Siegel der Universität Heidelberg
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Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

das am 1. Januar 2000 in Kraft getretene neue Hochschulgesetz des Landes Baden-Württemberg wird die Struktur und Organisation unserer Universität in wichtigen Anteilen ändern. Die heftigen Diskussionen im Vorfeld haben nur zu marginalen Änderungen geführt, und es ist nun unsere Aufgabe, die gesetzlichen Vorgaben in eine bestmögliche Realität umzusetzen. Das neue Hochschulgesetz ist für die beiden Medizinischen Fakultäten Heidelberg und Mannheim nur eine von zahlreichen Reformen und Reformvorhaben der letzten beiden Jahre. Das vor zwei Jahren in Kraft getretene Hochschulmedizinreform-Gesetz hat das Klinikum Heidelberg in eine rechtsfähige Anstalt der Universität überführt. Die Krankenversorgung ist dem Klinikvorstand übertragen, der neu geschaffene Aufsichtsrat wurde zur Beratung und Überwachung des Klinikvorstandes geschaffen. Für Forschung und Lehre ist der neue Fakultätsvorstand zuständig, dessen wichtigste Entscheidungen vom Fakultätsrat genehmigt werden müssen. Die geforderte Trennung von Krankenversorgung, Wissenschaft und Lehre ist in vollem Gange. Das Budget für Forschung und Lehre wird in diesem Jahr erstmalig an die Leistung angepasst; im nächsten Jahr wird auch die Lehre budgetrelevant sein.

Wo liegen die Gefahren dieser Strukturänderungen?

Es werden alte, bisher verdeckte Ungerechtigkeiten – vor allem eine gute oder knappe Personalausstattung – festgeschrieben. Eine Abteilung, die bislang personell knapp besetzt ist, wird wegen ihres notwendigerweise geringeren wissenschaftlichen "Outputs" bezüglich des Budgets noch schlechter gestellt.

Ein zweites, noch nicht gelöstes Problem ist die Wertung der in der Medizin notwendigen Weiter- und Fortbildung. Die Höhe der über die Fakultät zugeteilten Mittel für die Forschung wird von den eingeworbenen Drittmitteln und Publikationsleistungen ("Impact Factor") bestimmt. Publikationen, die überwiegend der Weiter- und Fortbildung dienen, werden aber oft ohne oder mit nur geringen Impact-Faktoren gewertet. Dadurch haben die Aktivitäten, die der Weiter- und Fortbildung dienen, keine Budgetrelevanz, verlieren dadurch an interner Bedeutung und werden eingeschränkt. Eine solche Entwicklung hätte fatale Folgen für die Qualität der ambulanten und stationären Krankenversorgung.

Eine dritte Gefahr muss erkannt werden: Die Qualität der Krankenversorgung ist wesentlich schwerer zu evaluieren als Forschung und Lehre. Die Gefahr der Entwicklung einer Schieflage zu Ungunsten der Patientenversorgung muss vermieden werden. Diese schwierigen Budgetverschiebungen müssen zudem in einer Zeit erfolgen, in der die Deckelung des Gesamtbudgets des Universitätsklinikums durch die Bundesgesetzgebung schon seit mehreren Jahren festgeschrieben ist. Nun kommt der nächste Reformvorstoß; jetzt seitens der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Sie fordert eine personelle Trennung zwischen Ärzten in der Forschung und in der Krankenversorgung: Der forschende Arzt soll von den Pflichten der Krankenversorgung freigestellt, der klinisch tätige Arzt von den Pflichten einer nur der ärztlichen Laufbahn dienenden Forschung entlastet werden. Auch die Leitungsfunktionen sollen getrennt besetzt sein.

Dieses Konzept soll die deutsche Medizin in der Krankenversorgung auf hohem Niveau belassen und zu mehr Spitzenleistungen in der Forschung befähigen. Das Konzept wird sich in einem großen Fach mit hohem Personalbestand auch durchaus umsetzen lassen. Wir haben jedoch in der Vergangenheit eine Spezialisierung vorangetrieben, die viele kleine Abteilungen mit einer hochdifferenzierten Krankenversorgung hervorgebracht hat. Spezialisten sind nicht mehr als Generalisten einzusetzen. Wenn diese kleinen Abteilungen nun auch noch personell in Krankenversorgung und Forschung/Lehre unterteilt werden, unterschreiten sie den personellen Mindestbestand und werden bezüglich der Krankenversorgung handlungsunfähig.

Andererseits würde eine Restrukturierung der Spezialabteilungen in größere Abteilungen die Patientenversorgung gravierend verschlechtern. Wer möchte schon gern von einem Bauch-Chirurgen am Herzen operiert werden? In kleinen Fächern wird sich die personelle Trennung von Krankenversorgung und Forschung wohl nicht durchführen lassen. Die von der DFG vorgeschlagene Karrieretrennung zwischen dem Arzt in der Krankenversorgung und dem Arzt in der Wissenschaft bedarf noch einer differenzierten Diskussion. Der Reformdruck, unter dem die Medizin steht, ist erheblich. Er betrifft gleichzeitig Krankenversorgung, Wissenschaft und Lehre – und die Reformen müssen mindestens kostenneutral erfolgen.

Die klinisch tätigen Mitarbeiter des Klinikums haben einen schwierigen Balanceakt zu leisten. Die Gleichzeitigkeit von Maßnahmen, die unter Kostendruck verordnet werden und zumeist dem Sparen dienen, mit Reformen, welche die Effizienz der wissenschaftlichen Leistung erhöhen sollen, erfordert einen erheblichen persönlichen Einsatz. Wir werden dabei die Balance zwischen exzellenter Krankenversorgung und hohem Niveau in Wissenschaft und Lehre nicht verlieren.

Ihr
Jochen Tröger
Prorektor für Medizin

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