Editorial
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
eine Universität bestimmt ihr wissenschaftliches Profil durch ihre Berufungspolitik. Die Wissenschaftspolitik des Landes Baden-Württemberg glaubt, mit der "Erstberufung auf Zeit" ein neues Instrument der flexibleren Personalpolitik zur "Leistungssicherung" (Minister von Trotha) geschaffen zu haben. Es soll die Universität zudem in die Lage versetzen, schneller als bisher auf Veränderungen zu reagieren: "Bei der ersten Berufung in ein Professorenamt ist das Dienstverhältnis grundsätzlich zu befristen", heißt es in Paragraph 67 des Universitätsgesetzes.
Die Erstberufung auf Zeit verlängert die Qualifikation zur permanenten Professur um eine zusätzliche "Bewährungsphase", meint Minister von Trotha. Die Befristung ist mithin keine Neugestaltung des Karriereweges für künftige Hochschullehrer. Die befristete Erstprofessur ist zudem nicht stimmig angesichts der Kritik gerade von jenen Politikern, die diese Zeitprofessur einführen und zugleich die Universität ob der allzu langen zeitlichen Qualifikation für eine Professur kritisieren. Die Bewährung zur Leistungssicherung macht aber schon deswegen keinen Sinn, weil die Eignung zum Hochschullehrer in der Regel durch das Habilitationsverfahren gesichert wird und die Lehrstuhlbewerber sich einem aufwendigen Berufungsverfahren stellen müssen. Will man den Universitäten in beiden Verfahren Nachlässigkeiten oder mangelndes Leistungsbewusstsein unterstellen?
Wird sich der wissenschaftliche Nachwuchs angesichts des zusätzlichen Bewährungsrisikos überhaupt auf den akademischen Qualifikationsweg begeben? Oder wird er nicht sogleich attraktive, hochbezahlte Berufe außerhalb der Universität ergreifen? Vor allem wird übersehen, dass eine abgelehnte Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit die Person mit einem Makel behaftet, der nahezu ausschließen wird, dass sie eine andere Beschäftigung findet – schon gar nicht im tertiären Bildungsbereich.
Der Gesetzgeber hat gesehen, dass vom befristeten Professorenvertrag negative Auswirkungen auf die Attraktivität der Landesuniversitäten ausgehen können. Wie sonst ist die Ausnahme zu verstehen, "wenn Bewerber aus dem Ausland oder aus dem Bereich außerhalb der Hochschulen für ein Professorenamt sonst nicht gewonnen werden können" (Paragraph 67)? Einem Bewerber, der an einer deutschen Universität habilitiert worden ist, wird mithin ein minderer Status zugemutet. Und wenn dieser Bewerber nur mit einer Dauerbeschäftigung zu gewinnen ist? Oder soll die Ablehnung der Übernahme in eine permanente Professur eine seltene Ausnahme bleiben? Hier nun macht die Gesetzesbegründung hellhörig: "Die grundsätzlich befristete Anstellung als Professor gehört in das Gesamtkonzept des bedarfsgerechten Einsatzes der Ressourcen. Änderungen in der Hochschul-Entwicklungsplanung sollen nicht von vornherein unveränderbare Professoren-Dienstverhältnisse entgegenstehen beziehungsweise sie erschweren."
Das heißt im Klartext: Auch wenn sich jemand in Forschung und Lehre bewährt hat, kann das Dienstverhältnis beendet werden. Damit ist das Risiko der Erstberufung auf Zeit sehr viel höher als die Bezeichnung vermuten lässt. Zwar heißt es in einem Ausführungserlass des Ministeriums lediglich, die "Hochschulen prüfen (...), ob (...) eine Anstellung empfohlen werden kann" und "berichten dem Wissenschaftsministerium (...), ob sich der Professor bei der Erfüllung seiner Dienstaufgaben bewährt hat". Das mag beschwichtigend klingen. Doch eine Universität ist nie völlig unabhängig von politischen Forderungen – die Schaffung von Professuren für Informatik durch die Nichtübernahme von Zeitprofessoren, die nicht dem Technologietransfer dienen?
Es gibt noch viele andere Gründe, die gegen die Sinnhaftigkeit dieser Art von Zeitprofessur sprechen. Der Erlass des Ministeriums sieht eine Probezeit von drei Jahren vor. Kann der Erstberufene sich in dieser Zeit in der Forschung bewähren? Er wird zunächst Vorlesungen erarbeiten müssen, die dem Curriculum seiner neuen Fakultät entsprechen. Er wird an seiner Wirkungsstätte sein Forschungsgebiet und Mitarbeiterteam aufbauen müssen. Erst dann wird er in der Lage sein, sich um Drittmittel – dem vorrangigen Leistungskriterium – zu bewerben. Kann eine Berufung auf drei Jahre überhaupt ausgesprochen werden, wenn sie mit hohen Investitionen verbunden ist?
Als Fazit lässt sich prognostizieren, dass die Verweigerung der dauerhaften Professur eine seltene Ausnahme bleiben wird. Eine Universität, die mehrmals trotz Bewährung nur aus Gründen ihrer Strukturplanungen die Übernahme ablehnt, verliert ihre Reputation.
Ihr |
Jürgen Siebke Rektor |