Siegel der Universität Heidelberg
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Aus der Stiftung Universität Heidelberg

Ausgezeichnete Exzellenz


Die herausragenden Doktorarbeiten des Jahres 2007
von Paul Kirchhof

Wenn der Universität Heidelberg ihre Exzellenz nun auch juristisch bestätigt worden ist, beansprucht sie dieses Gütesiegel einer Elite in ihrem Status als Volluniversität, in der Geistes-, Lebens- und Naturwissenschaften zusammenwirken.

Dieses Zukunftsversprechen, dieser Anspruch stetigen Willens zum Besseren entfaltet sich in den Arbeiten herausragender Nachwuchswissenschaftler, die wir mit dem Ruprecht-Karls-Preis auszeichnen dürfen: Ein Jurist, eine Assyriologin, ein Neuphilologe, ein Physiker und ein Biowissenschaftler. Sie widmen sich ihrem Fach, greifen dabei aber in Gedanken und Methoden über die Grenzen ihrer Disziplin hinaus und entfalten Erfahrungswissen zu Orientierungswissen.

Dr. Christian von Stockhausen widmet sich in seiner rechtswissenschaftlichen Arbeit der gesetzlichen Preisintervention zur Finanzierung staatlicher Aufgaben in einem neuartigen Modell staatlicher Besteuerung und Subvention ohne Beteiligung des Staates. Der Staat verpflichtet ein Unternehmen, seinen Konkurrenten dadurch zu fördern, dass er bei ihm Güter – etwa Strom oder Arzneimittel – zu einem überhöhten Preis kauft. Dieser muss dem Konkurrenten einen Wettbewerbsvorsprung zu Lasten der eigenen Marktchancen bieten. Aus dieser „Quersubvention“ erwachsen Fragen des Gleichheitssatzes, der Berufs- und Eigentumsgarantie. Auch nutzt der Gesetzgeber eine Sachkompetenz – zum Beispiel Umweltschutz –, um verdeckt Steuer- und Subventionspolitik zu betreiben, unterläuft damit die Gesetzgebungs- und Ertragskompetenzen der Finanzverfassung.

Christian von Stockhausen meistert die sich aus dieser Umverteilung und Marktintervention ergebenden Fragen durch eine wirklichkeitsnahe Problemanalyse, eine verständige Verfassungsinterpretation und eine ansprechende Sprache. Seine wissenschaftliche Zielstrebigkeit hat er durch Erwerb des „Master of Laws“ in Ann Arbor (USA), einer Station bei der Europäischen Kommission in Brüssel und den Erwerb der Anwaltsqualifikation in New York fortgesetzt. Christian von Stockhausen wird an die Universität Heidelberg zurückkehren, um seine akademische Entwicklung fortzusetzen.

Dr. Wibke Meinhold führt uns mit ihrer von der Philosophischen Fakultät angenommenen Dissertation „Istar in Assur“ in die Zeit der Keilschriftkulturen, als die Menschen sich noch von vielen Gottheiten umgeben glaubten, die sie weitgehend nach menschlichem Vorbild darstellten. Die mesopotamische Götterwelt bildete also die menschliche Gesellschaft ab.

Wibke Meinhold entwickelt ihr Thema in einer detailgenauen Quellen- und Geschichtskenntnis, rekonstruiert teilweise bisher nicht verfügbare Quellen, berichtigt Fehldeutungen, denkt sich verstehend und verständig in die Gedankenwelt der damaligen Zeit.

Den heutigen Leser beeindruckt vor allem der Teil der Arbeit, in der die Bedeutung Istars für die Menschen analysiert wird. Die Verfasserin zeigt, dass persönliche Frömmigkeit in Beterstatuetten, Votivplatten, Weihgaben sichtbar wird, wie Rituale, Gebete und Beschwörungen Dämonen vertreiben, wie kleine Gefäße, Darstellungen von Menschen und Tieren örtliche Ordnungen und Wertvorstellungen zum Ausdruck bringen. Der Arbeit ist ein zweiter Band hinzugefügt, in der ausgewählte Texte meisterlich bearbeitet und in besonders ansprechender Form dargestellt und rekonstruiert werden. Wibke Meinhold ist eine Pionierarbeit gelungen, zu der wir ihr und ihrem Doktorvater, Professor Dr. Stefan M. Maul, herzlich gratulieren.

Das Werk des Germanisten Dr. Björn Spiekermann handelt von Richard Demel, der um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert als „größter lyrischer Künstler der damaligen deutschen Gegenwart“ galt. Er war Sprecher der wissenschafts- und kulturoptimistischen Lebensreformbewegung und wirkte außerdem als Ratgeber in vielen Lebensfragen. Die Arbeit von Björn Spiekermann verdeutlicht, dass die Jahrhundertwende nicht nur von Düsternis und Verfallszenarien, sondern auch von der optimistischen Forderung nach naturgemäßer Lebensweise und darwinistischem Idealismus bestimmt war.

Die literarische Lebensreform verstand sich als modern, als Avantgarde, glaubte dem Phänomen der Industrialisierung, dem naturwissenschaftlichen Weltbild, der De-Christianisierung mit der Rationalität moderner Naturwissenschaften zu begegnen, fand aber den Blick von Medizin und empirischer Psychologie vor allem auf das Irrationale, Triebhafte und Biologische gerichtet. Biologische Weltzugewandtheit und Selbst- erlösungshoffnung, Endzeitstimmung und Aufbruchwillen, die Suche nach dem Allgemeinen und das Vertrauen in die Kraft des Ichs bestimmen das Doppelgesicht der deutschen Moderne um das Jahr 1900. Vielleicht ist es auch die Moderne um das Jahr 2000, wenn uns das Werk von Björn Spiekermann bewusst macht, dass in jedem Modernitätskonzept sich verpuppte Geschmacksurteile verbergen, der Begriff „modern“ das Andere als unbedeutend, irrational, rückwärtsgewandt diskreditiert, für sich selbst aber das Bessere, Richtigere, Aufgeklärtere beansprucht. Wir lesen die Arbeit über Richard Demel auch als eine Erläuterung unserer Gegenwart und sind Björn Spiekermann für die von Professor Dr. Wilhelm Kühlmann betreute Arbeit dankbar.

Dr. Jens Odenheimer legt eine Dissertation auf dem Gebiet der Theoretischen Biophysik vor, der Anwendung von mathematischen Simulationsmodellen und Computersimulationen auf die Hauptkomponente des Zellkerns, das Chromatin.

Jens Odenheimer hat untersucht, wie in den Zellen die Produktion vieler Tausende von Proteinen zeitlich und räumlich reguliert werden. Ein besonders gewichtiges und weitreichendes Ergebnis ist die Voraussage, dass es in diesen Gen-Nanostrukturen kleine Bereiche gebe, die für die Proteine und Proteinkomplexe der Genregulation unzugänglich sind, der Genschalter nicht umgelegt, der Zugang verschlossen ist. Darin könnte eine Störung des ordnungsgemäßen Ablaufs der Stoffwechselprozesse liegen. Damit eröffnet sich die Möglichkeit, durch strukturmodifizierende Pharmaka die Regulation bestimmter Gene gezielt zu beeinflussen, insbesondere langfristig Arzneimittel zu entwickeln, mit denen die Aktivität von krankheits- oder alterserheblichen Genen direkt gesteuert werden kann und so einen wesentlichen Beitrag zur Gesundheit zu leisten. Wir beglückwünschen Jens Odenheimer und seinen Doktorvater, Professor Dr. Dieter W. Heermann zu dieser eindrucksvollen Grundlagenarbeit.

Die Doktorarbeit von Dr. Thorsten Schäfer behandelt ein Thema der modernen Biochemie, der molekularen Zellbiologie. In Gedanken setzen wir uns an eine Neckarschleuse und beobachten, wie Schiffe Einzelbauteile durch die Schleuse transportieren, die dann unterhalb der Schleuse zu Maschinen zusammengebaut werden. Das Problem des Transportes besteht darin, dass eines der Bauteile einen so sperrigen Schnabel enthält, dass er den Kanal nicht passieren kann. Dann aber ist es dem Transporteur gelungen, den Schnabel zunächst in die Einzelbauteile zu integrieren und erst nach Passieren der Schleuse sperrig auszubilden.

Diese Beobachtung verlegen wir nun in ein biochemisches Labor. Unsere Maschinen sind Ribosomen, die unsere Eiweiße im Zytoplasma der Zelle produzieren. Die Ribosomen werden im Zellkern hergestellt und müssen in ihren beiden großen Einzelbauteilen über Kanalkonstruktionen innerhalb der Kernhülle in das Zytoplasma befördert werden. Bei der Herstellung der Ribosomen entstehen zunächst unreife Vorstufen im Zellkern, die im Zytoplasma endgültig zu den funktionsfähigen 60 S- und 40 S- Untereinheiten reifen. Diese Reifungsschritte konnte Thorsten Schäfer im Reagenzglas beobachten und feststellen, wer für den Ablauf der Schnabelbildung zur richtigen Zeit und am richtigen Ort zuständig ist: Eine Proteinkinase (Hrr25) steuert diesen Vorgang unter Verbrauch von zellulärer Energie.

Der Doktorvater Professor Dr. Ed Hurt zählt Thorsten Schäfer zu den besten und erfolgreichsten der von ihm betreuten Doktoranden. Thorsten Schäfer ist ein hoch begabter junger Wissenschaftler, der eine erfolgreiche Laufbahn in der biochemischen Forschung vor sich hat.

Die Arbeit von Dr. Christian Träger wird ausgezeichnet mit dem Viktor und Sigrid Dulger-Preis des Jahres 2007. Dieser Preis, in unternehmerischem Geiste gestiftet, ist dem Bemühen um bessere Umweltqualität gewidmet. Christian Träger verfügt über Abschlüsse in Physik und in Volkswirtschaftslehre und widmet sich in dieser Doppelperspektive der Frage, wie Entscheidungsregeln der Umweltpolitik angesichts des globalen Klimawandels, des irreversiblen Verlusts von biologischer Vielfalt und der Akkumulierung langlebiger komplexer Schadstoffe auszugestalten seien.

Dabei nimmt die Dissertation zwei Eigenschaften derzeitiger Umweltprobleme in den Blick: Zunächst haben umweltpolitische Entscheidungen häufig langfristige Auswirkungen zur Folge; Entscheidungen von heute wirken sich über Jahrzehnte hinweg aus und betreffen Generationen, die an der heutigen Entscheidung nicht teilhaben. Sodann sind die Umweltentscheidungen von einer Unsicherheit geprägt, bei denen der Entscheider nicht über alle für seine Entscheidung erheblichen Informationen verfügt. Wichtige Beispiele bilden die Klimadynamik und ihre Auswirkungen.

Mit diesen Merkmalen macht Christian Träger Wohlfahrtsgewinne und Wohlfahrtseinbußen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten auftreten, vergleichbar. Er kämpft gegen die Bevorzugung von Projekten, die Kosten auf spätere Generationen abwälzen und die gegenwärtigen Generationen begünstigen. Darüber hinaus macht er den Entscheidern bewusst, dass sie je nach Zeitpunkt unterschiedlich Risiken einschätzen, teilweise aus ihrer Perspektive ausblenden und bietet damit eine verbesserte Grundlage für das Vorsichtsprinzip in der Umweltpolitik. Schließlich versucht die Arbeit, durch ihre Neubewertung von umweltpolitischen Optionen Wirkungen herbeizuführen, die in Prozentpunkten des Bruttoinlandsprodukts gemessen werden können.

Diese beeindruckende umweltpolitische Grundlagenarbeit, die von Professor Dr. Hans Gersbach betreut worden ist, bietet der zukünftigen Umweltpolitik wesentliche Entscheidungshilfen und verspricht Lösungen, die zur Sicherung der Umweltqualität und zu gesellschaftlichen Wohlfahrtsgewinnen gleichermaßen beitragen.

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