Mit mehreren Waffen schlagen
Ein kombiniertes Verfahren soll die Therapie von Tumoren der Bauchspeicheldrüse verbessern
von Thilo Hackert und Markus Büchler
Der Krebs der Bauchspeicheldrüse, das „Pankreaskarzinom“, ist ein bösartiger Tumor mit außerordentlich schlechten Heilungsaussichten: Das Fünf-Jahres-Überleben liegt bei nur etwa einem Prozent. Diese schlechte Prognose beruht auf der biologischen Aggressivität des Tumors und der häufig erst sehr spät erfolgenden Diagnose. Bei 80 bis 90 Prozent der Patienten ist die Erkrankung zum Zeitpunkt der Diagnosestellung schon so weit fortgeschritten, dass keine Heilung mehr erzielt werden kann. Zu verbessern ist die Behandlung des Tumorleidens nur, wenn es gelingt, den gefährlichen Tumor frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig einer wirksamen Behandlung zuzuführen.
Die einzige Therapie, die bislang eine Chance auf Heilung bietet, ist die Operation. Während des Eingriffs werden der tumorbefallene Teil der Bauchspeicheldrüse oder das gesamte Organ entfernt. Mit einer derartigen Operation können Fünf-Jahres-Überlebensraten von etwa 25 Prozent erzielt werden, vorausgesetzt, der Tumor hat noch keine Tochtergeschwülste (Metastasen) im Bauchfell, in der Leber oder in anderen Organen abgesiedelt.
Operationen der Bauchspeicheldrüse sind äußerst anspruchsvolle chirurgische Eingriffe, die nur an spezialisierten Zentren mit viel Erfahrung erfolgen sollten. Nur so können Komplikationen und Gefährdungen des Patienten vermieden werden. In der Chirurgischen Klinik der Universität Heidelberg erfolgen pro Jahr rund 500 Eingriffe an der Bauchspeicheldrüse, sodass Heidelberg über eine sehr große Expertise verfügt, sowohl von chirurgischer Seite her als auch bei der Betreuung der Patienten vor, während und nach der Operation.
Entscheidend ist, dass zusätzlich zur Operation eine sogenannte adjuvante Therapie erfolgt. Die adjuvante (unterstützende) Therapie hat zum Ziel, die Bildung von Metastasen sowie ein örtliches Wiederauftreten des Tumors (Rezidiv) zu verhindern. Die adjuvante Therapie des Pankreaskarzinoms erfolgt heute in der Regel als Standard-Chemotherapie mit den Medikamenten Gemcitabine, 5-Fluorouracil oder Cisplatin. Trotz der medikamentösen Therapie, die zudem mit für den Patienten belastenden Nebenwirkungen einhergehen kann, schreitet die Erkrankung bei bis zu 70 Prozent der Patienten innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Operation fort. Es wird deshalb intensiv nach neuen Wirkstoffen und Strategien gesucht, die geeignet sind, die Prognose des Pankreaskarzinoms zu verbessern. Dazu arbeiten Grundlagenforscher und Kliniker eng zusammen. Wichtig ist, dass die von Grundlagenforschern im Labor erarbeiteten Ergebnisse möglichst rasch den Patienten in der Klinik zugute kommen. Dazu erforderlich sind klinische Studien.
Die mithilfe der Magnetresonanztomographie, einem modernen bildgebenden Verfahren, erstellte Aufnahme, zeigt links die Leber (weißer Pfeil) und rechts die Milz (gestrichelter Pfeil). Der gepunktete Pfeil zeigt auf die Hauptschlagader (Aorta). Der weiße Kreis umschließt einen Tumor der Bauchspeicheldrüse. Alljährlich erkranken in Deutschland rund 13 000 Menschen an Bauchspeicheldrüsenkrebs.
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Die derzeitigen Studien zur Verbesserung der Therapie des Pankreaskarzinoms prüfen neben der klassischen Chemotherapie neue Ansätze wie beispielsweise eine Therapie mit Antikörpern, die Tumorzellen gezielt angreifen sollen. Geprüft wird auch, ob es sinnvoll ist, nach erfolgter Operation eine Bestrahlung vorzunehmen, um möglicherweise einzelne, örtlich verbliebene Zellen abzutöten. Darüber hinaus erfolgen klinische Studien zu der Frage, wie die körpereigene Abwehr im Kampf gegen den Tumor aktiviert werden kann, oder wie die häufig mit der Tumorerkrankung einhergehende körperliche Auszehrung zu verhindern ist.
Ein besonders umfassender Studienansatz ist die „CapRI-Studie“ (CapRI=ChemoRadioImmunotherapy for Pancreatic Cancer). Bei Patienten, die an dieser Studie teilnahmen, erfolgte zunächst die Operation; innerhalb von zwölf Wochen nach dem Eingriff wurden sie mit einer Kombination verschiedener Maßnahmen behandelt: Sie erhielten die Zytostatika 5-Fluorouracil und Cisplatin, sie wurden bestrahlt, und es wurde ihnen eine immunstimulierende Substanz (Interferon alpha) verabreicht. Diese kombinierte Vorgehensweise wurde anschließend mit der herkömmlichen Standard-Chemotherapie (der alleinigen Gabe des Medikaments 5-Fluorouracil) verglichen und das Gesamtüberleben der Patienten sowie die therapiebedingten Nebenwirkungen untersucht.
Die Nachbeobachtungen der ersten CapRI-Studie (CapRI I) sind derzeit noch nicht vollständig abgeschlossen; die bislang vorliegenden Ergebnisse zeigen jedoch ein besseres Ansprechen auf die kombinierte Therapie, weshalb derzeit in der Nachfolgestudie CapRI II der Beitrag der einzelnen Behandlungskomponenten detailliert untersucht wird. In die CapRI-II-Studie fließen alle grundlagenwissenschaftlichen Untersuchungen ein, die bereits während der CapRI-I-Studie erarbeitet worden sind.
Dabei stellte sich beispielsweise heraus, dass durch die Gabe von Interferon weiße Blutzellen aktiviert werden, die fähig sind, Tumorzellen abzutöten. Bei Untersuchungen mit Tieren erwies sich das Zytostatikum 5-Fluorouracil als Hemmstoff, der das Wachstum von Gefäßen unterbinden kann, die der Tumor für seine Blutversorgung braucht. Die Hemmung dieser „Angiogenese“ – des Einwachsens von Blutgefäßen in den Tumor – konnte durch die Bestrahlung und die Gabe von Interferon zusätzlich verstärkt werden. Aufgrund der Unterversorgung des Tumors mit Nährstoffen und Sauerstoff sterben die entarteten Zellen ab.
Diese im Labor beobachteten Effekte gilt es, hinsichtlich ihrer Relevanz für die Therapie von Pankreaskarzinom-Patienten zu untersuchen. Es gilt zudem herauszufinden, welche Einzelkomponenten der komplexen kombinierten Therapie die stärkste Wirkung auf den Tumor haben. In der derzeit laufenden CapRI-II-Studie werden die Patienten deshalb drei Studienarmen zugeordnet: Eine Patientengruppe wird nach der Operation mit dem Zytostatikum 5-Fluorouracil und zuzüglich mit der immunstimulierenden Substanz Interferon behandelt; eine zweite Patientengruppe erhält 5-Fluorouracil sowie Interferon und wird zudem bestrahlt; die dritte Patientengruppe erhält zusätzlich Cisplatin. Mit dieser Aufteilung der Therapiekomponenten auf unterschiedliche Patientengruppen soll es gelingen, die Wirksamkeit der Einzelkomponenten hinsichtlich des Überlebens der Patienten herauszuarbeiten.
Erst wenn die Bedeutung einzelner Komponenten für das Therapieresultat bekannt ist, lassen sich möglicherweise nicht notwendige Medikamente aus dem Behandlungsprotokoll streichen und den Patienten unnötige Nebenwirkungen ersparen; möglicherweise erweist sich auch die Bestrahlung und damit einhergehende Belastungen des Patienten als verzichtbar, ohne dass sich dadurch die Heilungsaussichten mindern.
Die klinische Umsetzung der in der Grundlagenforschung und der vorangegangenen CapRi-I-Studie erarbeiten Ergebnisse erfolgt in enger Zusammenarbeit mit der Heidelberger Chirurgischen Klinik und dem Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), ebenfalls Heidelberg. Die Patienten werden bereits vor der Operation von Mitarbeitern der Pankreassprechstunde des Europäischen Pankreaszentrums in der Chirurgischen Klinik betreut. Während ihres Aufenthaltes auf der Station werden die Patienten über die Möglichkeit, an der Studie teilzunehmen, informiert und im NCT vorgestellt. Jeder Patient wird individuell beraten und verfügt sowohl in der Chirurgischen Klinik als auch im NCT über Ansprechpartner, die ihm bei Fragen und Unklarheiten weiterhelfen.
Die im Laufe der CapRI-II-Studie gewonnenen Resultate sollen international in einer großen europäischen Studie zur Therapie der Pankreaskarzinoms (ESPAC 6) geprüft werden. Das langfristige Ziel ist es, anhand großer Patientenzahlen die adjuvante Behandlung des Pankreaskarzinoms zu optimieren und die Prognose des Tumorleidens in Zukunft nachhaltig zu verbessern.
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Prof. Dr. Markus W. Büchler ist seit 2001 Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie der Universität Heidelberg. Nach dem Medizinstudium in Heidelberg und Berlin folgte die chirurgische Ausbildung am Universitätsklinikum Ulm (Prof. Dr. H.-G. Beger), wo er 1987 habilitierte und ab 1991 als leitender Oberarzt tätig war. Von 1993 bis 2001 leitete er als Ordinarius die Chirurgische Klinik am Inselspital in Bern, bevor er 2001 als Nachfolger von Prof. Ch. Herfarth nach Heidelberg berufen wurde.
Neben der Mitgliedschaft in zahlreichen Fachgesellschaften ist Prof. Büchler Mitglied im Editorial Board verschiedener hochrangiger deutscher und internationaler Zeitschriften. Er erhielt für seine wissenschaftlichen Arbeiten auf dem Gebiet der Viszeralchirurgie und Tumorforschung Auszeichnungen von den verschiedensten Fachgesellschaften, darunter der International Association of Pancreatology, der European Association for Gastroenterology and Endoscopy, sowie der Finnish Surgical Society und Swiss Surgical Society.
Kontakt: markus_buechler@med.uni-heidelberg.de
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Priv.-.Doz. Dr. Thilo Hackert ist Oberarzt im Europäischen Pankreaszentrum der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie der Universität Heidelberg. Im Pankreaszentrum werden sehr viele Patienten, die an einem Tumor der Bauchspeicheldrüse erkrankt sind, betreut. Dies umfasst alle erforderlichen Untersuchungen, Operationen und die Nachsorge.
Kontakt: thilo_hackert@med.uni-heidelberg.de