Spaltprodukt des Alzheimer-Schlüsselproteins APP stimuliert Nervenzellkommunikation
16. April 2018
Bild: Max Richter, Forschungsgruppe Müller
Ein Spaltprodukt des Alzheimer-Schlüsselproteins APP stimuliert Nervenzellkommunikation und Gedächtnis. Das Protein-Fragment, bekannt als APPsα, besitzt neuroprotektive Eigenschaften und wirkt als Signalmolekül auf andere Nervenzellen. Doch auf welche Weise beeinflusst es die Gehirnfunktionen? Ein internationales Forscherteam unter Leitung von Prof. Dr. Ulrike Müller, Wissenschaftlerin an der Universität Heidelberg, hat neue Erkenntnisse zum molekularen Mechanismus der zugrundeliegenden physiologischen Funktion gewonnen. Die Forscher entdeckten einen „Signalempfänger“ – einen Rezeptor – für APPsα, was Perspektiven für die Entwicklung neuer Behandlungsansätze für Alzheimer eröffnet.
Alzheimer wird ausgelöst durch Ansammlungen unlöslicher Eiweißbestandteile, die als extrazelluläre Ablagerungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten gefunden werden. Hauptbestandteil ist das β-Amyloid-Peptid (Aβ), das die Nervenzellen schädigt, bis sie absterben. Dieses kleine Peptid entsteht durch Spaltung aus einem wesentlich größeren Vorläufer, dem Amyloid Precursor Protein (APP). Lange galt die Annahme, dass vor allem die Überproduktion des β-Amyloid-Peptids zu Alzheimer führt. „Neue Untersuchungen zeigen jedoch, dass es im Zuge der Erkrankung gleichzeitig zu einer APPsα-Reduktion kommt. APPsα wirkt als Gegenspieler des schädigenden Aβ“, so Prof. Müller. „Bei Alzheimer kommt es zu einer Fehlregulation der APP-Spaltung, wodurch zu wenig APPsα produziert wird.“
Um herauszufinden, wie das neuroprotektive APPsα die Gehirnfunktionen beeinflusst, wurde das lösliche Protein-Fragment APPsα mittels viraler „Fähren“ in den Hippocampus von genetisch veränderten Mäusen eingebracht. Der Hippocampus ist eine Hirnregion, die als entscheidend für die Gedächtnisbildung gilt. Die Forscher konnten zeigen, dass APPsα die Zahl der synaptischen Kommunikationsstellen zwischen Nervenzellen erhöht. „Damit verbunden kam es zu einer effizienteren Nervenzellkommunikation und einem besseren Gedächtnis in Lerntests“, so Ulrike Müller, die als Professorin für Funktionelle Genomik am Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie der Universität Heidelberg forscht.
Weiterführende elektrophysiologische Experimente brachten den Beleg, dass APPsα als Signalmolekül auf die synaptischen Kontakte bestimmter Nervenzellen wirkt. Diese Kontakte nutzen den Neurotransmitter Acetylcholin, der einer der wichtigsten Botenstoffe für die Übertragung von Signalen zwischen Nervenzellen ist. Das Protein-Fragment APPsα stimuliert die Signalweiterleitung durch die Acetylcholin-Rezeptoren und erhöht ihre natürliche Ansprechbarkeit. Die Forscher haben somit im Tiermodell das erste Mal einen Rezeptor für APPsα identifiziert. „Dies eröffnet neue Möglichkeiten für die Alzheimer-Forschung, etwa im Hinblick auf eine Erhöhung der APPsα-Menge im Gehirn “, sagt Prof. Müller.