Sterne entstehen in losen Ansammlungen
20. April 2018
Bildquelle: ESA/ATG medialab; Hintergrundbild: ESO/S. Brunier
Basierend auf den bisher veröffentlichten Daten aus der Gaia-Mission haben Forscher der Universität Heidelberg die Bedingungen der Sternentstehung abgeleitet. Der Satellit Gaia vermisst die dreidimensionalen Positionen und Bewegungen der Sterne in der Milchstraße in bisher nie erreichter Genauigkeit. Aus diesen Daten ermittelten Dr. Jacob Ward und Dr. Diederik Kruijssen die Positionen, Entfernungen und Geschwindigkeiten einer großen Anzahl von jungen, massiven Sternen innerhalb von 18 nahegelegenen losen Sternansammlungen. Dabei konnten die Wissenschaftler zeigen, dass es keinerlei Anhaltspunkte für eine Expansion dieser Ansammlungen gibt. Sie können daher nicht als dichtes Cluster entstanden und im Anschluss auf ihre heutige Ausdehnung expandiert sein.
Das seit langer Zeit vorherrschende Modell der Sternentstehung besagt, dass Sterne vorwiegend in relativ dicht gepackten Sternhaufen, sogenannten Clustern, entstehen. Die Experten sprechen hier vom „monolithischen“ Modell der Sternentstehung. Jede Ansammlung von jungen Sternen, die heute beobachtet werden kann, muss danach ihren Ursprung in einem oder auch mehreren deutlich dichteren Sternhaufen gehabt haben. Im Anschluss an die Entstehung der Sterne haben diese Cluster das verbleibende molekulare Gas ausgestoßen und konnten aufgrund des Verlustes an gravitativ bindender Masse expandieren. Auf diese Weise müssten sich die heute weniger dichten Ansammlungen von Sternen gebildet haben und noch viele Millionen Jahre lang deutliche Zeichen einer starken Expansion zeigen.
Die Ergebnisse ihrer Forschungen sind für Dr. Ward und Dr. Kruijssen ein deutlicher Hinweis darauf, dass das „monolithische“ Modell der Sternentstehung in diesem Zusammenhang nicht tragfähig ist. Die beiden Wissenschaftler favorisieren daher einen anderen Erklärungsansatz, nach dem sich die Geburt der Sterne nur in wenigen Fällen innerhalb eines dichten Clusters abspielt. Vielmehr bilden sich Sterne über ausgedehnte molekulare Gaswolken mit einem breiten Spektrum von Dichten. Mit diesem „hierarchischen“ Modell der Sternentstehung lassen sich heutige Sternhaufen und Sternansammlungen unterschiedlicher Dichte ohne weitere Expansion erklären.
Die nächste Veröffentlichung von Daten der Gaia-Mission ist für den 25. April dieses Jahres geplant. Damit werden dann über eine Milliarde Sterne erfasst worden sein – mindestens das Fünfhundertfache der zwei Millionen Sterne, die in dieser ersten Untersuchung genutzt werden konnten. Mit diesen neuen Daten wird es Jacob Ward und Diederik Kruijssen möglich sein, ihre Studie auf potentiell hunderte von losen Sternansammlungen – sogenannten OB-Assoziationen – auszudehnen und der Frage nach dem Ursprung der Sterne weiter auf den Grund zu gehen. Dr. Ward und Dr. Kruijssen forschen am Astronomischen Rechen-Institut, das zum Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg gehört. Ihre Forschung ist Teil der Arbeiten am Sonderforschungsbereich „Das Milchstraßensystem“ (SFB 881), der an der Universität Heidelberg angesiedelt ist.
Bildquelle: Davide De Martin & the ESA/ESO/NASA Photoshop FITS Liberator