Quantenmechanik: Verschränkungen in ultrakalten Atomwolken
27. Juni 2018
Foto: Philipp Kunkel, SynQS
Als verschränkt oder auch quantenkorreliert wird der Zustand eines Systems bezeichnet, bei dem sich zwei oder mehr Teilchen nicht mehr als Kombination jeweils unabhängiger Zustände beschreiben lassen, sondern nur durch einen gemeinsamen Zustand. Wissenschaftlern am Kirchhoff-Institut für Physik der Universität Heidelberg ist es nun gelungen, sogenannte nichtlokale Quantenkorrelationen zwischen ultrakalten Wolken von Rubidium-Atomen nachzuweisen. Damit konnten die Forscher um Prof. Dr. Markus Oberthaler und Prof. Dr. Thomas Gasenzer wichtige neue Erkenntnisse zur Charakterisierung von quantenmechanischen Vielteilchensystemen gewinnen.
Die Theorie der Quantenmechanik sagt Korrelationen vorher, die der Intuition zuwiderlaufen. Solche Quantenkorrelationen scheinen im Widerspruch zu stehen zur Heisenbergschen Unschärferelation: Sie besagt, dass zwei Eigenschaften eines Objekts wie Ort und Geschwindigkeit nie gleichzeitig exakt bestimmt sein können. In quantenmechanischen Systemen lassen sich jedoch zwei Teilchen so präparieren, dass es die Ortsbestimmung von Teilchen eins möglich macht, die Position des zweiten exakt vorherzusagen. Genauso erlaubt die Geschwindigkeitsmessung des einen Teilchens die Vorhersage der Geschwindigkeit des anderen. „In diesem Fall müssen sowohl Ort als auch Geschwindigkeit von Teilchen zwei schon vor der Messung exakt bestimmt sein“, erläutert Prof. Oberthaler. „Das Messergebnis an Teilchen eins kann nicht sofort am Ort von Teilchen zwei vorliegen, wenn beide räumlich voneinander getrennt sind.“
Diese gleichzeitige Bestimmtheit von Ort und Geschwindigkeit ist aber durch die Unschärferelation eigentlich nicht möglich. Der scheinbare Widerspruch löst sich dadurch auf, dass in der quantenmechanischen Beschreibung nicht von zwei getrennten Objekten gesprochen werden kann, wenn diese korreliert, also verschränkt sind. „Wenn wir nachweisen können, dass sich Messergebnisse verschiedener Beobachtungsgrößen in einem System durch Messungen an einem zweiten, entfernten System tatsächlich vorhersagen lassen, dann können wir diesen Nachweis verwenden, um auch eine Verschränkung zu belegen – und genau das haben wir in unserem Experiment gezeigt“, so der Erstautor der Studie, Philipp Kunkel.
In ihrem Experiment benutzten die Forscher eine Wolke von rund 11.000 Rubidium-Atomen, die sie auf extrem niedrige Temperaturen kühlten und mit Laserlicht in einer Vakuumkammer in der Schwebe hielten. Damit sollten jegliche Störeffekte wie zum Beispiel Stöße mit Luft-Molekülen ausgeschlossen werden. Die Arbeit mit ultrakalten Atomen ist erforderlich, da Quanteneffekte erst bei sehr niedrigen Temperaturen nachweisbar werden. Unter diesen extremen Bedingungen ist es zudem möglich, vergleichbar zu Ort und Geschwindigkeit den internen Zustand der Teilchen, oftmals Spin genannt, zu messen. So konnten wir den Spin in der einen Hälfte der Wolke durch eine Messung an der anderen Hälfte genauer vorhersagen, als es die lokale Unschärferelation erlauben würde“, erklärt Philipp Kunkel.
Die Charakterisierung von quantenmechanischen Vielteilchensystemen ist unter anderem von Bedeutung für künftige Anwendungen wie Quantencomputer oder die Quantenkommunikation. Die aktuellen Heidelberger Forschungsergebnisse wurden in „Science“ veröffentlicht.