Expedition in die Vergangenheit
Wann besiedelten die ersten Menschen Amerika?
von Wolfgang Stinnesbeck
Bislang glaubten die Wissenschaftler, dass die ersten Menschen vor 11 000 Jahren vom Norden Asiens aus über die Beringstraße nach Nordamerika wanderten und den Kontinent besiedelten. Neue Fossilfunde indes lassen Zweifel an dieser Hypothese aufkommen. Die Fossilien stammen aus unterirdischen Labyrinthen, die bislang als unerreichbar galten: In einem gigantischen Höhlensystem im Süden von Mexiko scheint der Schlüssel verborgen, mit dem das Rätsel nach der Herkunft der frühen Besiedler des amerikanischen Kontinets gelöst werden kann. Auf ihren Expeditionen in die Tiefen der Vergangenheit haben Heidelberger Wissenschaftler erstaunliche Entdeckungen gemacht.
Nur wenige Kilometer von den traumhaften Korallenstränden von Akumal und Tulum entfernt, ist die Hitze des südmexikanischen Urwalds unerträglich. Schon vor Stunden sind die vier Taucher im Wasserloch am Rande der Straße verschwunden, ich bin allein auf der Ladefläche unseres Trucks zurückgeblieben. „Chan Hol“, auf Maya „kleines Loch“, heißt der schwarze Tümpel neben mir mitten im Urwald – wir sind dabei, sein in der Tiefe verborgenes Geheimnis zu lüften.
Der Himmel hat sich zugezogen. Auf die ersten schweren Tropfen folgt ein heftiger Regenguss. Für kurze Zeit hält er zumindest die Mücken ab, Abkühlung aber bringt auch er nicht. In Minuten bildet sich am Wegrand ein kleiner Bach, Blitze zucken aus allen Himmelsrichtungen, der Wind zerrt an den Palmen. Nach einer halben Stunde ist der Spuk vorbei. Auch die Pfützen am Wegrand sind wieder abgetrocknet.
Die weißen Karstfelsen im schütteren Urwaldboden der Halbinsel Yucatan sind löchrig wie ein Schweizer Käse. Sie bilden den Ursprung eines der größten Höhlensysteme der Erde. 7000 Kilometer soll das Labyrinth aus Gängen, Spalten, Tunneln und Kammern lang sein, nur ein Bruchteil davon ist bislang kartiert. In mehreren übereinanderliegenden Stockwerken zieht das heute fast vollständig mit Wasser gefüllte Höhlensystem bis in mehr als 100 Meter Tiefe.
Hier in Chan Hol, nur wenige Kilometer vom Karibikstrand entfernt, reicht das Süßwasser bis in Tiefen von etwa zehn Metern hinab; darunter lagert vom Meer eingesickertes dichtes, schweres Salzwasser. Hunderte wassergefüllte Dolinen bilden die Eingänge zur versunkenen Unterwelt von Yucatan – einer davon ist der Tümpel von Chan Hol. „Cenote“ haben die Mayas diese Löcher genannt, die schachtartig in den Kalkstein hineinreichen.
Versunkene Labyrinthe
Spiegelglatt und schwarz ist die Oberfläche des Tümpels am Wegrand. Noch besteht kein Grund zur Sorge. Die Taucher, die irgendwo unter meinen Füßen einen weiten Weg zurücklegen, haben jahrelange Erfahrung. Dennoch ist das untätige Warten beklemmend. Die unterirdische Kammer von Chan Hol liegt in einer Tiefe von 26 Metern und ist etwa 500 Meter vom Cenote des Urwaldsees entfernt. Das Höhlensystem ist hundertfach verästelt, jeder falsche Abzweig, jedes Versagen der Ausrüstung, jeder Schwäche- oder Panikanfall würde den Tod bedeuten. In der tiefen Schwärze der Höhlen käme jede Hilfe zu spät. Ohne Kommunikation mit der Außenwelt sind die Taucher ganz auf sich allein gestellt. Denn auch heute noch ist jeder Tauchgang trotz verbesserter Ausrüstung, gespannter Führungsleinen, doppelter Tanks und Stirnlampen, spezieller Luftgemische und moderner Tauchcomputer ein lebensgefährliches Wagnis.
Der mexikanische Archäologe Arturo González und sein Begleiter Jerónimo Avilés bergen die Knochen eines prähistorischen Menschen in Chan Hol,einer Unterwasserhöhle mitten im Urwald von Süd-Mexiko.
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Endlich kräuseln aufsteigende Luftblasen das Wasser. Schwach ist in der Tiefe der Schein von Taschenlampen zu erkennen – Erleichterung. Die Taucher haben den Weg zurück aus dem versunkenen Labyrinth gefunden. Noch erwartet sie ein langsamer Aufstieg. Denn die Luft in ihren Körpern hat sich in den vergangenen Stunden an die Wassertiefe angepasst, ein zu schneller Aufstieg würde zu einer raschen Expansion führen, ein qualvoller Tod durch Dekompression wäre die Folge.
Jetzt ist es so weit. In ihren schwarzen Neoprenanzügen erscheinen Flor de Maria, Jerónimo, Eugenio und Arturo schnell hintereinander an der Wasseroberfläche und nehmen die Taucherbrillen ab. Der Tauchgang war erfolgreich: Mit strahlendem Lächeln überreichen sie eine Plastikbox. Sie ist mit Wasser gefüllt – durch die transparente Außenwand schimmern gelblichweiße Knochen.
Yucatan am Ende der Eiszeit
Dutzende solcher Tauchgänge haben der mexikanische Archäologe Arturo Gonzalez und seine Gruppe professioneller Höhlentaucher in den Cenotes und Höhlen Yucatans bereits in den vergangenen zehn Jahren zurückgelegt und dabei eine Vielzahl fossiler Knochen geborgen. Die Fossilien geben Auskunft über die Umweltbedingungen, die auf Yucatan herrschten, lange bevor die Mayas dort zu einer der führenden Hochkulturen Lateinamerikas aufstiegen.
Der Zahn eines Mastodonten, eines seit langer Zeit ausgestorbenen Rüsseltiers, entdeckten Taucher in der südmexikanischen Unterwasserhöhle Nai Tucha.
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Die Halbinsel Yucatan galt lange Zeit als quasi fossilleer. Die im Urwaldboden enthaltenen Huminsäuren, wurde vermutet, haben Knochen und Schalenmaterial aufgelöst, Fossilien seien deshalb nicht zu finden. Dass unter dem Boden ein zweites Fossilarchiv mit ungleich besseren Erhaltungsmöglichkeiten existiert, war bis vor wenigen Jahren gänzlich unbekannt. Mittlerweile haben es technisch verbesserte Tauchausrüstungen möglich gemacht, selbst in tiefe und entlegene Bereiche dieser Höhlensysteme vorzudringen. In diesen früher als unerreichbar geltenden Regionen ließen sich erstaunliche fossile Entdeckungen machen. Sie zeichnen ein gänzlich neues Bild von der Vergangenheit der Halbinsel Yucatan.
Demnach war Yucatan damals bevölkert von eiszeitlichen Elefanten, von Lama-ähnlichen Kamelen, Riesenfaultieren und metergroßen Verwandten der heutigen Gürteltiere. Auch Pferde, Antilopen, Tapire, Füchse und Pumas lebten auf der Halbinsel. Die prähistorische Tierwelt belegt, dass Yucatan gegen Ende der letzten Eiszeit noch nicht von Urwald bedeckt war. Auf der Halbinsel erstreckten sich vielmehr offene und weitgehend trockene Savannen und Prärien. Sicher ist, dass es keine oberflächlichen Flüsse oder Seen auf Yucatan gab. Aufgrund des viel tiefer liegenden Grundwasserspiegels und der intensiven Verkarstung des kalkigen Untergrundes floss alles Wasser unterirdisch ab, vermutlich in Tiefen von mehreren Zehnermetern unter der heutigen Ebene. Dies belegen auch die bis in große Tiefen reichenden Tropfsteinbildungen.
Wie die Tiere, deren Knochen wir heute auffinden können, einst in die Höhlen gerieten, ist unklar. Einige stürzten womöglich in schlecht sichtbare tiefe Karstspalten und Dolinen, verletzten sich beim Fall und starben. Starke Regengüsse verfrachteten ihre Knochen sodann bis tief in die Höhlen hinein. Wieder andere Tiere zogen sich vielleicht zum Sterben in die Höhlen zurück und wurden dort als vollständige Skelette überliefert. Sicherlich suchten Tiere in den tiefen Senken auch nach Wasser oder versteckten sich vor Räubern.
Das Skelett eines Riesenfaultiers fanden die Forscher in der Unterwassserhöhle Sac Actun.
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In jedem Fall gelangten die in Yucatan aufgefundenen Großsäuger zu einem Zeitpunkt in die Höhlen, als diese noch trocken lagen. Darauf deutet beispielsweise die teilweise Bedeckung der Knochen durch Sinter und Stalagmiten hin. Auch das Auftreten vollständiger oder weitgehend zusammenhängender Skelette ist ein Beleg dafür, dass die Höhlen damals noch nicht mit Wasser gefüllt waren. Denn wären die Leichen der Tiere erst nach dem Anstieg des Wassers in die Höhlen gespült worden, müssten ihre Knochen weit verstreut liegen und nach Größe oder Schwere sortiert sein. Auch dass Tierleichen langsam eindrifteten, ist eher unwahrscheinlich: Es scheint unmöglich, dass der dafür erforderliche Strömungstransport bis in die entlegenen Bereiche des unterirdischen Systems geführt haben könnte; zudem wären auch dann exponierte Teile des treibenden Kadavers im Laufe des Verwesungsprozesses abgefallen und getrennt vom Rest des Körpers abgelagert worden.
Die Überflutung des Höhlensystems ereignete sich vor etwa 11.000 Jahren am Ende der letzten Eiszeit. Die Temperaturen stiegen damals weltweit schnell an, und die kilometerdicken eiszeitlichen Inlandgletscher, die bis dato noch weite Bereiche der nördlichen Halbkugel bedeckten und bis zum heutigen New York und Berlin reichten, tauten großflächig ab. In Yucatan stieg der Meeresspiegel vermutlich mehr als einhundert Meter – das muss katastrophal, innerhalb weniger hundert Jahre verlaufen sein.
Die enormen klimatischen Veränderungen hatten weitreichende Folgen für die Ökosysteme Nordamerikas, sie führten letztlich wohl auch dazu, dass alle großen Pflanzenfresser ausstarben. Auch von anderen Teilen Nordamerikas weiß man, dass Elefanten, Pferde, Riesenfaultiere und andere Bewohner der späteiszeitlichen Graslandschaften des Kontinentes vor etwa 11.000 Jahren verschwanden – zeitparallel zum Temperaturanstieg. Für das Aussterben dieser Tiere werden allerdings auch andere Ursachen diskutiert, etwa die Bejagung durch den Menschen oder der Einschlag eines Asteroiden.
Die Skelette aus den Höhlen Yucatans sind ungefähr so alt wie die Skelette, die kürzlich in den USA und in Chile entdeckt wurden. Die Frage nach der frühen Besiedlung des amerikanischen Kontinents muss deshalb neu gestellt werden.
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Die ersten Siedler auf Yucatan
Die bisherigen Höhepunkte unserer Untersuchungen in den Cenotes Yucatans sind die Überreste von vier menschlichen Skeletten, diverse Feuerstellen und einige Steinwerkzeuge. Auch diese Funde stammen aus heute gefluteten Teilen des Höhlensystems. Sie fanden sich in Wassertiefen von über 20 Metern und weit entfernt von heutigen Höhlenzutritten.
Der bislang vollständigste Knochenfund gelang im Höhlensystem von Najaron: Etwa fünf Kilometer südwestlich von Tulum entdeckten Taucher die Überreste einer 45 bis 50 Jahre alten Frau in 25 Metern Wassertiefe und etwa 360 Meter vom Cenote Las Palmas gelegen. Die Knochen des Skeletts entsprachen der ursprünglichen Position im Körper. Das bedeutet, dass der Zerfall “in situ” erfolgt sein muss, also dort, wo die Frau gestorben ist oder wo ihre Leiche abgelegt wurde. Ohne weiteren Transport sanken die Knochen des verwesenden Körpers auf den Boden der Höhle, die damals noch nicht von Wasser bedeckt war.
Als die Forscher die „Frau von Las Palmas“ fanden, lag sie unmittelbar neben der Höhlenwand, ihre Arme und Beine waren zum Körper gezogen. Ursprünglich könnte der Körper auch in gehockter Stellung aufrecht gesessen haben und war womöglich mit einem Sack oder Schnüren umwickelt. Dies lässt die angewinkelte Position der Arme und Beine vermuten. Bei einem natürlichen Tod vor Ort hätte die Todesstarre zu einer ausgestreckten Position der Leiche geführt.
Datierungen mit der Kohlenstoff(14C)-Methode ergaben für die Frau von Las Palmas ein minimales Alter von 8500 Jahren; noch höhere Werte von 10.000 bis 12.000 Jahren wurden bei Uran/Thorium-Messungen ermittelt, die Kollegen der Universität Oxford vor einigen Jahren vornahmen.
Der bislang vollständigste Knochenfund: Die Überreste einer 45 bis 50 Jahre alten Frau entdeckte James Coke, einer der Pioniere des mexikanischen Höhlentauchens, in 25 Meter Wassertiefe in Las Palmas, einem Zugang zum Höhlensystem Najaron. Die Frau lag unmittelbar neben der Höhlenwand, die Arme und Beine waren angezogen. Das lässt auf einen Begräbnisritus schließen.
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Noch ein zweiter Mensch, ein 25- bis 30-jähriger Mann aus der Höhle El Templo, wurde mit angewinkelten Armen und Beinen aufgefunden. Dieses Skelett stammt aus einer Wassertiefe von 23 Metern und ist zu etwa 70 Prozent erhalten. Sowohl der Fund in Las Palmas als auch der Fund in El Templo deuten darauf hin, dass die frühen Siedler in Yucatan die tiefen, damals noch trockenen Bereiche des Höhlensystems nutzten, um ihre Toten zu bestatten. Leider waren die Knochen des Mannes von El Templo aufgrund der aggressiven Anlösung des kalkigen Untergrundes so brüchig und fragmentiert, dass kein Kollagen in den Knochen erhalten geblieben war. Kollagen ist zur Altersdatierung erforderlich.
Das bisher höchste Alter wurde an einem menschlichen Skelett aus der Höhle Najaron gemessen. Auch dieser Fundort liegt nur wenige Kilometer von der Stadt Tulum entfernt in etwa 22 Metern Wassertiefe. Es handelte sich um eine 20 bis 30 Jahre alte Frau, deren Skelett zu etwa 80 Prozent geborgen werden konnte. Ihre Knochen waren, vermutlich von Tauchern, aus ihrem Verbund gerissen worden und lagen über einen Bereich von drei bis fünf Metern auf dem Höhlenboden verstreut.
Kohlenstoff(14C)-Altersdatierungen der Laboratorien von Riverside in Kalifornien und der Universidad Nacional Autónoma de México ergaben für das Najaron-Skelett ein minimales Alter von 11.600 Jahren. Die Messungen weisen jedoch einen hohen Unsicherheitsfaktor auf, weil unter den tropischen Umweltbedingungen Yucatans und aufgrund der langen Lagerung des Skelettes im Salzwasser nur noch wenig datierbares Knochenkollagen vorhanden war. Nichtsdestotrotz repräsentiert das Najaron-Skelett einen der ältesten Funde eines Menschen aus ganz Amerika.
Ein viertes Skelett stammt aus der Höhle von Chal Hol. Proben davon wurden kürzlich im Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg untersucht. Die Kollagenmenge des Knochens erwies sich jedoch nach der langen Lagerungszeit des Skeletts unter Wasser leider als nicht mehr ausreichend für eine Kohlenstoff-Altersdatierung.
Die Höhlen Yucatans als Lagerplätze
Überall dort, wo Menschen in der Vorzeit lebten, nutzten sie Höhlen als Zufluchtsorte, Kult- und Grabstätten. Dies war wohl auch in Yucatan der Fall. In den vor Wind geschützten Nischen suchten die Menschen Schutz, sie konnten sich ein Feuer machen, sich am Lagerfeuer unterhalten und die in der Ebene gejagten Tiere zubereiten.
Solche prähistorischen Feuerplätze entdeckten wir bisher an zwei Stellen: In der „Kammer der Vorfahren“ (Camera de los Ancestros) im Höhlensystem von Aktun Ha fanden wir Holzkohle, die eindeutig auf Aktivitäten des Menschen zurückgeht. Im Zentrum der 30 Meter breiten und zehn Meter hohen Grotte lagert ein isolierter Kalksteinblock von etwa zwei Metern Höhe. In einer Nische dieses Blocks fanden wir in einer Höhe von 60 Zentimetern über dem Höhlenboden eine Ansammlung von Holzkohle. Auch teilweise verbranntes Holz von Aschegröße bis hin zu Stücken von zehn Zentimetern Länge konnten wir entdecken. Das Alter der Holzkohle wurde auf 9.500 Jahre ermittelt. Die Kuhle besitzt einen Durchmesser von etwa 40 Zentimetern und ist bis zu 35 Zentimeter tief. Unweit dieser Stelle barg Arturo Gonzalez mehrere Werkzeuge aus Kalkstein.
Ein zweiter vorzeitlicher Lagerplatz wurde bei La Chimenea entdeckt, einem Cenote des Taj Mahal-Höhlensystems. Zwischen den verkohlten Kohlestückchen der dortigen Feuerstelle entdeckten wir die angekokelten Knochen eines mit Steinwerkzeugen bearbeiteten eiszeitlichen Lamas der Gattung Hemiauchenia. Auch diese Tiere starben in Nordamerika vor 11.000 Jahren aus. Parallel angebrachte, drei bis vier Zentimeter lange Rillen auf mehreren der Knochen weisen darauf hin, dass Menschen diese Knochen mit Werkzeugen bearbeitet haben. Eine Alterdatierung dieses Fundplatzes steht bisher noch aus.
Die Geheimnisse des Labyrinths
Woher aber stammten die frühen Siedler Yucatans? Und wie kamen sie dort hin? Der mexikanische Paläoanthropologe Alejandro Terrazas hat menschlichen Überreste untersucht, um Hinweise zur Beantwortung dieser Fragen zu finden. Dabei stellte er deutliche morphologische Unterschiede zu den heutigen Bewohnern Yucatans, den Maya, fest. Die Funde zeigen auch keine Ähnlichkeit mit dem nördlichen urasiatischen Menschentyp. Das leicht nach vorne geneigte Gesicht und die glatte und ebene Innenseite der Zähne deuten vielmehr auf Menschen aus Indien, Indonesien oder den Pazifischen Inseln hin.
Diese Daten stehen in Widerspruch zu der bislang allgemein anerkannten Hypothese, dass die ersten Menschen vor 11.000 Jahren aus Nord-Asien über die Beringstraße wanderten und Nordamerika besiedelten. Damals war der hohe Norden des Kontinents noch mit einem Eisschild in Westkanada und den Gletschern der Rocky Mountains und der Küstengebirge bedeckt. Die Menschen dieser „Clovis“-Kultur sollen sich in
nur rund 500 Jahren über den gesamten nordamerikanischen Kontinent bis Mittelamerika ausgebreitet haben – ein Gedanke, der nur schwer nachzuvollziehen ist. Allerdings weisen jüngere Funde in Pennsylvania, Oregon und Chile darauf hin, dass die ersten Menschen in Amerika auch schon einige Jahrtausende vor der Clovis-Kultur auf den Kontinent gelangt sein könnten.
Die Fragen nach dem Ursprung, dem Zeitpunkt der Besiedlung und der weiteren Verbreitung der ersten Menschen auf dem amerikanischen Kontinent sind weiterhin spannend. Die Cenotes und Höhlen Yucatans scheinen in diesem Puzzle eine Schlüsselposition einzunehmen. Wir hoffen, die in ihnen verborgenen Geheimnisse zukünftig im Rahmen eines deutsch-mexikanischen Forschungsprojekts lüften zu dürfen. Dabei sollen erstmals systematisch erhobene paläontologische, sedimentologische und paläoklimatische Daten im Vordergrund stehen.
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Prof. Dr. Wolfgang Stinnesbeck wechselte im Jahr 2007 von der Universität Karlsruhe an das neue Institut für Geowissenschaften der Universität Heidelberg. Dort ist er seit 2009 stellvertretender Institutsleiter und seit 2010 Leiter der Forschungsstelle „Biodiversität“. Seit über 20 Jahren arbeitet er gemeinsam mit Wissenschaftlern mexikanischer Forschungseinrichtungen an erdgeschichtlichen Fragestellungen aus der Jura- und Kreidezeit und dem Pleistozän.
Kontakt: wolfgang.stinnesbeck@geow.uni-heidelberg.de
Ein besonderer Dank geht an die beiden Höhlentaucher Jerónimo Avilés und Eugenío Acéves für die Überlassung der Unterwasseraufnahmen.
Den aktuellen Stand der Untersuchungen und weitere Informationen zum Forschungsprojekt „Climate, Environmental Change and Human Settlement across the Pleistocene-Holocene boundary: The Record of biodiversity fluctuations from the Mexican Corridor” können Sie der Website: http://www.youtube.com/institutoprehistoria entnehmen.