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Die Waffen des Immunsystems: wie Killerzellen zwischen körpereigen und körperfremd unterscheiden

Wir befinden uns in unserem Körper in der Unterzahl. Der menschliche Körper besteht grob gerechnet aus rund 1013 Zellen – das sind zehn Billionen, über tausend mal mehr Zellen als Menschen auf diesem Planeten leben. Dem gegenüber stehen circa 1014 Bakterien, die in und auf unserem Körper hausen, also zehn mal mehr als Zellen in unserem Körper. Das entspricht einer Masse von über einem Kilo Bakterien, die jeder von uns mit sich herum trägt. Zugegeben, die meisten dieser Untermieter sind recht nützliche Zeitgenossen, ohne die wir unsere Nahrung nicht verdauen können und die uns vor Krankheitserregern schützen. Dennoch sind wir täglich der Gefahr ausgesetzt, von gefährlichen Mikroorganismen regelrecht überrannt zu werden. Das größte Organ unseres Körpers, das Immunsystem, ist dazu da, diese Gefahr abzuwehren.

Dazu verfügt es über eine große Anzahl effektiver Waffen, die aber nicht nur für Krankheitserreger, sondern unter Umständen auch für körpereigene Zellen tödlich sein können. Aus diesem Grund ist es die Aufgabe des Immunsystems, zwischen Freund und Feind, zwischen gefährlich und ungefährlich, zu unterscheiden. Dazu reicht es nicht aus, einfach alles Fremde als gefährlich anzusehen und das Selbst prinzipiell für gut zu halten. Die Nahrung in unserem Darm oder die Pollen im Frühling sind zwar körperfremde Substanzen, sie sind aber keine Gefahr für unseren Körper und sollten deshalb auch nicht angegriffen werden. Wenn unser Körper solche Fremdsubstanzen trotzdem angreift, hat das fatale Folgen, wie bei Menschen mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder Allergien beobachtet werden kann. Im Gegensatz dazu sind körpereigene Zellen, die zu Krebszellen transformiert sind und sich unkontrolliert vermehren, eine große Gefährdung, die das Immunsystem nicht übersehen darf. Zu unterscheiden, was gefährlich und was ungefährlich ist, ist eine schwierige Aufgabe für das Immunsystem. Wie es sie löst, ist zurzeit noch nicht bis ins Detail verstanden.

Natürliche Killerzellen sind evolutionär sehr alt und ein Bestandteil des angeborenen Immunsystems. Sie sind eine der ersten Verteidigungslinien im Kampf gegen Infektionen und Krebs. Sie bilden zum Beispiel wichtige Botenstoffe und können entartete und infizierte Zellen abtöten. Wie aber können NK-Zellen in unserem Körper Zellen erkennen, die mit Viren infiziert sind oder die zu Krebszellen geworden sind? Sie verwenden dazu einen Mechanismus, der vor fast zwanzig Jahren als "Fehlendes Selbst" bezeichnet wurde. NK-Zellen besitzen nämlich so genannte Rezeptoren auf ihrer Zelloberfläche, die Signale aus der Umgebung in das Innere der Zelle leiten. Einige dieser Rezeptoren erkennen eine Struktur, die auf fast allen Zellen unseres Körpers vorhanden ist und die als "MHC-Klasse-I" bezeichnet wird. Wenn die Rezeptoren der NK-Zellen die Anwesenheit von MHC-Klasse-I auf der Oberfläche anderer Zellen erkennen, senden sie ein negatives Signal in das Innere der NK-Zelle. Auf diese Weise werden die NK-Zellen ruhig gestellt: Körpereigene Zellen sind vor der Zerstörung durch NK-Zellen geschützt.

Einige Viren sind fähig, MHC-Klasse-I in infizierten Zellen zu unterdrücken: Sie entgehen dadurch der Überwachung durch denjenigen Teil des Immunsystems, der MHC-Klasse-I für seine Arbeit benötigt. NK-Zellen empfangen jedoch kein negatives Signal mehr, wenn sie virusinfizierten Zellen ohne MHC-Klasse-I begegnen. Das Ausbleiben des Signals zeigt der NK-Zelle, dass mit dieser Zelle etwas nicht stimmt. Die NK-Zelle verwendet MHC-Klasse-I also als eine Art molekularen Ausweis, mit dem sie die Identität und Integrität von Zellen in unserem Körper überprüft. Ist der Ausweis vorhanden, wird die NK-Zelle durch Rezeptoren, die ein negatives Signal in die Zellen senden, abgeschaltet. Fehlt dieser Ausweis, zum Beispiel auf virusinfizierten Zellen oder auch auf Krebszellen, wird die NK-Zelle aktiv. Auf diese Weise ist die NK-Zelle in der Lage, zwischen "gut" – mit Ausweis – und "böse" – ohne Ausweis – zu unterscheiden.

Auch die Aktivierung von NK-Zellen wird durch Rezeptoren auf ihrer Oberfläche vermittelt. Diese Rezeptoren senden ein positives Signal in die NK-Zelle. In ihrem Entscheidungsfindungsprozess muss die NK-Zelle also negative und positive Signale abwägen. Genau dieses Zusammenspiel zwischen positiven und negativen Signalen auf molekularer Ebene aufzuschlüsseln, ist der Forschungsgegenstand unseres Labors.

Wir konnten bereits aufdecken, dass die Rezeptoren, die NK-Zellen anschalten, auf bestimmte Bereiche in der Zellmembran angewiesen sind. Diese in der Fachwelt als "Lipid Rafts" bezeichneten Bereiche kann man sich als kleine Inseln in der Hülle von Zellen vorstellen, auf denen Strukturen vorhanden sind, die aktivierende Rezeptoren für ihre Arbeit brauchen. Daher müssen sich die Rezeptoren in den Lipid Rafts befinden, wenn sie NK-Zellen anschalten wollen. Diejenigen Rezeptoren, die durch ein negatives Signal die NK-Zellen ruhig stellen, verhindern, dass sich die aktivierenden Rezeptoren in die Lipid Rafts bewegen. Wir vermuten, dass diese speziellen Membranbereiche die Schaltstelle für die Regulation von NK-Zellen durch positive und negative Signale sind.

Unsere künftige Arbeit wird sich aus diesem Grund mit der Funktionsweise der Lipid Rafts befassen. Wir wollen verstehen, warum sich aktivierende Rezeptoren in diesen speziellen Membranbereichen befinden und welche Strukturen innerhalb der Lipid Rafts für das Anschalten der NK-Zellen wichtig sind. Weiterhin wollen wir aufklären, was der molekulare Mechanismus ist, mit dem die negativen Rezeptoren die Anwesenheit von aktivierenden Rezeptoren in den Lipid Rafts unterbinden, um die NK-Zellen ruhig zu stellen. Nur wenn man die Grundlagen für das An- und Ausschalten von NK-Zellen versteht, kann man Strategien entwickeln, die NK-Zell-Aktivität zu beeinflussen. Indem man den Einfluss von negativen Rezeptoren abschwächt oder die Signale der aktivierenden Rezeptoren in den Lipid Rafts verstärkt, könnte man die NK-Zellen in ihrem Kampf gegen Krebszellen oder infizierte Zellen unterstützen.

Autor:
Dr. Carsten Watzl
Institut für Immunologie
Im Neuenheimer Feld 305, 69120 Heidelberg
Telefon (0 62 21) 56 45 88
E-mail: carsten.watzl@urz.uni-heidelberg.de

Carsten Watzl ist Preisträger des BioFuture-Nachwuchswettbewerbs (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2004).

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