Meinung
Was hat "Heicumed" gebracht? Eine Bilanz nach vier Jahren
Privatdozent Dr. Roman Duelli, Leiter des Studiendekanats der Medizinischen Fakultät, meint, dass die Heidelberger Medizinstudenten vom bundesweit einzigartigen Reformcurriculum "Heicumed" erheblich profitieren. |
Vor vier Jahren führte die Medizinische Fakultät Heidelberg das Reformcurriculum "Heicumed" für alle Studierenden der Medizin ein. Dabei stellt sich die grundsätzliche Frage: Warum braucht man ein neues Curriculum für Mediziner? War die universitäre Ausbildung in der Vergangenheit etwa nicht gut? Die Antwort gab die Ärztliche Approbationsordnung bereits im Jahr 2003: Die Studierenden, wurde darin beklagt, würden zu theoretisch und zu wenig praxisorientiert ausgebildet – in Zukunft sollte der Praxisbezug im Vordergrund der Ausbildung stehen.
Diese Anforderung hatten Heidelberger Mediziner bereits in den 1990er Jahren erkannt. Mit ihrer Studienreform strebten sie folgende Ziele an:
- Der Praxisbezug sollte verbessert sowie soziale und kommunikative Kompetenzen stärker vermittelt werden;
- die Motivation der Studierenden und ihre Eigeninitiative sollten gesteigert werden;
- das wissenschaftsorientierte Profil der Fakultät sollte Berücksichtigung finden;
- die Studienzeiten sollten verkürzt, an internationale Standards angeglichen und der studentische Austausch erleichtert werden.
Heicumed sieht den Aufbau des klinischen Curriculums in fünf Themenblöcken vor, die wiederum in Kursmodule unterteilt sind, die von den Studierenden in Gruppen durchlaufen werden. Inhaltlich sind die Kursmodule so aufgebaut, dass sowohl Wissen als auch Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt werden. Es gibt Vorlesungen über Leitsymptome sowie Tutorien, in denen die Studierenden fallbasiert Grundprinzipien der Diagnostik und Therapie erarbeiten. Schwerpunkt in den klinischen Modulen ist der Unterricht am Krankenbett.
Ein Markenzeichen von Heicumed ist, dass es dem wissenschaftsorientierten Profil der Medizinischen Fakultät gerecht wird: Im Pflichtcurriculum wurde ein Freiraum von neun Monaten geschaffen, in dem sich die Studierenden einer wissenschaftlichen Fragestellung im Rahmen ihrer Promotionsarbeit widmen können. Zum Wintersemester 2005/2006 wird zudem ein Programm aufgelegt, das es begabten Studierenden ermöglicht, dem Dr. med. einen Dr. rer. nat. hinzuzufügen.
Mit Heicumed wurden auch neue Lehr- und Prüfungsformen eingeführt. Hierzu gehören beispielsweise ein Kommunikations- und Interaktionstraining für den Umgang mit Patienten, problemorientiertes Lernen sowie eine Prüfungsform, in der Studierende in verschiedenen Stationen klinische Fertigkeiten und kommunikative Fähigkeiten zeigen können.
Für die neuen Lehr- und Prüfungsformen musste das Lehrpersonal geschult werden. Dazu wurde eine Kerngruppe von Dozenten zunächst an der "Harvard Medical School" ausgebildet, später entwickelte die Fakultät ein eigenes Schulungsprogramm. Zehn Dozenten haben bislang den Aufbaustudiengang "Master of Medical Education" absolviert oder befinden sich gerade in der Ausbildung. Im vergangenen Jahr wurde der vom Medizinischen Fakultätentag für Deutschland initiierte Studiengang "Master of Medical Education" an der Universität Heidelberg angesiedelt. Ebenfalls im Jahr 2004 wurde an der Medizinischen Fakultät Heidelberg das vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg geförderte "Kompetenzzentrum für Prüfungen in der Medizin" gegründet. Das Kompetenzzentrum unterstützt die verschiedenen Abteilungen bei der Einführung innovativer Prüfungsformen, baut Prüfungsverbünde auf und fördert die Standardisierung der Leistungsnachweise in den Fakultäten.
Schon im Oktober des Jahres 2003 trat das neue vorklinische Curriculum in Kraft, das die Ideen von Heicumed in die Vorklinik einführt. Um eine grundlagenwissenschaftliche Ausbildung auf hohem Niveau zu erreichen und gleichzeitig den frühen klinischen Bezug zu verstärken, besteht das neue vorklinische Curriculum aus folgenden Grundelementen:
- Die fachspezifischen Unterrichtsveranstaltungen wurden mit wenigen Ausnahmen aufgegeben und durch fächerübergreifende gemeinsame Lehrveranstaltungen der Fachbereiche ersetzt.
- Konsequenterweise wurden fachspezifische Prüfungen durch integrierte Prüfungen ersetzt.
- Die klassische Systematik der vorklinischen Fächer wurde ersetzt durch einen interdisziplinären, integrierten Unterricht, in dessen Zentrum Organe und funktionelle Systeme stehen.
- In den Seminaren und Kursen findet der Unterricht in Kleingruppen statt, die während der gesamten Vorklinik weitgehend erhalten bleiben.
- In den neu strukturierten und interdisziplinären Seminaren wird anhand definierter Krankheitsbilder das Wissen aller Grundlagenfächer vertieft.
- Den Patientenbezug gewährleistet ein Hospitationsprogramm bei niedergelassenen Ärzten. Es führt die Studierenden bereits im ersten Semester in die ärztliche Praxis.
Auch in der Zahnmedizin wird an einer Reform des Curriculums gearbeitet. Erste Teile von "Heicudent", des reformierten Zahnmedizinstudiums, sind bereits umgesetzt.
Hat das Reformieren "etwas gebracht"? Hierzu wurde die Firma "Science Consult" mit der Evaluation beauftragt. Es zeigte sich, dass die Zufriedenheit der Studierenden durch Heicumed deutlich gesteigert werden konnte. Aber: Reicht das? Die Antwort ist "nein". Am Wissenschaftsstandort Heidelberg erwarten wir mehr: Neben der hohen Promotionskultur sollen die Studierenden neben den praktischen Fähigkeiten auch die theoretischen beherrschen. Dies konnte kürzlich eindrucksvoll gezeigt werden: Bei einem bundesweiten Vergleich der Prüfungsergebnisse im zweiten Staatsexamen belegte Heidelberg den ersten Platz – ein schönes Ergebnis, das zeigt, dass Heicumed Früchte trägt.