Jahrtausende alte Wasser
Wie man im Grundwasser die Vergangenheit und die Zukunft sehen kann
von Werner Aeschbach-HertigGrundwasser ist eine wichtige, aber nur beschränkt erneuerbare Ressource. Die intensive Landwirtschaft in der dicht besiedelten Nordchinesischen Tiefebene beruht wesentlich auf der Nutzung des Grundwassers zur Bewässerung. Dieses Jahrtausende alte Wasser wird kaum erneuert. Deshalb sinkt der Wasserspiegel teilweise dramatisch ab. Das alte Grundwasser ist aber nicht nur eine begehrte Ressource – es ist auch ein interessantes Archiv vergangener Umweltbedingungen. Im Wasser enthaltene Edelgase und Isotope verraten, wann das Wasser im Boden versickerte und welches Klima damals herrschte.
Die Nordchinesische Tiefebene ist die Schwemmebene der drei Flüsse Hai, Huai, und Huang. Das zentrale Gebiet um den Gelben Fluss (Huang He) wird auch als Wiege der chinesischen Kultur bezeichnet. Die heutigen großen Zentren Peking und Tianjin liegen am nördlichen Rand der Ebene. Mit einer Fläche von über 300 000 Quadratkilometern ist die Nordchinesische Tiefebene fast so groß wie Deutschland, beherbergt aber mit rund 200 Millionen Einwohnern eine zweieinhalb mal größere Bevölkerung.
Trotz der dichten Besiedelung ist die Region dank fruchtbarer Böden und flacher Topographie auch die Kornkammer Chinas. Etwa die Hälfte des chinesischen Weizens und ein Drittel des Maises werden hier produziert. Angesichts des eher trockenen Klimas ist dies nur durch massive Nutzung von Grundwasser zur Bewässerung möglich.
Trotz der dichten Besiedelung ist die Region dank fruchtbarer Böden und flacher Topographie auch die Kornkammer Chinas. Etwa die Hälfte des chinesischen Weizens und ein Drittel des Maises werden hier produziert. Angesichts des eher trockenen Klimas ist dies nur durch massive Nutzung von Grundwasser zur Bewässerung möglich.
Fast so groß wie Deutschland: die Nordchinesische Tiefebene. Im nördlichen Teil wurde eine Grundwasserfließlinie von über 200 km Länge untersucht (nummerierte Punkte stellen Brunnen dar).
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Das Klima der Nordchinesischen Tiefebene ist geprägt vom ostasiatischen Monsun, der während der Sommermonate, von Juni bis September, reichlich Niederschlag bringt. In der restlichen Zeit bestimmt sehr trockene und im Winter kalte Luft aus Zentralasien und Sibirien das Wettergeschehen. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt etwa 13 Grad Celsius, der mittlere Jahresniederschlag liegt bei 500 bis 600 Millimeter, wovon fast 80 Prozent im Sommer fällt. Die traditionelle Landwirtschaft erzielte über Jahrhunderte hinweg durch die Nutzung von Regenwasser höchstens zwei bis drei Ernten alle zwei Jahre. Infolge des steigenden Bedarfes an Nahrungsmitteln wird seit den 1960er Jahren die Wachstumsperiode zunehmend durch Bewässerung mit Grundwasser ausgedehnt. Heute werden jedes Jahr zwei Ernten eingefahren, wobei die intensive Landwirtschaft während der niederschlagsarmen Monate vorwiegend und in einigen Gebieten ausschließlich durch Grundwasser versorgt wird.
Schon bald nach Beginn der Förderung von Grundwasser wurden rapide sinkende Grundwasserspiegel beobachtet. Seit den späten 70er Jahren unternommene Versuche, diesen Trend durch Wassersparmaßnahmen zu stoppen, waren nicht erfolgreich. Vielerorts hat sich die Grundwasserspiegelabsenkung um rund einen Meter pro Jahr ungebremst fortgesetzt.
Hinzu kommt ein dramatischer Rückgang der Wasserführung der Flüsse, die auch in ihren Oberläufen stark genutzt werden. So ist zum Beispiel der Gelbe Fluss, der früher ganzjährig aktiv war, im Jahre 1997 während 226 Tagen trockengefallen. Die Folge ist ein zunehmender Wassermangel, wobei die Bedürfnisse der Landwirtschaft und der rasant wachsenden Industrie und Stadtbevölkerung im Konflikt stehen. Angesichts dieser Probleme ist ein besseres Verständnis der regionalen Wasserbilanz und insbesondere der Rate der Grundwasserneubildung dringend erforderlich.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, wie sich vergangene und zu erwartende zukünftige Klimaänderungen auf den Niederschlag und damit auf das letztlich nachhaltig verfügbare Wasserangebot auswirken. In großen Teilen Asiens spielt dabei die Aktivität des Monsuns die entscheidende Rolle. Diese lässt sich anhand von Kalkablagerungen in Höhlen rekonstruieren. Stalagmiten aus Höhlen in den südostchinesischen Karstgebieten zeigen, dass der Monsun zu Beginn des Holozäns, der bis heute andauernden Warmzeit, vor gut 10 000 Jahren ein Maximum durchlief. Seither hat er sich deutlich abgeschwächt. Im Vergleich zum feuchtwarmen Klima des frühen Holozäns ist es heute deutlich trockener, aber ob es auch wesentlich kühler ist, lässt sich aus den Stalagmitendaten leider nicht eindeutig feststellen.
In unserem Forschungsprojekt versuchten wir durch Messung einer Reihe von Spurenstoffen im Grundwasser der Nordchinesischen Tiefebene gleich beide der oben angedeuteten Fragestellungen zu beantworten:
1. Wie rasch geht die Grundwassererneuerung in der Region vonstatten, und
2. wie haben sich Temperatur und Monsunstärke in der Vergangenheit verändert?
Das zentrale Hilfsmittel waren dabei die im Grundwasser gelösten Edelgase, welche Aussagen über die Temperatur bei der Versickerung des Wassers sowie den Zeitpunkt dieses Vorganges ermöglichen.
Wichtig waren aber auch zwei weitere auf Isotopen, das heißt Varianten von Atomen eines Elementes mit unterschiedlichen Massen, beruhende Methoden. Die isotopische Zusammensetzung des Wassers ist mit der Temperatur und der Niederschlagsintensität verknüpft, während die Aktivität des radioaktiven Kohlenstoffisotopes 14C wiederum eine Datierung des Grundwassers erlaubt. Im Folgenden soll kurz erläutert werden, wie sich mit diesen Methoden die Klimageschichte aus dem Grundwasser rekonstruieren lässt.
Grundwasser führende geologische Schichten, sogenannte Grundwasserleiter oder Aquifere, können sich über große Distanzen erstrecken. Im Infiltrationsgebiet bildet sich neues Grundwasser durch Versickerung, stromabwärts sind Grundwasserleiter oft durch wasserundurchlässige Schichten abgedichtet. Je weiter entfernt vom Infiltrationsgebiet ein Brunnen liegt, desto älteres Wasser fördert er. Im Idealfall entnimmt man dem Aquifer eine Reihe von Proben aus Brunnen entlang einer Fließlinie.
In unserem Projekt folgten wir einer Linie durch die Nordchinesische Tiefebene vom Fuß des Taihang Gebirges im Westen nahe der Provinzhauptstadt Shijiazhuang zum Gelben Meer im Osten. So erhält man eine Abfolge von zunehmend älterem Wasser, ähnlich wie Sedimente oder Stalagmiten zunehmend ältere Schichten enthalten. Allerdings ist beim Grundwasser eine gewisse Vermischung unvermeidlich, sodass kurzfristige Klimavariationen nicht erhalten bleiben. Dennoch spiegeln die Veränderungen der Spurenstoffgehalte entlang der Fließlinie einerseits die Alterung des Wassers und andererseits die Klimageschichte im Infiltrationsgebiet wider.
Das versickernde Wasser steht zunächst noch im Austausch mit der Bodenluft, sodass sich bezüglich des Gehaltes an gelösten Gasen ein Gleichgewicht einstellen kann. Weil die Wasserlöslichkeit von Gasen von der Temperatur abhängt, enthalten die Konzentrationen der gelösten Gase eine Information über die Bodentemperatur während der Infiltration. Diese Bodentemperatur liegt meist nahe beim Jahresmittel der Lufttemperatur an der Oberfläche.
Sobald das Wasser den Grundwasserspiegel erreicht, wird es von weiterem Gasaustausch mit der Atmosphäre isoliert. Die Edelgaskonzentrationen – und damit die bei der Infiltration eingeprägte Temperaturinformation – bleiben von nun an erhalten. Durch Messung der Edelgasgehalte des Grundwassers kann somit die mittlere Jahrestemperatur zum Zeitpunkt der Versickerung, als Infiltrations- oder Edelgastemperatur bezeichnet, rekonstruiert werden. Gleichzeitig bietet die Isotopenzusammensetzung des Wassers selbst, insbesondere das Sauerstoff-Isotopenverhältnis 18O/16O eine weitere Klimainformation.
Diese Methode der „stabilen Isotope“ ist der eigentliche Klassiker unter den Paläotemperatur-Indikatoren, der zum Beispiel in den polaren Eisschilden sehr wichtige Erkenntnisse liefert. Wenn sich eine feuchte Luftmasse abkühlt, kommt es unweigerlich zur Kondensation und zum Ausregnen. Dabei geht bevorzugt das schwerere Sauerstoffisotop 18O verloren, sodass der zurückbleibende Wasserdampf immer weniger davon enthält. Je kälter es wird, desto mehr Wasserdampf ist bereits ausgeregnet, und desto weniger 18O enthält der jetzt noch gebildete Niederschlag.
Dieser Temperatureffekt ist in gemäßigten und hohen Breiten sehr ausgeprägt, in tropischen Gebieten dominiert aber der sogenannte Mengeneffekt: Starke Niederschläge, wie beispielsweise in der Monsunsaison üblich, enthalten weniger 18O als relativ schwache Regenfälle, welche von Verdunstung der Regentropfen beeinflusst werden. Die stabilen Isotope sagen dann mehr über Niederschlagsmengen als über die Temperatur aus. Um die so gewonnenen Klimainformationen zeitlich einordnen zu können, wird das Alter des Grundwassers, das heißt die seit der Infiltration vergangene Zeitspanne, benötigt.
Zur Datierung von Grundwasser im Bereich bis zu einigen Zehntausend Jahren kann die bekannte 14C-Methode verwendet werden. Sie basiert auf dem Abklingen der Radioaktivität des aus der Bodenluft im Grundwasser gelösten 14CO2. Zusätzlicher Kohlenstoff aus der Auflösung von Karbonaten im Untergrund kompliziert diese Methode zwar erheblich, dennoch bleibt sie für die bei der Klimarekonstruktion interessierenden Zeitskalen konkurrenzlos. Hohe 14C-Alter des Grundwassers belegen auch eindeutig die fossile Natur dieser Ressource, die dann offenbar nur sehr langsam erneuert wird. Das heißt jedoch noch nicht, dass gar keine Neubildung stattfindet – um dies zu untersuchen, muss man sich dem sehr viel jüngeren Wasser im Infiltrationsgebiet zuwenden. Im Altersbereich bis zu circa 50 Jahren kommen eine Reihe von Spurenstoffen zur Datierung in Frage, welche in den letzten Jahrzehnten durch die Menschheit freigesetzt worden sind.
Eine der zuverlässigsten Methoden zur Datierung in diesem Bereich beruht auf dem radioaktiven Zerfall des Wasserstoffisotopes Tritium (3H) zum seltenen Heliumisotop 3He. Tritium stammt hauptsächlich aus in den frühen 1960er-Jahren erfolgten oberirdischen Tests von Wasserstoffbomben. Der resultierende „Tritiumpeak“ im Niederschlag diente in den folgenden Jahrzehnten als nützlicher Marker in der Hydrologie. Heute jedoch lassen sich nur noch aus der kombinierten Messung von 3H und 3He zuverlässige Wasseralter bestimmen. Da Helium ein Edelgas ist, kann die 3H-3He-Methode dem Bereich der Edelgastracer zugerechnet werden. Auch das weitaus häufigere Heliumisotop 4He enthält im übrigen Informationen zum Alter des Grundwassers, da es sich infolge radioaktiver Zerfälle mit der Zeit anreichert.
Mit der 3H-3He-Methode untersuchten wir nun die Neubildung von Grundwasser im westlichen Teil der Nordchinesischen Tiefebene. In diesem Gebiet am Rand der Ebene, dem sogenannten Piedmont, wird der oberste Grundwasserleiter in Tiefen bis zu circa 150 Meter genutzt. In diesem Infiltrationsgebiet gibt es keine Barriere für die direkte Versickerung in das anstehende Grundwasser.
Dennoch war es erstaunlich, dass wir auch in den tiefsten Brunnen in diesem Gebiet tritiumhaltiges Wasser fanden, welches mit Hilfe des 3He auf Alter von weniger als 40 Jahren datiert werden konnte. Typische Alter von 30 Jahren in einer Tiefe von 120 Metern unter der Oberfläche bedeuten, dass sich das Wasser vertikal mit einer Geschwindigkeit von vier Metern pro Jahr bewegt. Da dem Wasser im Boden nur der Porenraum zur Verfügung steht, der hier etwa 20 Prozent des Gesamtvolumens ausmacht, entsprechen vier Meter im Boden einer reinen Wasserschicht von 0,8 Meter Dicke. Eine Neubildungsrate von 800 Millimetern pro Jahr scheint aber zunächst bei einem jährlichen Niederschlag von nur gut 500 Millimetern unsinnig hoch.
Der Widerspruch löst sich, wenn man zwei Dinge bedenkt:
1. Der sinkende Grundwasserspiegel bedeutet, dass das nach unten strömende Wasser gar nicht vollständig ersetzt wird, und
2. die Bewässerung entspricht einem Wassereintrag, der den Niederschlag sogar übertrifft.
Da der Wasserspiegel um circa einen Meter pro Jahr fällt, was 200 Millimetern Wassersäule entspricht, infiltrieren Netto nur 600 Millimeter pro Jahr. Die scheinbare Neubildungsrate von 800 Millimetern pro Jahr entspricht in Wirklichkeit der Entnahmerate des Grundwassers durch die Brunnen. Es gelangen also 800 Millimeter Grundwasser plus 500 Millimeter Niederschlag auf die Felder, wovon 600 Millimeter wieder versickern. Die restlichen 700 Millimeter entsprechen ziemlich genau dem Wasserbedarf der Nutzpflanzen für zwei Ernten im Jahr. Oberflächenabfluss und die direkte – für Pflanzen nutzlose – Verdunstung des Wassers scheinen hier nicht ins Gewicht zu fallen.
Die überraschende und durch unsere Messungen bestätigte Schlussfolgerung ist, dass Wasser sparende Bewässerungstechniken und mithin eine Reduktion der Pumpraten in diesem Gebiet kaum einen Effekt auf den Rückgang des Grundwasserspiegels haben. Das überschüssige Bewässerungswasser geht nicht verloren, es wird durch Versickerung rezykliert. Dennoch sinkt der Grundwasserspiegel, was ganz einfach daran liegt, dass die für zwei Ernten pro Jahr benötigte Wassermenge den Niederschlag übertrifft. Somit besteht die einzige Möglichkeit, die regionale Wasserbilanz auszugleichen darin, weniger anzupflanzen.
Natürlich ist das wirtschaftlich und politisch keine attraktive Lösung. Da jedoch die gegenwärtige, nicht nachhaltige Wassernutzung auf Dauer nicht aufrechterhalten werden kann, plant die chinesische Regierung eine radikale Lösung: die Umleitung von Wasser aus dem wasserreichen Süden in den trockenen Norden auf großer Skala. Wasser aus dem Jangtse soll durch lange Kanäle in das Einzugsgebiet des Gelben Flusses umgeleitet werden. Die Arbeiten für dieses gigantische Projekt haben im Jahr 2002 begonnen. Es ist denkbar, dass damit der Rückgang des Grundwassers in der Nordchinesischen Tiefebene gestoppt werden kann, aber die ökologischen Folgen eines solch gewaltigen Eingriffes sind kaum absehbar.
Etwa 30 Kilometer stromabwärts von Shijiazhuang auf der von uns beprobten Grundwasserfließlinie trifft man auf den Übergang vom Piedmont zum zentralen Bereich der Ebene. Von hier an enthält der oberste Grundwasserleiter relativ salziges Wasser, dass sich zur Nutzung nicht eignet. Deshalb wird in der zentralen Ebene zwischen 200 und 500 Meter tief gebohrt, um frisches Wasser aus einem tieferen Stockwerk anzuzapfen. Dieser untere Grundwasserleiter ist durch weniger durchlässige Schichten vom oberen getrennt, sodass hier eine direkte Infiltration von der Oberfläche her nicht mehr möglich ist.
Das Wasser speist sich durch lateralen Zufluss aus den Aquiferen des Piedmonts. So ist es nicht überraschend, dass das Grundwasser hier wesentlich älter ist, dennoch verblüffte uns, wie abrupt der Übergang auftritt. So fanden wir in diesem Bereich nur wenige Proben, die aufgrund von 14C-Altern unter 12 000 Jahren dem Holozän zuzuordnen sind. Aus dem Zeitbereich des Maximums der letzten Eiszeit um circa 20 000 Jahre vor heute fanden wir überhaupt keine Proben, hingegen gibt es weiter stromabwärts eine größere Gruppe von Brunnen, deren Wasser um die 30 000 Jahre alt ist.
Das moderne Grundwasser aus dem Piedmont sowie die wenigen holozänen Proben aus dem westlichs-ten Teil der zentralen Ebene ergeben Edelgastemperaturen zwischen12 und 15 Grad Celsius, was gut mit der heutigen mittleren Jahrestemperatur von 13,3 Grad Celsius in Shijiazhuang übereinstimmt. Die eiszeitlichen Proben zeigen mit acht bis zehn Grad Celsius eindeutig kältere Bedingungen an. Die abgeleitete Temperaturdifferenz von vier bis fünf Grad Celsius zwischen der heutigen Warmzeit und der letzten Eiszeit ist recht typisch, nur in höheren Breiten war die eiszeitliche Abkühlung noch deutlich stärker.
Im Klimadiagramm zeigt sich deutlich die Zweiteilung Chinas in den trockenen Norden und den feuchten Süden.
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Die Bestimmung dieser Temperaturdifferenz ist von großer Bedeutung für die Klimaforschung, da Klimamodelle durch Simulation der eiszeitlichen Bedingungen getestet werden können. Die Edelgasmethode liefert zuverlässige absolute Temperaturen, wie sie bisher für Asien nicht vorhanden waren. Allerdings konnte im Fall der Nordchinesischen Tiefebene die Temperatur der kältesten Phase der Eiszeit nicht bestimmt werden, da diese Periode in der Region vermutlich sehr trocken war und kaum Grundwasser gebildet wurde. Auch andere Studien besagen, dass im kältesten eiszeitlichen Klima der Monsun unser Untersuchungsgebiet gar nicht mehr erreicht hat.
Weitere wichtige Erkenntnisse über die Variation der Monsunintensität resultieren auch aus dem Vergleich der Edelgastemperaturen mit dem Klimaindikator der stabilen Isotope des Wassers. Anders als die Edelgastemperatur war in unserem Studiengebiet das 18O/16O- Verhältnis im Verlaufe des Holozäns nicht konstant, sondern zeigt eine deutliche Zunahme um etwa 1,5 Promille. Dieser bedeutende Unterschied kann also nicht einem Temperatureffekt zugeschrieben werden. Hingegen bietet eine Änderung im Mengeneffekt infolge der aus den Stalagmiten bekannten Abnahme der Monsunstärke und damit des Niederschlags im Laufe des Holozäns eine konsistente Erklärung.
Die eiszeitlichen Proben aus der Zeit um 30 000 vor heute weisen noch einmal um rund ein Promille niedrigere Isotopenwerte auf. Im Vergleich zu den Proben aus dem frühen Holozän scheint dies hauptsächlich auf den Temperaturunterschied von rund fünf Grad Celsius zurückzuführen zu sein. Die daraus abgeschätzte Stärke des Temperatureffektes in dieser Region passt gut zu Werten, die man auch aus Messungen des Niederschlags der letzten Jahrzehnte erhält.
Unsere Studie unterstreicht damit nicht nur, dass die stabilen Isotope in der Region des ostasiatischen Monsuns neben der Temperatur auch wesentlich durch die Intensität des Monsuns beeinflusst werden, sondern liefert mit den Edelgastemperaturen auch einen Schlüssel zur Trennung der beiden Effekte. Dies ist wichtig für die Paläoklimaforschung, da die stabilen Isotope neben dem Grundwasser auch in diversen anderen Klimaarchiven genutzt werden.
Paläoklimatische Studien sind heute immer auch durch die Frage der aktuellen und zukünftigen Klimaänderung motiviert. Es ist für unser Verständnis des Klimasystems sehr wichtig, vergangene Klimazustände und Variationen möglichst genau charakterisieren zu können. Allerdings ist Vorsicht geboten, wenn aus Paläoklimadaten direkte Schlüsse auf die zukünftige Entwicklung gezogen werden sollen. Durch die Veränderung der Zusammensetzung der Atmosphäre hat der Mensch die Bedingungen auf eine Art und Weise verändert, wie es in der Vergangenheit nicht vorgekommen ist. Paläoklimadaten sind jedoch sehr nützlich zur Überprüfung und Kalibration von Klimamodellen, mit denen dann auch Vorhersagen zur Entwicklung unter den heutigen Randbedingungen gemacht werden können.
Bei aller gebotenen Vorsicht ist es dennoch interessant festzustellen, dass sich in der Vergangenheit in China wie auch sonst im Bereich des Monsuns warm-feuchte und kalt-trockene Phasen abgewechselt haben. Es ist somit denkbar und wird auch von Klimamodellen angedeutet, dass ein zukünftiges wärmeres Klima zu einer Verstärkung des Monsuns führen wird. Dies würde möglicherweise zur Entschärfung des Wassermangels in Nordchina beitragen. Allerdings ist es fraglich, ob dieser Effekt ausreichen wird, und keinesfalls wird man sich bei der Lösung dieses existenziellen Problems allein darauf verlassen wollen.
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Prof. Dr. Werner Aeschbach-Hertig studierte Physik an der ETH Zürich und wurde im Jahr 1994 in Umweltwissenschaften an der Eawag (Wasserforschungs-Institut des ETH-Bereichs) in Dübendorf bei Zürich promoviert. Er forschte über Seen, Grundwasser und Paläoklima am Lamont-Doherty Earth Observatory der Columbia University bei New York und an der Eawag. Seit 2003 leitet er den Forschungsbereich „Aquatische Systeme“ des Instituts für Umweltphysik der Universität Heidelberg.
Kontakt: aeschbach@iup.uni-heidelberg.de, Telefon: 0 62 21 / 54 63 31
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