1000 Veranstaltungen im Internationalen Wissenschaftsforum der Universität Heidelberg
Seit 18 Jahren dient das Internationale Wissenschaftsforum dem intensiven Forschungsaustausch.
Ein Haus mit Charme und Tradition |
Im Jahre 1986 feierte die Universität Heidelberg ihr 600jähriges Bestehen. Dank der Initiative des damaligen Rektors, Professor Gisbert Freiherr zu Putlitz, erhielt die Universität ein besonderes Geschenk zu diesem Jubiläum: das Internationale Wissenschaftsforum der Universität Heidelberg, kurz IWH. Eine große Jugendstilvilla, in der Heidelberger Altstadt gelegen, mit angenehmen Konferenzräumen, komfortablen Gästeappartements und einem herrlichen Garten mit Schlossblick dient seit 18 Jahren dem intensiven Forschungsaustausch.
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An der Universität Heidelberg haben interdisziplinäre wissenschaftliche Gesprächskreise Tradition. Einen fast legendären Ruf haben die Gespräche zwischen dem Physiker Kirchhoff, dem Chemiker Bunsen, dem Mediziner Helmholtz und dem Mathematiker Königsberger. Auch der Gesprächskreis um Max und Marianne Weber, der regelmäßig in ihrem Hause zusammenkam und an dem herausragende Gelehrte wie Georg Jellinek, Ernst Troeltsch, Gustav Radbruch, Friedrich Gundolf und Karl Jaspers teilnahmen, ist hier zu nennen.
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Diese Tradition hatten die Gründer des Internationalen Wissenschaftsforums Heidelberg vor Augen, als sie planten, eine Institution zu schaffen, die "die intensive Diskussion im kleinen, exklusiven Kreis zu beleben und die wissenschaftliche Kommunikation auf internationaler Ebene zu erweitern" suchen sollte, so Rektor Freiherr zu Putlitz in der Rede zur Einweihung des IWH. Die Initiative des Rektors, unterstützt vom Prorektor Professor Gerhard Rau, vom Kanzler Siegfried Kraft, vom späteren ersten Direktor des IWH Professor Dietrich Ritschl, von Professor Kurt Lotz und anderen, wurde großzügig gefördert, vor allem von der Volkswagenstiftung, vertreten durch Herrn Staatssekretär a.D. Rolf Müller, sowie von privaten Sponsoren.
Im Sommer 2004 fand im 18. Jahr der Geschichte des Internationalen Wissenschaftsforums die 1000. Veranstaltung statt: das internationale und interdisziplinäre Symposion "Civilizing America: Manners and Civility as Categories of Social, Cultural, and Literary Analysis". Renommierte Hochschullehrer aus Deutschland, England, Italien, Holland und den USA gingen der Frage nach: Können wir literaturwissenschaftlich, kultur- und sozialgeschichtlich erfassen, in welcher Weise in England und in den Vereinigten Staaten von Amerika die Verfeinerung und der Fortschritt der Gesellschaft gemessen und gesteuert wurden? Im Zentrum standen die paradigmatischen Leitvorstellungen "Manieren" und "Höflichkeit/Sitten".
Seit der Renaissance und bis weit ins 18. Jahrhundert hinein galten "Manieren" und "Höflichkeit" als Indikatoren gesellschaftlichen Fortschritts. Noch am Ende des 19. Jahrhunderts wurde in vielen führenden Bildungseinrichtungen als Höhepunkt der Ausbildung vom Präsidenten eines Colleges oder einer Universität ein Kurs mit dem Titel "Morals" angeboten, der unter dem Untertitel "Manners" den Studierenden beibrachte, "how you conduct yourself civilly".
Im Zuge der demokratischen Revolutionen wurden diese Orientierungen allerdings allmählich durch Leitkonzepte wie "Authentizität" und "Natürlichkeit" ersetzt. Nachdem am Ende des 20. Jahrhunderts auch diese Ideen in die Kritik geraten sind, empfiehlt sich der kulturgeschichtliche, kultursoziologische und literaturwissenschaftliche Blick zurück: Was leisteten die Orientierungskonzepte manners and civility im Medium der Literatur und darüber hinaus? Zeigen sie und ihre zeitgenössischen Äquivalente noch unausgeschöpfte Potenziale?
An diesem internationalen und interdisziplinären Symposion, das von Professor Dietmar Schloss vom Anglistischen Seminar der Universität Heidelberg veranstaltet wurde, lassen sich die Zielvorstellungen für die vom IWH geförderten Forschungsaktivitäten verdeutlichen. Generell finden 50 bis 60 Veranstaltungen im Jahr statt, an denen jeweils zwischen 15 und 60 Personen teilnehmen. Beraten von der Geschäftsführung des IWH, werden die Tagungen gut geplant und straff organisiert. Die Dauer der Veranstaltungen beträgt zwischen einem Tag und einer Woche. Das Veranstaltungsspektrum reicht von Workshops über innerdisziplinäre und innerdeutsche Kolloquien bis hin zu internationalen und interdisziplinären Symposien. Innovative Veranstaltungen mit klar benennbaren Forschungszielen auf hohem Niveau werden erwartet.
Ein Kuratorium, dem der Rektor, die Kanzlerin, der Direktor, der stellvertretende Direktor sowie die Geschäftsführerin des IWH, zwölf Professoren der Universität und Altkanzler Kraft als Vertreter der "Stiftung Universität Heidelberg" angehören, ist für die Forschungspolitik des Hauses zuständig. Es trifft sich zweimal im Jahr und achtet darauf, dass möglichst viele Fachgebiete der Universität im Veranstaltungsspektrum vertreten sind. Von "Rechtsfragen der Europäischen Aktiengesellschaft" bis hin zu "Trauerritualen im Kulturvergleich", von "Risk and Protective Factors in Schizophrenia" bis hin zu "Continuum Physics and Nonlinear Partial Differential Equations" reichen die Themenspektren. Aktuelle Forschungsschwerpunkte der Chirurgie werden in den Räumen des IWH diskutiert, die internationale Borreliosebekämpfung tauscht Erfahrungen aus, multidisziplinär wird geprüft, ob die autonome Person der Moderne eine europäische Erfindung ist, und neue Fenster in die menschheitsgeschichtliche Vergangenheit in Assyrien werden geöffnet. 200 Buchveröffentlichungen, zahllose Aufsatzpublikationen und Internetpräsentationen sind aus den 1000 Veranstaltungen hervorgegangen.
Kuratorium und Geschäftsführung des IWH sehen sich auch der Pflege der wissenschaftlichen Qualität der Veranstaltungen verpflichtet. Das Kuratorium lädt die Heidelberger Professorinnen und Professoren dazu ein, internationale und interdisziplinäre Symposien zu veranstalten, die vom IWH privilegiert behandelt werden. Auch können die Veranstalter der Symposien mit Aussicht auf Erfolg bei der "Stiftung Universität Heidelberg" einen Zuschuss zur Finanzierung der Veranstaltung beantragen.
Geplante Symposien müssen sich der Begutachtung durch das Kuratorium stellen: Spricht der Antrag für eine Veranstaltung von hoher wissenschaftlicher Qualität? Sind mehrere Disziplinen involviert? Sind Forscher und Forscherinnen aus mehreren Ländern beteiligt? Ist die Finanzierung gesichert? Unverzichtbar ist auch die Teilnahme des wissenschaftlichen Nachwuchses. Damit tritt ein weiteres wichtiges Anliegen des IWH und seines Kuratoriums in den Blick: die Förderung der Kooperation zwischen den Forschergenerationen.
Auf die Initiative des gegenwärtig amtierenden Rektors, Professor Peter Hommelhoff, hin ist es zudem gelungen, einen einmal im Jahr zu vergebenden Preis einzuwerben: den Klaus-Georg und Sigrid Hengstberger-Preis in Höhe von 15 000 Euro. Dieser Preis soll einen oder zwei kooperierende Nachwuchswissenschaftler der Universität Heidelberg in die Lage versetzen, ein Symposion im IWH durchzuführen. Postdoktorale Wissenschaftler/innen mit ausgezeichneter Qualifikation können sich mit einem Programmvorschlag bewerben. Das überzeugendste Projekt erhält den Preis, die beiden anderen Bewerber erhalten eine Aufwandsentschädigung von je 1000 Euro. Zugleich werden auch sie ermutigt, über andere Forschungsförderer die Durchführung ihres Projekts im IWH finanzieren zu lassen.
Ebenfalls entwicklungswürdig ist in Zukunft eine Form der Forschungskooperation, die in den USA seit Jahren erfolgreich praktiziert wird: Über drei bis fünf Jahre laufende internationale und interdisziplinäre Projekte, die eine hoch qualifizierte Forschergruppe etwa fünfmal zusammenbringen, mit dem Ziel, am Ende mit einer offenen Tagung und Buchpublikationen die Forschungsfront im Blick auf einen klar bestimmten Themenkomplex zu verschieben.
Autor:
Professor Michael Welker,
Direktor des Internationalen Wissenschaftsforums,
Hauptstraße 242, 69117 Heidelberg,
Telefon (0 62 21) 54 36 90,
e-mail: iwh@uni-hd.de, www.iwh.uni-hd.de
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