Die Melodie macht die Musik
Um das Konzert des Lebens zu verstehen, muss sich die wissenschaftliche Denkweise ändern
von Ursula KummerLehrbücher beschreiben biochemische Prozesse in der Zelle zumeist als einfache lineare Ereignisketten. Das wird den wahren Verhältnissen kaum gerecht, war aber bislang die einzige Möglichkeit, sich dem komplexen zellulären Geschehen anzunähern. Neue Methoden erlauben es heute, in die lebende Zelle hineinzusehen, und Computer helfen dabei, die Datenflut der verschiedenen Disziplinen zu bändigen. So wird es möglich, auf solider Datenbasis Modelle zu entwickeln, die sich zu experimentellen Zwecken gezielt verändern und im Detail analysieren lassen. Die so erarbeiteten Ergebnisse lassen darauf hoffen, irgendwann nicht nur einzelne Tonfolgen, sondern die komplette Partitur des Lebens zu verstehen.
Die technischen Fortschritte der letzten Jahre erlauben es uns, den Stoffwechsel einer Zelle „live“ zu verfolgen. Das hat unser Bild von den zellulären biochemischen Prozessen gründlich verändert. Früher war man darauf beschränkt, Bestandteile der Zelle, beispielsweise einzelne Proteine oder Stoffwechselprodukte, zu isolieren und getrennt voneinander zu untersuchen: Heute kann man sie direkt in der Zelle messen und ihr Verhalten im Innern der Zelle studieren.
Dabei wird immer klarer, dass die Dynamik eines Prozesses sehr wichtig für dessen Funktion ist. Qualitative Aussagen wie „eine Substanz A bewirkt, dass die Konzentration der Substanz B in der Zelle steigt“, sind nur eingeschränkt nutzbar. Denn es kommt häufig vor, dass dies nur bei einer bestimmten Menge von A geschieht. Es kann außerdem wichtig sein, wie schnell diese Menge von A produziert wurde, wie lange sie in der Zelle vorhanden ist und wie schnell sie wieder abgebaut wird. So wie ein einzelner Ton keine Melodie macht und die Musik vielmehr davon bestimmt wird, wie schnell Tonfolgen wechseln und welche Höhe die Töne haben, kann man anscheinend viele Prozesse in der Zelle nur dann verstehen, wenn man die Tonhöhe (die Menge der Substanzen) und die Tonlänge (die Schnelligkeit der Konzentrationsänderung) kennt.
Die Komplexität zellulärer Vorgänge verlangt, dass wir uns davon entfernen, biochemische Prozesse als bloße lineare Ereignisketten zu sehen. Diese Denkweise aufzugeben, ist nicht einfach, denn sie wird von der üblichen Form, biochemische Zusammenhänge in Form statischer Grafiken darzustellen, unterstützt. Darüber hinaus ist es dem menschlichen Gehirn nur schwer möglich, nichtlineare Zusammenhänge zu interpretieren und zu verstehen. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass trotz aller neuen technischen Möglichkeiten Experimente und deren Resultate noch immer einen eher qualitativen Charakter haben.
Auf diese Weise entziehen sich die stark verwobenen Netzwerke biochemischer Prozesse, in denen es zahlreiche Rückkopplungen gibt, der Erkenntnis und machen es uns schwer, Vorhersagen über ihr Verhalten zu treffen. Doch nur wenn wir bis zu einem gewissen Grad vorhersagen können, wie biochemische Prozesse sich verhalten, haben wir wirklich ihr Zusammenspiel in der Zelle verstanden.
Aus diesem Grund werden zunehmend Computer in der biologischen Forschung eingesetzt. Sie sollen die Forschung unterstützen, beispielsweise bei der Suche nach den zugrunde liegenden Mechanismen und zur Theoriebildung. So geschieht es auch in unserer Arbeitsgruppe. Von großer Bedeutung ist es, biochemische Prozesse mithilfe des Computers zu simulieren und zu modellieren. Im Modell nachgebildete biochemische Netzwerke können detailliert analysiert und gezielt verändert werden. Dazu setzt man die Kenntnisse der Geschwindigkeiten einzelner Prozesse wie in einem großen Puzzlespiel zusammen. Entscheidend wichtig ist, dass man nicht nur Kenntnis von den isolierten Einzelpro-zessen hat, sondern zudem weiß, welche Prozesse sich gegenseitig beeinflussen.
Eine solide Datenlage ist für das Erstellen eines guten Modells unerlässlich. Kann man auf solche Daten zurückgreifen, bietet die Analyse am Computer viele Vorteile. So können einzelne Zwischenprodukte, die experimentell nur schwer greifbar sind, am Computer berechnet werden, wenn man die Prozesse um diese Zwischenprodukte herum gut untersucht hat. Auch kann man am Computer schnell und effizient verschiedene Szenarien durchspielen, die einer experimentellen Beobachtung zugrunde liegen könnten, anschließend die wahrscheinlichsten Mechanismen auswählen und Experimente vorschlagen, mit denen die Hypothesen zu prüfen sind. Die Resultate kommen wiederum der experimentellen Forschung zugute.
Auf das Beispiel der Musik zurückgreifend, kann man sich die Vorgehensweise ungefähr so vorstellen: Man hat den Teil eines Symphoniekonzertes gehört, ohne dass man die Besetzung und die Noten für das Orchester kennt, und möchte nun herausfinden, wie die Musik aufgebaut ist und welche Instrumente unverzichtbar sind. Am Computer kann man gleichsam viele verschiedene virtuelle Orchester aufbauen und sie eine Musik spielen lassen, die man mit dem zuvor gehörten reellen Beispiel vergleicht, um so zu erkennen, welche Orchesterbesetzung und welche Noten wahrscheinlich die Musik erzeugen. Natürlich muss man dem Computer zuvor eingegeben haben, wie die einzelnen Instrumente klingen und wie Noten normalerweise umgesetzt werden.
Um die Funktionsweise dynamischer Prozesse in der Zelle zu analysieren und zu verstehen, ist die zelluläre Informationsverarbeitung ein gutes Beispiel: Die Natur benutzt zur zellulären Informationsverarbeitung Prinzipien, die wir bereits vom Nervensystem oder der Nachrichtentechnik kennen. Lange Zeit schon ist beispielsweise bekannt, dass bestimmte Substanzen in der Zelle als Botenstoffe fungieren. Trifft ein bestimmtes Signal auf eine Zelle, wird die Konzentration des Botenstoffs in der Zelle erhöht und es kommt zu einer Reihe typischer Antworten, es werden zum Beispiel Gene angeschaltet oder Enzyme aktiviert.
Auch hier war lange Jahre die Denkweise, dass die Signalverarbeitung als lineare Kausalkette abläuft. Vor rund zwanzig Jahren wurde jedoch entdeckt, dass die Konzentration eines Botenstoffs – es handelt sich um Kalzium – nicht einfach erhöht wird. Es ist vielmehr so, dass die Konzentration des Botenstoffs oszilliert, also ständig und meist regelmäßig zu- und abnimmt. Diese Entdeckung ist einer experimentellen Methode zu verdanken, die es erlaubt, die Konzentration der Kalziumionen in der Zelle zu verfolgen, indem man bestimmte Farbstoffe in die Zelle einbringt. Sie binden an die Kalziumionen und verändern dabei ihre Fluoreszenzeigenschaften: Sie leuchten anders.
Das machte es möglich, die Menge der Ionen in der Zelle zu „sehen“ – und zu sehen, dass diese Menge während der Signalverarbeitung oszilliert. Dieser Beobachtung wurde zunächst heftig widersprochen, von Artefakten bei der experimentellen Arbeit war beispielsweise die Rede. Inzwischen ist jedoch gesichert, dass die Beobachtung richtig ist.
Es ist heute klar, dass die Funktionsweise des Botenstoffs eng an die Dynamik gekoppelt ist. Unterbindet man die Dynamik – und sorgt beispielsweise für eine gleichmäßig erhöhte Konzentration des Botenstoffs in der Zelle – funktioniert die Informationsverarbeitung nicht mehr korrekt. Diese Vorgänge sind außerordentlich bedeutend: Kein Embryo könnte sich entwickeln, gäbe es nicht ein Oszillieren der Kalziumionen-Konzentration in den Eizellen nach der Befruchtung.
Aber auch in vielen anderen Zelltypen und in praktisch allen höheren Organismen scheinen Signale auf diesem Weg übermittelt zu werden. Dabei steckt die Information sowohl in der Amplitude als auch in der Frequenz der Konzentrations-Oszillationen. Ähnlich wie bei der Nervenleitung wird dabei die Stärke des Signals in der Frequenz der Kalzium-Oszillationen verarbeitet. In der Abbildung auf Seite 28 links ist dies dargestellt.
Auf den zweiten Blick ist es gar nicht so überraschend, dass solche Prinzipien in der Zelle zum Einsatz kommen. Kalziumionen werden von der Zelle nämlich als Boten für ganz verschiedene Signale benutzt. Dies ist schwer zu erklären, geht man von einem einfachen linearen Zusammenhang aus. Die Möglichkeit, Information in der Dynamik zu verstecken, bietet dagegen einen Mechanismus, der es erlaubt, verschiedenste Botschaften mithilfe ein und desselben Botenstoffes zu transportieren.
Die beiden Abbildungen auf Seite 28/29 Mitte zeigen zwei verschiedene experimentelle Messreihen und die Kalziumkonzentration in Leberzellen als Antwort auf zwei verschiedene Auslöser. Einige Wissenschaftlergruppen haben sich damit beschäftigt aufzuklären, wie es zu einer solchen Kodierung von Botschaften und deren Dekodierung in der Zelle kommt. Wir konnten zeigen, dass es bei der Kodierung wahrscheinlich wichtig ist, dass einige der rückkoppelnden Mechanismen direkt zu Beginn der Signalkette ansetzen.
Zusammen mit dänischen Partnern (Ann Zahle Larsen, Arbeitsgruppe Professor Lars Folke Olsen, Odense) konnten wir darüber hinaus zeigen, dass eine effektive Dekodierung auch über die Art und Weise, wie Kalziumionen an Empfänger (Proteine) in der Zelle binden und diese beeinflussen, erfolgen kann: Die meisten Empfängerproteine besitzen mehrere Bindungsstellen für Kalziumionen – und die Bindung jedes Kalziumions erleichtert die Bindung weiterer Kalziumionen.
Dieses Verhalten, man nennt es fachsprachlich kooperative Bindung, scheint ein wichtiger Teil der intrazellulären Informationsverarbeitung zu sein. Verschiedene Bindungsstärken können also bestimmen, welche Art von Signalen ein Protein erkennen – welche Nachricht es also erhalten hat. Die Abbildung auf Seite 29 (rechts oben) verdeutlicht dieses Verhalten.
Mittlerweile kennt man neben den Kalziumionen eine ganze Reihe von Botenstoffen, von denen man weiß, dass sie ihre Information zumindest teilweise über Oszillationen oder ein ähnlich dynamisches Verhalten transportieren. Das macht deutlich, dass es für das Verständnis biochemischer Prozesse nicht ausreicht, nur lineare, kausale Ketten nach dem Muster „A erhöht B“ zu kennen. Man muss auch wissen, wie schnell sich A verändert und welche Dynamik A allgemein zeigt. Nur so kann es gelingen, nicht nur einzelne Töne zu orten, sondern die komplette Melodie zu verfolgen.
Dabei wird immer klarer, dass die Dynamik eines Prozesses sehr wichtig für dessen Funktion ist. Qualitative Aussagen wie „eine Substanz A bewirkt, dass die Konzentration der Substanz B in der Zelle steigt“, sind nur eingeschränkt nutzbar. Denn es kommt häufig vor, dass dies nur bei einer bestimmten Menge von A geschieht. Es kann außerdem wichtig sein, wie schnell diese Menge von A produziert wurde, wie lange sie in der Zelle vorhanden ist und wie schnell sie wieder abgebaut wird. So wie ein einzelner Ton keine Melodie macht und die Musik vielmehr davon bestimmt wird, wie schnell Tonfolgen wechseln und welche Höhe die Töne haben, kann man anscheinend viele Prozesse in der Zelle nur dann verstehen, wenn man die Tonhöhe (die Menge der Substanzen) und die Tonlänge (die Schnelligkeit der Konzentrationsänderung) kennt.
Die Komplexität zellulärer Vorgänge verlangt, dass wir uns davon entfernen, biochemische Prozesse als bloße lineare Ereignisketten zu sehen. Diese Denkweise aufzugeben, ist nicht einfach, denn sie wird von der üblichen Form, biochemische Zusammenhänge in Form statischer Grafiken darzustellen, unterstützt. Darüber hinaus ist es dem menschlichen Gehirn nur schwer möglich, nichtlineare Zusammenhänge zu interpretieren und zu verstehen. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass trotz aller neuen technischen Möglichkeiten Experimente und deren Resultate noch immer einen eher qualitativen Charakter haben.
Auf diese Weise entziehen sich die stark verwobenen Netzwerke biochemischer Prozesse, in denen es zahlreiche Rückkopplungen gibt, der Erkenntnis und machen es uns schwer, Vorhersagen über ihr Verhalten zu treffen. Doch nur wenn wir bis zu einem gewissen Grad vorhersagen können, wie biochemische Prozesse sich verhalten, haben wir wirklich ihr Zusammenspiel in der Zelle verstanden.
Aus diesem Grund werden zunehmend Computer in der biologischen Forschung eingesetzt. Sie sollen die Forschung unterstützen, beispielsweise bei der Suche nach den zugrunde liegenden Mechanismen und zur Theoriebildung. So geschieht es auch in unserer Arbeitsgruppe. Von großer Bedeutung ist es, biochemische Prozesse mithilfe des Computers zu simulieren und zu modellieren. Im Modell nachgebildete biochemische Netzwerke können detailliert analysiert und gezielt verändert werden. Dazu setzt man die Kenntnisse der Geschwindigkeiten einzelner Prozesse wie in einem großen Puzzlespiel zusammen. Entscheidend wichtig ist, dass man nicht nur Kenntnis von den isolierten Einzelpro-zessen hat, sondern zudem weiß, welche Prozesse sich gegenseitig beeinflussen.
Eine solide Datenlage ist für das Erstellen eines guten Modells unerlässlich. Kann man auf solche Daten zurückgreifen, bietet die Analyse am Computer viele Vorteile. So können einzelne Zwischenprodukte, die experimentell nur schwer greifbar sind, am Computer berechnet werden, wenn man die Prozesse um diese Zwischenprodukte herum gut untersucht hat. Auch kann man am Computer schnell und effizient verschiedene Szenarien durchspielen, die einer experimentellen Beobachtung zugrunde liegen könnten, anschließend die wahrscheinlichsten Mechanismen auswählen und Experimente vorschlagen, mit denen die Hypothesen zu prüfen sind. Die Resultate kommen wiederum der experimentellen Forschung zugute.
Auf das Beispiel der Musik zurückgreifend, kann man sich die Vorgehensweise ungefähr so vorstellen: Man hat den Teil eines Symphoniekonzertes gehört, ohne dass man die Besetzung und die Noten für das Orchester kennt, und möchte nun herausfinden, wie die Musik aufgebaut ist und welche Instrumente unverzichtbar sind. Am Computer kann man gleichsam viele verschiedene virtuelle Orchester aufbauen und sie eine Musik spielen lassen, die man mit dem zuvor gehörten reellen Beispiel vergleicht, um so zu erkennen, welche Orchesterbesetzung und welche Noten wahrscheinlich die Musik erzeugen. Natürlich muss man dem Computer zuvor eingegeben haben, wie die einzelnen Instrumente klingen und wie Noten normalerweise umgesetzt werden.
Um die Funktionsweise dynamischer Prozesse in der Zelle zu analysieren und zu verstehen, ist die zelluläre Informationsverarbeitung ein gutes Beispiel: Die Natur benutzt zur zellulären Informationsverarbeitung Prinzipien, die wir bereits vom Nervensystem oder der Nachrichtentechnik kennen. Lange Zeit schon ist beispielsweise bekannt, dass bestimmte Substanzen in der Zelle als Botenstoffe fungieren. Trifft ein bestimmtes Signal auf eine Zelle, wird die Konzentration des Botenstoffs in der Zelle erhöht und es kommt zu einer Reihe typischer Antworten, es werden zum Beispiel Gene angeschaltet oder Enzyme aktiviert.
Auch hier war lange Jahre die Denkweise, dass die Signalverarbeitung als lineare Kausalkette abläuft. Vor rund zwanzig Jahren wurde jedoch entdeckt, dass die Konzentration eines Botenstoffs – es handelt sich um Kalzium – nicht einfach erhöht wird. Es ist vielmehr so, dass die Konzentration des Botenstoffs oszilliert, also ständig und meist regelmäßig zu- und abnimmt. Diese Entdeckung ist einer experimentellen Methode zu verdanken, die es erlaubt, die Konzentration der Kalziumionen in der Zelle zu verfolgen, indem man bestimmte Farbstoffe in die Zelle einbringt. Sie binden an die Kalziumionen und verändern dabei ihre Fluoreszenzeigenschaften: Sie leuchten anders.
Das machte es möglich, die Menge der Ionen in der Zelle zu „sehen“ – und zu sehen, dass diese Menge während der Signalverarbeitung oszilliert. Dieser Beobachtung wurde zunächst heftig widersprochen, von Artefakten bei der experimentellen Arbeit war beispielsweise die Rede. Inzwischen ist jedoch gesichert, dass die Beobachtung richtig ist.
Es ist heute klar, dass die Funktionsweise des Botenstoffs eng an die Dynamik gekoppelt ist. Unterbindet man die Dynamik – und sorgt beispielsweise für eine gleichmäßig erhöhte Konzentration des Botenstoffs in der Zelle – funktioniert die Informationsverarbeitung nicht mehr korrekt. Diese Vorgänge sind außerordentlich bedeutend: Kein Embryo könnte sich entwickeln, gäbe es nicht ein Oszillieren der Kalziumionen-Konzentration in den Eizellen nach der Befruchtung.
Aber auch in vielen anderen Zelltypen und in praktisch allen höheren Organismen scheinen Signale auf diesem Weg übermittelt zu werden. Dabei steckt die Information sowohl in der Amplitude als auch in der Frequenz der Konzentrations-Oszillationen. Ähnlich wie bei der Nervenleitung wird dabei die Stärke des Signals in der Frequenz der Kalzium-Oszillationen verarbeitet. In der Abbildung auf Seite 28 links ist dies dargestellt.
Auf den zweiten Blick ist es gar nicht so überraschend, dass solche Prinzipien in der Zelle zum Einsatz kommen. Kalziumionen werden von der Zelle nämlich als Boten für ganz verschiedene Signale benutzt. Dies ist schwer zu erklären, geht man von einem einfachen linearen Zusammenhang aus. Die Möglichkeit, Information in der Dynamik zu verstecken, bietet dagegen einen Mechanismus, der es erlaubt, verschiedenste Botschaften mithilfe ein und desselben Botenstoffes zu transportieren.
Die beiden Abbildungen auf Seite 28/29 Mitte zeigen zwei verschiedene experimentelle Messreihen und die Kalziumkonzentration in Leberzellen als Antwort auf zwei verschiedene Auslöser. Einige Wissenschaftlergruppen haben sich damit beschäftigt aufzuklären, wie es zu einer solchen Kodierung von Botschaften und deren Dekodierung in der Zelle kommt. Wir konnten zeigen, dass es bei der Kodierung wahrscheinlich wichtig ist, dass einige der rückkoppelnden Mechanismen direkt zu Beginn der Signalkette ansetzen.
Zusammen mit dänischen Partnern (Ann Zahle Larsen, Arbeitsgruppe Professor Lars Folke Olsen, Odense) konnten wir darüber hinaus zeigen, dass eine effektive Dekodierung auch über die Art und Weise, wie Kalziumionen an Empfänger (Proteine) in der Zelle binden und diese beeinflussen, erfolgen kann: Die meisten Empfängerproteine besitzen mehrere Bindungsstellen für Kalziumionen – und die Bindung jedes Kalziumions erleichtert die Bindung weiterer Kalziumionen.
Dieses Verhalten, man nennt es fachsprachlich kooperative Bindung, scheint ein wichtiger Teil der intrazellulären Informationsverarbeitung zu sein. Verschiedene Bindungsstärken können also bestimmen, welche Art von Signalen ein Protein erkennen – welche Nachricht es also erhalten hat. Die Abbildung auf Seite 29 (rechts oben) verdeutlicht dieses Verhalten.
Mittlerweile kennt man neben den Kalziumionen eine ganze Reihe von Botenstoffen, von denen man weiß, dass sie ihre Information zumindest teilweise über Oszillationen oder ein ähnlich dynamisches Verhalten transportieren. Das macht deutlich, dass es für das Verständnis biochemischer Prozesse nicht ausreicht, nur lineare, kausale Ketten nach dem Muster „A erhöht B“ zu kennen. Man muss auch wissen, wie schnell sich A verändert und welche Dynamik A allgemein zeigt. Nur so kann es gelingen, nicht nur einzelne Töne zu orten, sondern die komplette Melodie zu verfolgen.
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Prof. Dr. Ursula Kummer leitet seit 2007 die durch eine Stiftungsprofessur der Klaus Tschira Stiftung ermöglichte neue Abteilung „Modellierung biologischer Prozesse“ des Instituts für Zoologie der Universität Heidelberg. Die Abteilung ist im neuen BIOQUANT-Gebäude lokalisiert. Zuvor war Ursula Kummer sieben Jahre lang Gruppenleiterin der EML Research gGmbH in Heidelberg.
Kontakt: ursula.kummer@bioquant.uni-heidelberg.de
Telefon: 0 62 21 / 5 45 12 78
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