Klima im Mittelmeerraum als Schrittmacher für die Gletscherbildung in Europa
12. Juli 2018
Eiszeiten sind wiederkehrende Phänomene in der jüngeren Erdgeschichte. Die dabei entstandenen Gletscher haben die Landschaft Europas maßgeblich geprägt. Ein internationales Wissenschaftlerteam um Dr. Stefanie Kaboth vom Institut für Geowissenschaften der Universität Heidelberg hat nun nachgewiesen, dass das Ausmaß der Vergletscherung in Westeuropa maßgeblich von der Zufuhr warmen Meerwassers an die europäische Atlantikküste gesteuert wurde, die einen höheren Niederschlag in Kontinentaleuropa zur Folge hatte. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Geophysical Research Letters“.
Der Mechanismus für das Heranführen warmen Meerwassers aus dem Süden besteht in einem verstärkten Ausstrom salzigen Mittelmeerwassers durch die Straße von Gibraltar in den Atlantik. Sobald es den Atlantik erreicht, sinkt es dort wegen seines hohen Salzgehalts und damit seiner großen Dichte ab. Dabei entsteht eine Sogwirkung, durch die warmes Oberflächenwasser aus dem subtropischen Atlantik an die Küste Portugals gepumpt wird. „Während der Eiszeiten entstand dadurch ein erhöhter Temperaturkontrast im Verhältnis zum kalten europäischen Kontinent. Die über dem Ozean verdunstende Feuchtigkeit wurde mit den Westwinden nach Kontinentaleuropa transportiert und trug dort als Niederschlag zum Wachstum der sich voranschiebenden Eismassen bei“, erläutert Dr. Kaboth.
Um die Rolle des Mittelmeerausstroms in diesem Prozess besser zu verstehen, haben die Wissenschaftler dessen Dynamik über einen Zeitraum von 250.000 Jahren rekonstruiert. Sie untersuchten dazu mithilfe geochemischer Methoden Bohrkerne aus dem Atlantik, die im Rahmen des internationalen „Integrated Ocean Drilling“-Programms gewonnen wurden. „Unsere Daten zeigen erstmals, dass der Mittelmeerausstrom als Stellschraube für die Ausbreitung kontinentaler Eismassen in Europa fungierte“, so Dr. Kaboth.
Wie die Heidelberger Geowissenschaftlerin weiter erläutert, hängt die Stärke des Mittelmeerausstroms im Wesentlichen von der Intensität des afrikanischen Monsuns ab. Dies ergibt sich aus der Herkunft des Wassers, das in den Atlantik strömt: Es entsteht zum größten Teil im östlichen Mittelmeer, wo trockene und heiße Bedingungen zu einer hohen Verdunstungsrate und damit einem hohen Salzgehalt im Oberflächenwasser führen. Im Winter kühlen diese Wassermassen ab, werden dichter und fließen in größerer Tiefe Richtung Westen ab, wo sie das Mittelmeer durch die Straße von Gibraltar verlassen. Wenn allerdings starker Monsun-Niederschlag in Nordostafrika zu einem erhöhten Frischwassereinstrom ins Mittelmeer führt, wird die Bildung dieses dichten, salzigen Wassers unterbunden und somit auch der Mittelmeerausstrom abgeschwächt. Umgekehrt forcieren sehr trockene Verhältnisse im östlichen Mittelmeer, wie sie aktuelle Klimamodelle vorhersagen, das Entstehen salzigen Oberflächenwassers und sorgen somit für einen verstärkten Ausstrom aus dem Mittelmeer.
„Unsere Ergebnisse können nicht nur erklären, warum die eiszeitlichen Gletscher bei ihren Vorstößen nach Süden an unterschiedlichen geographischen Wegmarken zum Stehen kamen, sondern liefern auch neue Erkenntnisse über den Wärme- und Feuchtigkeitstransport nach Europa. Überträgt man unsere Beobachtungen aus der Vergangenheit auf die zukünftige Klimaentwicklung, so würde ein verstärkter Mittelmeerausstrom als Konsequenz verstärkter Trockenheit im Mittelmeerraum einen erhöhten Wärmetransport für die Iberische Halbinsel bedeuten. Diese zusätzlich herantransportierte ozeanische Wärme würde aller Voraussicht nach das Risiko für unwetterartige Starkregenereignisse für diese Region verstärken“, erklärt Dr. Kaboth.
Nach Ansicht der Heidelberger Geowissenschaftlerin muss daher die Rolle des durch den Monsun angetriebenen Mittelmeerausstroms und seine Auswirkungen auf die Ozeanographie an der Türschwelle Europas in Klimaprognosen stärker berücksichtigt werden. An der Studie haben Forscher aus Deutschland, den Niederlanden, Japan, Frankreich und Taiwan mitgewirkt.