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Beistand für schwache Herzen

Die Herzschwäche, medizinisch Herzinsuffizienz, ist eine schwere und häufig tödliche Erkrankung des Herzmuskels. Ursachen sind beispielsweise ein ständig erhöhter Blutdruck, eine mangelnde Versorgung des Herzmuskels mit Sauerstoff und Nährstoffen oder Funktionseinbußen nach einem Herzinfarkt. Andrew Remppis und Hugo Katus von der Abteilung für Innere Medizin III erläutern verständlich, was die Forschung heute über die Entstehung der Herzinsuffizienz weiß und welche neuen Behandlungskonzepte sich aus diesem aktuellen Wissen ergeben, um den Betroffenen zu helfen. Innovative Zellersatztherapien lassen sogar darauf hoffen, die Krankheit zu heilen, also dem Herzen seine verlorene Kraft zurückzugeben.

"Ein vornehmer Kriegsbedienter, 54 Jahre alt, und sanguinischen Temperaments muste endlich seinen Geist aufgeben, nachdem er vierzehn Monate lang an Bauchwassersucht darnieder gelegen, und dabey gleich nach dem Genuß einiger Speise mit heftigsten Schmerzen an dem Magenmunde und sehr schweren Athem belästigt war. Bey der Oeffnung des toden Leichnams fanden sich im Unterleib sechzehn Maaß und in der Brusthöhle aber vier Maaß eines citronengelben Wassers. Die Ursache der Wassersucht war die vorhandene Verhärtung der Leber; der Schmerz am Magenmund aber hatte seinen Ursprung von der Spitze des Herzens, welche nach der Mahlzeit den Magenmund zusammen druckte, und indem sie die Bewegung des Zwerchfells verhinderte, auch das Athmen schwer machte. Dann das Herz war grösser als bey einem Ochsen, nahme fast die ganze Höle der Brust ein, und macht durch seinen Druck die Lunge welk und schlaff. Ob das Herz schon von der Geburt an ausserordentlich groß gewesen, oder erst in der Krankheit zu einer solchen Grösse angewachsen seye, getraue ich mir nicht zu bestimmen."

Dieser Fallbericht von Anton de Pozzi (1629 bis 1686), einst Stadtphysikus in Passau, beschreibt trefflich die Symptome und Befunde bei Patienten im Endstadium einer Herzschwäche (Herzinsuffizienz): Die Pumpleistung des Herzens ist hochgradig vermindert; infolgedessen sammelt sich Flüssigkeit in allen Geweben und Körperhöhlen an, was sämtliche Organfunktionen beeinträchtigt. Die Betroffenen werden zunehmend schwächer, leiden unter Atemnot, Völlegefühl und Verdauungsbeschwerden.

Die verschlechterte Pumpleistung des Herzens entsteht entweder primär durch einen kranken Herzmuskel selbst (Kardiomyopathie) oder aber sekundär durch Beeinträchtigungen der Herzkraft. Die wichtigsten Ursachen dafür sind eine mangelnde Durchblutung des Herzmuskels – dazu kommt es, wenn die Herzkranzgefäße durch Arteriosklerose kritisch verengt sind -, der Verlust von funktionierendem Muskelgewebe nach einem Herzinfarkt oder die Überlastung des Herzmuskels infolge eines lange bestehenden Bluthochdrucks.

Das Herz eines Menschen, der an Herzinsuffizienz leidet (oben), verglichen mit einem gesunden Herzen (unten)

Das Herz eines Menschen, der an Herzinsuffizienz leidet (oben), verglichen mit einem gesunden Herzen (unten): Das Herz ist stark vergrößert, seine Wände haben sich verdickt.

Die Weltgesundheitsorganisation warnt vor einer drohenden Epidemie kardiovaskulärer Erkrankungen, da Herzkreislauferkrankungen – und hierunter die Herzinsuffizienz – bis zum Jahr 2010 weltweit die häufigste Todesursache sein werden. In den Vereinigten Staaten wird jeder Fünfte im Alter von 40 Jahren eine Herzinsuffizienz entwickeln. In Deutschland haben in den letzten 20 Jahren die stationären Behandlungen wegen Herzinsuffizienz um 155 Prozent zugenommen. Die Überlebenswahrscheinlichkeit für Patienten, die an Herzinsuffizienz leiden, ist oft ungünstiger als die für Patienten mit bösartigen Erkrankungen. Es besteht ein erheblicher Forschungsbedarf, um die Ursachen der Herzschwäche aufzuklären und neue Therapien zu finden, um das Leiden besser behandeln zu können.

Ein Herz, dessen Wandmuskulatur massiv zugenommen hat

Ein Herz, dessen Wandmuskulatur so massiv zugenommen hat, dass die linke Herzkammer kaum mehr zu erkennen ist. Ein solches Herz ist zwar muskelstark – als Pumpe aber ungeeignet.

Eine wichtige Frage ist, wie das Herz auf eine vermehrte Last reagiert. Dazu muss man zunächst betrachten, wie es funktioniert. Das Herz ist ein Hohlmuskel. Die Muskelzellen in der Wand des Herzens verkürzen sich (kontrahieren) synchron. Diese synchronisierte Muskelzellarbeit und die geordnete Ventilfunktion der Herzklappen stellt den gerichteten Transport des Blutes sicher. Das Herz kann seine Schlagfolge (Frequenz) rasch beschleunigen sowie seine Schlagkraft erhöhen und so flexibel auf einen höheren Sauerstoffbedarf, etwa bei körperlichen Anstrengungen, reagieren. Wird der Herzmuskel aber anhaltend überlastet oder erkrankt er (Arteriosklerose, Herzinfarkt), reichen diese kurzfristig wirksamen Mechanismen nicht mehr aus. Das Herz reagiert auf eine anhaltend größere Last mit strukturellen Änderungen: Die Herzkammern erweitern sich, die Wanddicke des Herzmuskels nimmt zu.

Die verschiedenen Kompensationsmechanismen des Herzens sind zunächst sinnvoll. Allerdings sind ihnen klare Grenzen gesetzt. Zum einen ist eine schnelle Herzfrequenz (Tachykardie) unter energetischen Gesichtspunkten unökonomisch. Für ein krankes Herz, dessen Energieversorgung oder -nutzung gestört ist, ist eine schnellere Schlagfolge besonders ungünstig. Zum andern führt eine zunehmende Vergrößerung der Herzkammern zu einer hohen Wandspannung des Herzens – vergleichbar einem Luftballon, der immer stärker aufgeblasen wird. Die resultierende hohe Wandspannung behindert den Eintritt des Blutes in den extrem angespannten Muskel. Auf diese Weise kommt es zu einer chronischen Mangelversorgung des Herzmuskels, die ihrerseits die ohnehin schon bestehende Kraftminderung verstärkt.

Der dritte Mechanismus über den der Herzmuskel eine vermehrte Last kompensieren kann – die Zunahme der Muskelmasse, die "Herzhypertrophie" – soll etwas detaillierter betrachtet werden.

Wird das Herz anhaltend mehrbelastet, kommt es immer zu einer Zunahme von Herzgröße und Muskelmasse. Ansatzweise findet sich dies auch bei den Herzen von gesunden Leistungssportlern. Man spricht dann vom "Sportlerherz". Ist demnach die Zunahme der Muskelmasse eine effektive Reaktion des Herzens auf eine anhaltende Überlastung? Lässt sich durch dieses Mehr an Muskeln der krankheitsbedingte Kräfteverlust des Herzens kompensieren? Sind die Veränderungen also vergleichbar mit den positiven Effekten, die ein gezieltes Aufbautraining auf die Skelettmuskulatur und die körperliche Leistungsfähigkeit hat?

Dieser Vorstellung haben auch heute noch viele Ärzte. Ihrer Meinung nach kann eine Verdickung des Herzmuskels nicht schaden, weil ein muskelstarkes Herz mehr Kraft entwickeln kann als ein muskelschwaches. Diese Sichtweise bedarf dringend der Korrektur. Klinische Untersuchungen haben überzeugend belegt, dass Patienten mit einem hypertrophen Herzen – unabhängig von der Ursache der Wanddickenzunahme – einer 2,5fach höheren Sterblichkeit unterliegen als Patienten ohne Hypertrophie. Auch unsere Arbeitsgruppe konnte zeigen, dass eine größere Herzkraft nichts mit einer Verdickung des Muskels zu tun hat. Ganz im Gegenteil: Der verdickte Muskel hat in aller Regel nur noch verminderte Kraftreserven. Dem entspricht die Beobachtung, dass die Herzkraft anhaltend gesteigert werden kann, ohne dass die Muskelmasse des Herzens zunimmt. Die Hypertrophie, die Verdickung des Herzmuskels, spricht also nicht für einen starken, besser trainierten Herzmuskel, sondern ist vielmehr das Zeichen für eine beginnende Herzinsuffizienz.

 

Wieso aber führt ein "stärkerer" Herzmuskel nicht notwendigerweise zu mehr Kraft? Die Antwort auf diese Frage ist, dass die Zunahme an Muskelmasse nicht dadurch zustande kommt, dass sich gesunde Herzmuskelzellen vermehren. Beim Herzmuskel handelt sich um ein so genanntes endgültig differenziertes Gewebe. Das bedeutet: Im Gegensatz zu Blutzellen können sich Herzmuskelzellen nicht durch Zellteilung regenerieren. Statt sich zu teilen, vergrößert sich die einzelne Herzmuskelzelle. Diese Hypertrophie der einzelnen Zelle geht mit komplexen Änderungen in ihrem Innern einher. Es werden jetzt beispielsweise Eiweiße gebildet, die sich normalerweise in einer embryonalen, nicht aber in der "erwachsenen", ausdifferenzierten Herzmuskelzelle finden. Das Eiweißmuster, das für eine embryonale Zelle typisch ist, ist gut geeignet für Haltearbeiten und dauerhafte Belastung. Es muss aber versagen, wenn ein Herzmuskel rasch und mit maximaler Kraftentwicklung krisenhafte Anstiege des Blutdrucks kompensieren muss. Die molekularen Schalter, die in einer Herzmuskelzelle einmal eine Hypertrophieantwort bewirken, die mit einem embryonalen Eiweißmuster einhergeht, ein anderes Mal aber eine Kraftsteigerung ohne Hypertrophie induzieren, sind bislang unbekannt und Gegenstand intensiver Forschung in unserer Arbeitsgruppe.

Bei einem Drittel aller Patienten mit Erkrankungen des Herzmuskels konnten wir in deren Familien weitere Kranke identifizieren. Dies veranlasste uns zu intensiven weiteren Untersuchungen. Ein Ziel dabei ist, mit präzisen klinischen Methoden, die kranken von den gesunden Familienmitgliedern zu unterscheiden – bereits dann, wenn sich die Erkrankung noch nicht richtig ausgebildet hat. Außerdem werden molekulargenetische Verfahren eingesetzt, um das gesamte Erbgut (Genom) auf Unterschiede – so genannte Mutationen – zu untersuchen. Später sollen dann biostatistische Berechnungen prüfen, ob die nachweisbaren Veränderungen gemeinsam mit der Erkrankung auftreten. Wenn dies der Fall ist, besteht der Verdacht, dass die genetische Veränderung die Ursache der Herzerkrankung ist. Der endgültige Beweis kann dann in einem so genannten transgenen Tiermodell erbracht werden: Die beim Menschen identifizierte genetische Veränderung sollte auch im Tiermodell eine Herzmuskelerkrankung erzeugen. Diese Arbeiten erfolgen zurzeit im Heidelberger Zentrum des Nationalen Genom-Forschungsnetzwerks und im "Med-Net Muskeldystrophien".

Wenn sich bestimmte Gene, zum Beispiel für das kontraktile Protein Troponin, in den Herzmuskelzellen verändern (mutieren), kann eine Herzinsuffizienz entstehen.

Wenn sich bestimmte Gene, zum Beispiel für das kontraktile Protein Troponin, in den Herzmuskelzellen verändern (mutieren), kann eine Herzinsuffizienz entstehen. In Herzmuskelzellen von Ratten (links) wurden mutierte Troponin-Gene eingebracht. Die Immunfluoreszenz (rechts) zeigt den Einbau des veränderten Proteins in den kontraktilen Apparat der Muskelzellen.

Wie kann aus einer einzigen Genveränderung eine tödliche Herzschwäche entstehen? Auch um diese Frage zu beantworten, ist es zunächst erforderlich zu erklären, wie eine gesunde Herzmuskelzelle arbeitet. Sie verkürzt sich durch die geordnete Gleitbewegung von kontraktilen Eiweißen in ihrem Innern. Diese kontraktilen Eiweiße sind in einer komplexen dreidimensionalen Struktur, dem kontraktilen Apparat, organisiert. In diesem Gesamtgebilde sind mehrere Muskelzelleinheiten, so genannte Sarkomere, hintereinander geschaltet. Die Verkürzung und die entwickelte Kraft der Summe dieser kontraktilen Einheiten muss dann innerhalb der Herzmuskelzelle über andere Eiweiße (so genannte Filament- und Zellskelett-Eiweiße) auf die Zellmembran übertragen werden. Die einzelnen Herzmuskelzellen sind miteinander verbunden; dadurch wird sichergestellt, dass sich die Kraft von Zelle zu Zelle und schließlich auf den gesamten Zellverband überträgt. Nur so kann die in einer einzigen kontraktilen Einheit erzeugte Kraft in eine messbare Auswurfleistung des Herzens umgesetzt werden.

Während der Familienuntersuchungen konnten wir zeigen, dass Mutationen in den Genen, die für die krafterzeugenden kontraktilen Proteine (Myosin, Troponin, Tropomyosin, Aktin und Myosinbindungsprotein) kodieren, zu einer massiven Verdickung des Herzmuskels führen. Diese Erkrankung wird als hypertrophische Kardiomyopathie bezeichnet; von ihr sind unter 100 000 Menschen fünf betroffen. Bei diesen Patienten engt der krankhaft verdickte Herzmuskel die Herzkammern so sehr ein, dass sie kaum mehr Blut aufnehmen können. Das Blut "staut" vor dem Herzen, insbesondere in die Lungenstrombahn. Unglücklicherweise ist nicht nur der Einstrom des Blutes in die Herzkammer, sondern auch die Entleerung des Bluts aus der Herzkammer behindert. Davon betroffene Patienten sterben – trotz der massiven Zunahme von Muskelmasse – an Herzinsuffizienz und Rhythmusstörungen, die bei bestimmten Mutationen besonders häufig auftreten.

Andere Mutationen in Genen für die krafterzeugenden und – noch häufiger – für die kraftübertragenden Eiweiße des Zellskeletts führen von vornherein zu einer Abnahme der Kontraktionskraft und zu einer Vergrößerung der Herzhöhlen. Eine Hypertrophie, also eine Zunahme der Muskelmasse, ist auch bei diesen Patienten erkennbar. Dennoch wird das klinische Bild entscheidend von der verminderten Herzkraft und den vergrößerten Herzkammern bestimmt. An dieser "dilatativen Kardiomyopathie" erkranken von 100 000 rund zehn Menschen. Manchmal sind auch Eiweiße betroffen, die für die Kraftentwicklung im Skelettmuskel bedeutend sind. Es kommt dann gleichzeitig zu einer Schwäche des Herzmuskels und der Skelettmuskulatur. Bei Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie entwickelt sich oft eine besonders rasch verlaufende Herzschwäche. Nahezu 50 Prozent aller Patienten, bei denen einen Herztransplantation notwendig wird, leiden an einer solchen dilatativen Kardiomyopathie.

Betrachtet man die Herzinsuffizienz vor allem als eine krankhafte Schwächung der Kraftentwicklung, ist es konsequent, Medikamente anzuwenden, mit denen die Herzkraft gesteigert werden kann. Die klassische Substanzgruppe, die eine derartige Wirkung entfaltet, sind die so genannten Digitalis-Präparate. Sie wurden bis Ende der 70er Jahre routinemäßig eingesetzt, um die Herzinsuffizienz zu behandeln. Studien zeigten aber bald, dass dieses Konzept nicht trägt: Die Lebenserwartung der Patienten konnte nicht ausgedehnt werden. Für einige Präparate mit noch besserer Wirkung auf die Herzkraft wurde sogar eine beängstigende Steigerung der Sterblichkeit gezeigt. Diese Erkenntnisse machten deutlich: Eine Steigerung der Herzkraft kann offenbar nicht erreicht werden, in dem man gleichsam mit einer Peitsche auf ein lahmendes Pferd einschlägt.

Ein besserer Ansatz ergibt sich aus neueren Forschungsergebnissen: Die verminderte Pumpleistung des Herzens geht stets einher mit einer Aktivierung des vegetativen Nervensystems und der Freisetzung bestimmter Hormone. Diese "neuro-humorale Aktivierung" hält den Blutdruck konstant, sie sichert die Durchblutung wichtiger Organe und wirkt auf diese Weise einer reduzierten Herzleistung entgegen. Von großer klinischer Bedeutung sind dabei erhöhte Katecholaminspiegel (die Hormone Adrenalin und Noradrenalin) und die Aktivierung des so genannten Renin-Angiotensin-Systems.

Renin, Angiotensin und andere Eiweißkörper reduzieren im Bedarfsfall, beispielsweise bei zu niedrigem Blutdruck, die Ausscheidung von Wasser durch die Niere und bewirken, dass sich die Gefäße verengen. Dies stabilisiert den Blutdruck. Dieser Wirkmechanismus führt unweigerlich dazu, dass sich Wasser im Körper ansammelt, – einem Hauptsymptom der Herzinsuffizienz. Große klinische Studien haben mittlerweile belegt, dass durch eine Blockade des Renin-Angiotensin-Systems mit Hilfe von Medikamenten, so genannten ACE-Hemmstoffen, nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Überlebensrate von Patienten mit Herzinsuffizienz verbessert werden kann.

Die Hormone Adrenalin und Noradrenalin beschleunigen die Herzfrequenz, steigern die Herzkraft und erhöhen den Blutdruck. Sie sind wichtig für die kurzfristige Anpassung des Herzens an aktuell auftretende vermehrte Belastungen. Bei Patienten, die an Herzinsuffizienz leiden, wurde festgestellt, dass zwischen der Höhe des Adrenalin- und Noradrenalin-Blutspiegels und der Schwere der Erkrankung eine Beziehung besteht: Je höher die Hormonspiegel, desto kürzer die Lebenserwartung. Diese Befunde wurden als indirekte Bestätigung für die große Bedeutung der Katecholamine als schützende "Kompensatoren" bei Herzinsuffizienz angesehen.

Die Lehrbücher der Kardiologie mussten bald darauf allerdings umgeschrieben werden. Mehrere große Studien zeigten, dass Betablocker – Medikamente, welche die Effekte von Katecholaminen am Herzen blockieren – bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Herzinsuffizienz kardiale Ereignisse reduzierten und die Überlebensrate derart behandelter Patienten besserten. Diese Ergebnisse widersprachen grundlegend der bisher geltenden Lehrmeinung, dass den Katecholaminen eine entscheidende schützende Wirkung bei Herzinsuffizienz zukomme.

In einer großen internationalen Studie ("Copernicus") haben wir daraufhin bei über 2000 Patienten untersucht, ob die Behandlung mit Betablockern auch bei denjenigen Patienten wirksam ist, die an einer hoch- bis höchstgradig eingeschränkten Pumpleistung leiden. Die Befunde dieser Studie waren gleichermaßen beeindruckend: Selbst bei diesen schwerkranken Patienten konnte durch die Behandlung mit dem Betablocker Carvedilol die jährliche Todesfallrate um 35 Prozent gesenkt werden. Interessanterweise verbesserte der Betablocker nicht nur die Pumpleistung des Herzens, sondern auch die subjektive Befindlichkeit der Patienten.

 

Sowohl die Behandlung als auch das Verständnis der Schädigungsmechanismen bei Herzinsuffizienz hat sich also in den letzten Jahren grundsätzlich geändert. Richtete sich die Therapie früher auf das Herz und die Verbesserung seiner Kontraktionskraft, stehen heute medikamentöse Ansätze im Zentrum der Bemühungen, die das Herz entlasten und die verhängnisvolle neuro-humorale Aktivierung blockieren.

Trotz der großen Fortschritte ist die Sterblichkeit auch bei optimal behandelten Patienten noch immer relativ hoch. Es gilt deshalb, weitere therapeutische Strategien zu entwickeln, die entweder unmittelbar in das molekulare Krankheitsgeschehen eingreifen oder unabhängig von der Krankheitsursache darauf zielen, kranke Herzmuskelzellen zu ersetzen.

Unsere Arbeitsgruppe konnte die molekularen Veränderungen in geschwächten Herzmuskelzellen mit unterschiedlichen Methoden charakterisieren. Ein Resultat dieser Arbeiten ist die Identifizierung von "S100A1". Dabei handelt es sich um ein Eiweiß des Herzens, das offenbar die Herzkraft reguliert. Wird dieses Eiweiß im Herzmuskel vermehrt gebildet, steigt die Herzkraft bei Belastung an, ohne dass es zu einer Zunahme von Muskelmasse kommt. Die ausbleibende Hypertrophie und die Aktivierungswege in der Zelle unterscheiden sich grundsätzlich von den in der Vergangenheit gewählten therapeutischen Ansätzen. Zwischenzeitlich konnten wir ein kurzes Stück – eine Sequenz – des Eiweißes identifizieren. Es besteht aus zehn Einzelbausteinen (Aminosäuren). Diese kurze Sequenz reicht aus, um die biologischen Effekte von S100A1 zu reproduzieren. Auf diesen neuen Erkenntnissen wollen wir nun aufbauen, um ein neues Prinzip zur Behandlung der Herzinsuffizienz zu entwickeln.

Eine Herzinsuffizienz wäre schließlich auch zu vermeiden, könnten Herzmuskelzellen, die beispielsweise nach einem Herzinfarkt unwiderruflich abgestorben sind, durch neue Zellen ersetzt werden. In ersten Arbeiten haben wir gezeigt, dass es unter bestimmten Kulturbedingungen möglich ist, aus embryonalen Stammzellen der Maus Herzmuskelzellen zu züchten, die kontrahieren und sich auch elektrisch wie gut funktionierende Herzmuskelzellen verhalten. Die Nachteile einer Transplantation von embryonalen Stammzellen, die von nicht verwandten Spendern stammen, lassen sich möglicherweise umgehen, werden Knochenmarkstammzellen verwendet, die vom Patienten selber stammen. Wir haben deshalb kürzlich der Ethikkommission ein derartiges Stammzellprogramm für Patienten mit Herzinfarkt vorgelegt. In nächster Zeit wollen wir versuchen, die Entwicklung einer Herzinsuffizienz mit Hilfe von "Ersatzzellen" zu verhindern.

Autoren:
Prof. Dr. Hugo Katus und Priv.-Doz. Dr. Andrew Remppis,
Medizinische Universitätsklinik,
Kardiologie-Angiologie-Pneumologie,
Bergheimer Straße 58, 69115 Heidelberg,
Telefon (0 62 21) 56 86 70, Fax (0 62 21) 56 55 15,
e-mail: hugo_katus@med.uni-heidelberg.de

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