreffen.“
Das phänotypische Gedächtnis hat weitreichende Auswirkungen auf den Entstehungsprozess von Sporen. Wie die Forscher zeigen konnten, besteht hier ein Konflikt zwischen Quantität und Qualität: Bakterien bilden entweder viele Sporen aus, die nur in nährstoffreicher Umgebung aufleben, oder aber weniger und bessere Sporen, deren Aufleben auch in nährstoffarmer Umgebung möglich ist. Indem es die verschiedenen Phasen des bakteriellen Lebenszyklus miteinander verbindet, könnte das „Gedächtnis“ der Sporen ein Motor für Anpassungen an ökologische Nischen und damit für das Auftreten verschiedener Anpassungsmerkmale von Mikroben verantwortlich sein.
An den Untersuchungen beteiligt waren neben Wissenschaftlern des Zentrums für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg sowie des ebenfalls an der Ruperto Carola angesiedelten Instituts für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie auch Forscher des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und des Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie in Marburg.