Meinung
Kennen Sie die Namen der letzten drei deutschen Nobelpreisträger?
Wissenschaft muss besser kommuniziert werden
von Peter Comba
„Es braucht Forscher, die einen Teil ihrer Zeit dafür einsetzen, die Bedeutung ihres Fachs der Öffentlichkeit verständlich zu vermitteln.“
Wissenschaftler brauchen Zeit zum Denken – um neue, kreative Ideen und Projekte zu entwickeln, um Daten zu analysieren und zu interpretieren, aus denen neue Theorien entstehen mögen, die dann durch weitere Experimente überprüft werden und wiederum neue Projekte, Ideen, Methoden und Theorien entstehen lassen. Darüber muss man in Ruhe nachsinnen, allein, in einem Team disziplinär, vielleicht auch interdisziplinär diskutieren, die Daten und Interpretationen, die Ideen und Theorien Fachkollegen präsentieren, zusammen mit ihnen kritisch durchleuchten und auf diese Weise weiterentwickeln.
Dem klassischen Grundlagenwissenschaftler ist der Disput mit Fachkollegen, die Anerkennung in der Fachwelt wichtig. Im Wettbewerb mit seinen Kollegen will er in der obersten Liga mitspielen und das Rennen gewinnen: sei es um die Reaktion mit der höchsten Selektivität, den Algorithmus, der die Daten am effizientesten optimiert, das brillanteste Finanzmodell, die höchste optische Auflösung oder das Material mit der größten Speicherkapazität. Die Eitelkeit des Wissenschaftlers konzentriert sich auf seine disziplinäre wissenschaftliche Welt, vielleicht auf einen Dialog über sein Fach, nicht aber über die Welt der Wissenschaft hinaus. Vorträge auf wichtigen Kongressen, Beachtung seiner Publikationen in der Fachwelt, Preise vielleicht bedienen seinen Ehrgeiz. Aufsehen darüber hinaus zu erzeugen – eine Notiz in der Zeitung, ein Bericht im Fernsehen, eine Pressekonferenz, in aller Leute Mund zu sein – ist dem klassischen Wissenschaftler nicht wichtig oder gar ein Gräuel. Der Aufwand dafür wäre groß und der Erfolg höchst ungewiss.
Forschung ist wichtig, ob Grundlagenforschung, angewandte, natur-, geistes-, sozial- oder lebenswissenschaftliche Forschung. Sich und die Welt zu verstehen, ist ein Teil unseres Wesens, gehört zu unserem Leben, brauchen wir – unsere Gesellschaft, unsere Kinder – zum Überleben. Auf diese Weise ist die Wissenschaft mit der Gesellschaft verbunden. Darum darf Wissenschaft auch Geld kosten, weil sie denen, die Wissenschaft bezahlen, in ihrer Weiterentwicklung hilft: Neue Technologien, Materialien, Theorien zum Entstehen von Weltall und Leben, zur Geschichte der Völker und neue Wege, die Gesundheit zu erhalten, dienen den Menschen. Wissenschaftler werden dafür geachtet, berühmt werden sie aber über die Fachkollegenschaft hinaus nicht. Die Namen und Gesichter von Sportlern, Künstlern, Politikern kennt man, die von Wissenschaftlern nicht. Jeder weiß, wer die letzten Fußballmeisterschaften gewonnen hat; kennen Sie die Namen der letzten drei deutschen Nobelpreisträger?
Solange die Gesellschaft weiß, dass Wissenschaft – auch Grundlagenwissenschaft – wichtig ist, solange Wissenschaftler damit zufrieden und darüber glücklich sind, geachtet, aber in der Öffentlichkeit weitgehend unerkannt zu sein, ist alles in Ordnung. Die Zeiten aber haben sich geändert, Medien und Kommunikation haben in einer immer komplexer werdenden Welt enorm an Bedeutung gewonnen. Auch die Wissenschaft muss damit Schritt halten, Wissenschaft muss besser kommuniziert werden, Wissenschaftler müssen mit der Welt kommunizieren. Es braucht Forscher, die bereit sind, einen Teil ihrer Zeit dafür einzusetzen, die Bedeutung ihres und angrenzender Fächer, neue Projekte, Ideen, Resultate, Theorien verständlich der Öffentlichkeit zu erläutern. Dabei können Kommunikationsspezialisten helfen. An den öffentlichen Diskussionen um Probleme und neue wissenschaftliche Erkenntnisse in Bereichen wie Energie, Klima, Naturkatastrophen, Gentechnologie oder Islamismus, über die Probleme oder die Möglichkeiten, Gefahren abzuwenden oder zu mildern, müssen sich Wissenschaftler auch direkt beteiligen und ihr Wissen unmittelbar einbringen. Hier hat sich vieles geändert, und es muss sich weiterhin einiges tun – in Maßen.
Foto: Philipp Rothe, Heidelberg
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Peter Comba ist Professor für Anorganische Chemie, wissenschaftlicher Direktor des IWH, Mitglied des geschäftsführenden Direktoriums des IWR und leitet den wissenschaftlichen Beirat des Forschungsmagazins Ruperto Carola.
Kontakt: Peter.Comba@aci.uni-heidelberg.de