Die Universität – ein Unternehmen?
In der hochschulpolitischen Diskussion werden immer häufiger die Begriffe "Unternehmen Universität" oder "Wissenschaftsunternehmung" genannt. Vorbilder sind die amerikanischen Universitäten, wobei in der Diskussion zwischen privaten und staatlich finanzierten Universitäten nicht unterschieden wird.
Wenn wir von Universitäten als Unternehmen sprechen, sollte zunächst klar sein, was ein Unternehmen eigentlich ist. Ein Unternehmen ist eine planvoll organisierte Wirtschaftseinheit, in der Sachgüter und Dienstleistungen erstellt und/oder abgesetzt werden. Unabhängig vom Wirtschaftssystem funktioniert ein Unternehmen nach den Prinzipien der Wirtschaftlichkeit und benutzt dazu die Produktionsfaktoren Arbeit, Betriebsmittel und Werkstoffe. Mit diesem Unternehmensbegriff lässt sich eine Universität auf den ersten Blick nicht beschreiben. Ist damit die Diskussion beendet – res judicata, causa finita?
Stellen wir dem Unternehmensbegriff zunächst den Versuch gegenüber, eine Universität zu beschreiben: Die Universität bildet den organisatorischen Rahmen, in dem Experten über Inhalte von Forschung und Lehre entscheiden. Typischerweise ist das Wissen fächerspezifisch, was eine starke Dezentralisierung vorgibt. Das Ziel der Universität ist es, Wissen zu erarbeiten und weiterzugeben. Dazu wird regelmäßig ein nicht unerhebliches Budget eingesetzt, ohne dass es primär auf Gewinne im materiellen Sinn ankäme – die Universität als "Nonprofit-Organisation". Sowohl in den Zielen, den Produkten und den Strukturen liegen Universität und Unternehmen also weit auseinander. Dennoch werden beide immer häufiger in einem Atemzug genannt. Wie kommt es dazu?
Die Öffentlichkeit erwartet zu Recht, dass die Universität ihre Ziele wirtschaftlich und effizient erreicht. So gesehen ist die Universität ein Unternehmen. Weil Universitäten als unwirtschaftlich gelten, wird angeregt, dass auch sie den erfolgreichen Weg von Unternehmen beschreiten sollten, die durch Umstrukturierungen wirtschaftlicher geworden sind. Es ist richtig: Da die Budgets nicht größer werden, müssen die Universitäten mit ihren Ressourcen wirtschaftlich und sparsam umgehen, Neues finanzieren, Altes abbauen und alle diese Prozesse nach innen und außen transparent machen. Die Aufgabe, vor der die Universität steht, lautet betriebswirtschaftlich gesprochen: Wie passt sich eine Universität dem veränderten Markt an?
Das Produkt einer Universität ist Wissen. Der Unternehmensgegenstand ist Forschung und Lehre, die untrennbar miteinander verbunden sind. Doch wie steht es mit den betriebswirtschaftlichen Begriffen "Markt" und "Wettbewerb"? Existieren sie in einer Universität?
In der Lehre würde man den Wettbewerb um den besten Studenten erwarten. Der Numerus Clausus wirkt sich hier jedoch wettbewerbsfeindlich aus. Ansatzweise kann man Wettbewerb in den Fächern erkennen, die nach dem Vordiplom oder der Zwischenprüfung steigende Studentenzahlen verzeichnen. In der Forschung dagegen ist der Wettbewerb sehr ausgeprägt: Er konzentriert sich auf den hoch kompetitiven Drittmittelbereich. Vom Wettbewerb geprägt sind auch die Berufungs- und Erhaltungsverhandlungen. Hier konkurrieren die Universitäten untereinander und mit den großen Forschungseinrichtungen wie der Max-Planck-Gesellschaft – was sich in Heidelberg als besonders wettbewerbsverzerrend auswirkt. Fazit: Markt und Wettbewerb sind ein Umfeld, in dem Universitäten durchaus eine Rolle spielen.
Auch die Leistungen von Universitäten sind messbar. Mit den Leistungen sind die Kosten untrennbar verbunden. Ein Teil des Unbehagens in der Öffentlichkeit beruht auf der Tatsache, dass die meisten Universitäten nicht präzise belegen können, was ihre Leistungen im Einzelnen kosten. Was etwa kostet ein Physikstudent in Heidelberg? Was kostet er in Konstanz? Sind die Kosten unterschiedlich? Und wenn ja, warum?
Die Transparenz der Kosten zählt zu den wichtigsten Zielen des von der Volkswagenstiftung geförderten Projektes "Impulse", das die Universität derzeit durchführt. Gestützt auf das "SAP R/3-System", das sich im industriellen Bereich bewährt hat, will die Universität eine Kosten-Leistungsrechnung einführen und die notwendige Transparenz im Innen- und Außenverhältnis herstellen. Auf diesem Weg will die Universität die notwendigen Informationen ermitteln, um das Ziel des Projektes – die dezentrale Ressourcenverantwortung – zu verwirklichen: Inneruniversitäre Märkte sollen die Institute zum Austausch von Ressourcen und Leistungen ermutigen.
Die Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung wurde von Senat und Verwaltungsrat vor drei Jahren beschlossen. Ab 1. Januar 2000 sind alle Landesuniversitäten gesetzlich dazu verpflichtet. Die finanzielle Unterstützung des Landes bei der Implementierung und der Status als Pilotuniversität erleichtern der Universität Heidelberg die Umstellung. Das SAP-System muss sich allerdings im universitären Bereich noch bewähren. Es verursacht schwierige Anpassungsprozesse und verlangt von allen Beteiligten hohes Engagement.
Dezentrale Ressourcenverantwortung – der Kern des Impulse-Projektes – heißt nicht, auf strategische Entscheidungen zu verzichten. Denn nach wie vor werden den Universitäten Ziele vorgegeben, beispielsweise die landesweite Verkürzung der Studiendauer. Dies impliziert Umverteilungsprozesse im Rahmen der indikatorgesteuerten Mittelverteilung, unter anderem im Hilfskraftmodell, wo sich die Zuweisungen für die Studierenden verringern und für die Zahl der Prüfungen erhöhen. Die Dynamik von Fächern wird weiterhin strategische Entscheidungen erfordern. Beispiele sind der Ausbau der biomedizinischen Fächer oder die Verwirklichung interdisziplinärer Zusammenarbeit in neuen organisatorischen Formen. Auch die Leistungsfähigkeit einzelner Fächer wird weiterhin auf der strategischen Ebene beurteilt werden.
In einem Unternehmen kann die Unternehmensleitung den Geschäftsbereichen die Ziele vorgeben und die Umsetzung kontrollieren. Eine Universitätsleitung hat jedoch nur selten eigene Kriterien für die Beurteilung eines Fachs. Auf Grund dieser mangelnden Kompetenz kann sie keine Alternativen aufzeigen und ist auf die Evaluierung und die Meinung der Scientific Community angewiesen. Versucht sie im Kernbereich von Forschung und Lehre Verhaltens- oder Ergebnisvorgaben einzuführen, wird ihr – zu Recht – Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes vorgehalten. Die Universitätsleitung hat zudem keinen Einfluss auf die Besetzung ihrer "Bereichsleiter" und keine Personalhoheit: Die Universitätsleitung selbst ist nur "Personal auf Zeit".
Diese wenigen Stichworte zeigen wichtige Unterschiede zu Unternehmensstrukturen und -kulturen auf. Wer diese Unterschiede verneint, verkennt, dass sich die Leistungsfähigkeit und Originalität von Universitäten aus ihren dezentralen Strukturen und flachen Hierarchien entwickelt hat. Das heißt aber nicht, dass bewährte Instrumente des Unternehmensmanagements in Universitäten eine Fehlinvestition wären.
Sich der veränderten Umwelt anzupassen, wird für die Universitäten zu einer schwierigen Gratwanderung. Sie verlangt ein hohes Maß an Flexibilität und ein Denken in ungewohnten Kategorien. Für eine Universität, die seit über 600 Jahren darin geübt ist zu überleben, ist dies keine Unmöglichkeit. Eine Kleinigkeit ist es aber auch nicht.
Romana Gräfin vom Hagen